In acht Jahren zum Doppelfacharzt – hochqualifizierte Spezialisten durch kombiniertes Curriculum

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Petra Spielberg

Die Absolventen brauchen Durchhaltevermögen und eine gute Selbstorganisation. (Agenturfoto) Die Absolventen brauchen Durchhaltevermögen und eine gute Selbstorganisation. (Agenturfoto) © iStock/ SDI Productions

Komplementäre Facharztgebiete miteinander zu kombinieren, kann die Karrierechancen erhöhen und ermöglicht dem Inhaber eines doppelten Facharzttitels einen ganzheitlicheren Blickwinkel auf die Patienten. Auf diesem Ansatz basiert die parallele Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie sowie zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg.

„Das Wissen sowohl in der Neurologie als auch in der Psych­iatrie und Psychotherapie ist in den letzten Jahren explodiert. Insofern haben beide Facharzttitel nach wie vor ihre Berechtigung“, sagt Professor Dr. Carsten Konrad, einer der Initiatoren des kombinierten Weiterbildungsmodells. „Dennoch halte ich es für ungemein wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte die Differenzialdiagnostik beider Spezialisierungen beherrschen, da die Fächer eng zusammengehören und überlappende Indikationen aufweisen.“

Für Ärztinnen und Ärzte, die in beiden Disziplinen arbeiten wollen, sei der klassische Weiterbildungsweg, bei dem erst der eine und dann der andere Titel erworben wird, aber häufig unattraktiv, da es kaum möglich sei, die Weiterbildungen innerhalb der Mindestzeit von acht Jahren zu absolvieren. Zudem ginge beim Wechsel zwischen den Fächern oftmals Wissen verloren.

Aus diesem Grund hat der Psych­iater und Neurologe, der sich selbst noch ganz klassisch in beiden Gebieten spezialisiert hat, zusammen mit dem Chefarzt der Neurologie am Agaplesion Diakonieklinikum Rotenburg, Professor Dr. ­Reinhard Kiefer, ein verzahntes Weiterbildungscurriculum für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie entworfen, das eine Qualifikation in beiden Titeln innerhalb von nur acht Jahren ermöglichen soll.

„Hauptcharakteristikum des Modells ist, dass die Weiterbildungs­assistentinnen und -assistenten im Jahresrhythmus zwischen den Disziplinen innerhalb des Klinikums rotieren“, erläutert Prof. Konrad. Dadurch bleibe der Wissensstand im jeweils anderen Fach aktuell und steige in beiden Disziplinen kontinuierlich an.

Komplikationslose Rotation zwischen den Disziplinen

Dr. Viviane Sterzer ist als erste angehende Doppelfachärztin in das Rotenburger Weiterbildungsmodell eingestiegen. Sie arbeitet seit nunmehr fünf Jahren im Agaplesion Dia­konieklinikum, davon zwei Jahre in der Psychiatrie und drei Jahre in der Neurologie und rotiert seit 2019 im Wechsel mit der Weiterbildungsassistentin Annika Worbes zwischen den Abteilungen.

Die Rotationen seien bislang komplikationslos verlaufen, berichtet Dr. Sterzer. „In beiden Abteilungen wurde mit mir immer vorbesprochen, was die inhaltlichen Ziele der Rotation sind und dies konnte bisher auch ohne Ausnahme umgesetzt werden.“

Ausschlaggebend für Worbes, beide Facharzttitel gleichzeitig erwerben zu wollen, war, dass sie neben der Psychiatrie die Somatik neurologischer Erkrankungen fortlaufend im Blick behalten will.

„Die Ärztinnen und Ärzte, die sich für unser Modell entscheiden, sollten am Anfang ihrer Weiterbildungen stehen und über eine überdurchschnittliche Motivation verfügen, da die zeitlichen und inhaltlichen Anforderungen natürlich groß sind“, sagt Prof. Konrad. Für Absolventen, die über wenig Durchhaltevermögen und eine mangelnde Selbstorganisation verfügten, sei die kombinierte Variante nicht geeignet.

Den beiden Chefärzten ist gleichwohl daran gelegen, die individuellen Bedürfnisse der Absolventen zu berücksichtigen, um Verzögerungen und Engpässe zu vermeiden.

Dr. Sterzer zum Beispiel ist derzeit mit ihrem ersten Kind schwanger. Gemeinsam ließ sich aber schnell ein neuer Plan für ihre Weiterbildung finden, der vorsieht, dass sie nach Beendigung ihrer Elternzeit wieder einsteigt und sich ihre Weiterbildung im Endeffekt nur um maximal drei Monate verlängert, während Worbes in der Zwischenzeit normal weitermacht und ihre verschränkte Weiterbildung 2027 abschließen wird.

Wo sie danach tätig sein möchte, weiß die 27-Jährige noch nicht. Sie ist sich aber sicher, dass ihr aufgrund des breiten therapeutischen und diagnostischen Spektrums, das sie mit ihrem doppelten Facharzttitel abdeckt, die Türen sowohl im ambulanten als auch stationären Bereich offenstehen.

„Unsere Absolventinnen und Absolventen stehen dem Arbeitsmarkt als hochqualifizierte Spezialisten zur Verfügung“, betont auch Prof. Konrad. Als niedergelassene Ärzte seien sie in der Lage, Patienten mit neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen aus einer Hand zu versorgen, während sie der doppelte Facharzttitel im Krankenhaussektor für Stellen in leitenden Positionen qualifiziere.

Medical-Tribune-Bericht

Prof. Dr. Carsten Konrad, Chefarzt Prof. Dr. Carsten Konrad, Chefarzt © Agaplesion Diakonie­klinikum Rotenburg, Silke Heyer Fotografie
Dr. Viviane Sterzer, Ärztin in Weiterbildung Dr. Viviane Sterzer, Ärztin in Weiterbildung © Agaplesion Diakonie­klinikum Rotenburg