Für Ärzte ein No-Go: So verboten ist WhatsApp in Praxis und Krankenhaus
Fragt man in Arztpraxen oder Krankenhäusern nach WhatsApp, wird abgestritten. Jedes „Kind“ weiß, dass das aus Datenschutzgründen nicht erlaubt ist! Doch mit gleicher Selbstverständlichkeit wird signalisiert: Natürlich schickt man dem Kollegen bei Bedarf mal schnell „eine App“, wie manche sagen, oft sogar ganz regelmäßig. Immerhin sind in Deutschland rund 70 % der Bevölkerung an diesen Dienst gewöhnt. Rechnet man Säuglinge und Greise raus, kann man eigentlich von „allen“ sprechen.
Damit verbucht WhatsApp einen entscheidenden Vorsprung für sich: Mit dieser App erreicht man tatsächlich „alle“: Sohn, Oma, Nachbarin und eben auch den Oberarzt bzw. Praxischef. Und das ganz ohne Investition – was im Privaten täglich genutzt wird, muss im Arbeitsleben nicht mehr mühsam geschult werden. Und die App hat auch schon jeder, wie praktisch!
Datenschützer werden sich nicht mit Good Will begnügen
Und wer sollte den unerlaubten Kommunikationsweg melden? Nicht nur, dass man damit das eigene Nest beschmutzen würde – wie beliebt macht man sich, wenn man den Kollegen das hilfreiche Tool wegnimmt?
Obwohl also jeder Bescheid weiß, hatte das bislang keine Konsequenzen. Das könnte sich allerdings bald ändern, sagt Helmut Eiermann, stellvertretender Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz. Nachdem die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai ihren ersten Geburtstag gefeiert hat, könne man jetzt sozusagen dabei zusehen, wie die Bereitschaft der Aufsichtsbehörden wächst, das neu geschaffene Instrumentarium inklusive der Bußgelder anzuwenden.
Noch würden die Behörden einen Übergang zugestehen, man weiß, dass Gesundheitseinrichtungen in einem schwierigen Umfeld agieren. Doch die Scheu, in Gerichtsverfahren einzusteigen, sinke. Statt wie bislang auf Gespräche und mittelfristige Verbesserungen zu setzen, werde es bald plakative Einzelfälle geben, auch im Gesundheitswesen.
Beliebt, aber umstritten
WhatsApp liest keine Chats – aber geheim bleiben die Daten nicht
Seit 2016 sind die Chats in WhatsApp über das Signal-Protokoll verschlüsselt. WhatsApp kann also nicht wissen, was kommuniziert wird – aber es weiß, dass kommuniziert wird. Das Röntgenbild, das am Wochenende an den Oberarzt geschickt wird, um sich einen Rat zu holen, kann der Dienst also nicht auslesen, aber er hat Zugriff auf alle Metadaten: Wer, wann, mit wem, wie oft kommuniziert und wie groß die übertragene Datenmenge ist. Ob und wann und wie oft der Patient Kontakt mit einem Psychologen hat – das bleibt kein Geheimnis.
Und auch wenn die Chats verschlüsselt sind: Die Cloud-Backups sind es erstmal nicht, sie müssen entsprechend konfiguriert werden. Unterbleibt das – wie bei den meisten Usern – liegen die Röntgenbilder genauso offen in der Cloud wie die abfotografierten Kuchenrezepte. Und auch auf dem Smartphone selbst sind die Bilder – und dazu der gesamte Chatverlauf – unverschlüsselt gespeichert. Verlust oder unerlaubter Zugriff auf das Gerät machen dann alles möglich. Hinzu kommt bei Bildern, dass diese auch in der Mediathek des Smartphones gespeichert werden. Hat man diese nicht sorgsam konfiguriert, haben auch andere Dienste automatisch darauf Zugriff.WhatsApp muss ggf. Behörden Datenzugriff erteilen
WhatsApp ist letztlich ein außereuropäischer Anbieter. Das Unternehmen hat zwar eine europäische Niederlassung in Irland, die Datenverarbeitung findet jedoch in den USA statt. Zwar bieten US-amerikanische Unternehmen, die wie WhatsApp dem Privacy-Shield-Abkommen beigetreten sind, einen zu Europa vergleichbaren Datenschutz. Dieses Abkommen verändert aber nicht den Rechtsrahmen, in dem der Dienst agiert. So sind zum Beispiel Zugriffe von Behörden anders geregelt als in der EU.WhatsApp liest täglich alle Kontakte aus, auch die der Nicht-WhatsApp-Nutzer
Eigentlich unglaublich: Bis zu fünfmal am Tag liest der Messengerdienst die kompletten Kontakte eines Users aus. WhatsApp-Nutzer genauso wie Unbeteiligte. Die Erlaubnis dazu lässt sich der Dienst vom User authorisieren: Mit Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen unterschreibt dieser, dass er authorisiert ist, diese Daten weiterzugeben. Eine solche Authorisierung seitens Dritter ist im Prinzip haltlos. Deswegen hat auch die Verbraucherschutzbehörde diese sowie sieben weitere Klauseln der WhatsApp-Nutzungsbedingungen abgemahnt. Über die relevantesten – dazu gehört die Weitergabe von Daten an andere Unternehmen wie etwa Facebook – wird im Oktober vor dem Landgericht Berlin verhandelt. Da über diese gerichtliche Entscheidung theoretisch das Geschäftsmodell des Dienstes ins Wanken kommen kann, ist mit weiteren Instanzen zu rechnen.
Unternehmen unterliegen darüber hinaus auch noch der DSGVO. Das heißt: Werden in einer Gesundheitseinrichtung regelmäßig personenbezogene Daten an ein außereuropäisches Unternehmen übertragen, wird dafür eine Rechtsgrundlage oder eine Einwilligung benötigt. Hat man die nicht, findet also eine regelmäßige rechtswidrige Datenübertragung statt! Verweigert man dem Dienst dagegen den Zugriff auf das Telefonbuch, wird seine Nutzung vollkommen unattraktiv.
Neue Anbieter sind mit Datenschützern im Gespräch
Ist das eine generelle Absage an Messengerdienste? Keineswegs, so Eiermann. Anbieter für spezielle Dienste sind am Start. Sie werden bestimmte Bedingungen erfüllen müssen: Wie sehen die Schnittstellen aus? Gibt es einen geschützten Speicherbereich für empfangene Bilder? Wie funktionieren Löschfunktionen? Sind Namen zu schwärzen, wenn z.B. ein Bildschirm abfotografiert wird? Gibt es für Privatgeräte ein Devicemanagement, um das Gerät bei Verlust zu orten? Eine Arbeitsgruppe der Datenschützer diskutiert derzeit die Anforderungen für Messengerdienste im Krankenhaus mit den entsprechenden Verbänden. Und es gibt auch bereits empfehlenswerte Alternativen. Zu nennen wären hier u.a. Threema, Wire oder Signal. Es ist zu umständlich, sich eine neue App downzuloaden und den Kollegen auch darum zu bitten? Im Ernst jetzt?Medical-Tribune-Bericht
zur Fachtagung Datenschutz in der Medizin – Update 2019