Muss die ärztliche Approbation während eines Betrugsverfahrens ruhen?

Praxismanagement , Praxisführung Autor: Prof. Dr. Dr. Alexander P. F. Ehlers / Nicole Schwiegk

Das Ruhen der Approbation darf nur unter sehr engen Voraussetzungen erfolgen. Das Ruhen der Approbation darf nur unter sehr engen Voraussetzungen erfolgen. © adiruch na chiangmai – stock.adobe.com

Muss ein Arzt im Strafverfahren wegen Abrechnungsbetrugs seine Approbation auf Anordnung ruhen lassen – schon bevor das endgültige Strafurteil ergangen ist?

Ein Allgemeinmediziner hatte über fünf Jahre hinweg falsche Gesundheitszeugnisse ausgestellt und so Leistungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz von den gesetzlichen Krankenkassen ausgelöst. Im Zuge von Ermittlungen lagen dann auf einmal sogar drei Anklagen gegen ihn vor: In einer ers­ten Anklageschrift gegen den Arzt ging es um den Betrug im Zusammenhang mit dem missbräuchlichen Bezug von Leistungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz – allein hierbei wurden dem Arzt schon 1249 rechtswidrige Handlungen zur Last gelegt. In einer zweiten Anklage wurde der Arzt beschuldigt, unrichtige Gesundheitszeugnisse ausgestellt zu haben, die für Abschlüsse von Risikolebensversicherungen eingesetzt wurden. Und zu guter Letzt wurde dem Arzt zur Last gelegt, zu Unrecht von seiner eigenen privaten Krankenversicherung Krankentagegeld sowie Erstattungen für Heilbehandlungen im Umfang von ca. 47 000 Euro erwirkt zu haben.

Arzt sollte Original-Urkunde bei Bezirksregierung abgeben

Vor diesem Hintergrund ordnete die Bezirksregierung noch vor der Verhandlung das Ruhen der Approbation an und forderte den Arzt auf, seine Original-Approbationsurkunde auszuhändigen. Der Arzt klagte dagegen, das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage des Arztes ab.

Doch die Einschätzung des Verwaltungsgerichtes wurde widerrufen. Das Gericht hatte mit seinem Urteil unterschätzt, dass der vorläufige Entzug der Approbation für einen Arzt existenzielle Folgen hat und zu einem erheblichen Imageschaden führen kann. Das Ruhen der Approbation darf deswegen nur unter engen Voraussetzungen erfolgen.

Als Begründung für die Ruhensanordnung war angeführt worden, dass gegen den Arzt Anklagen wegen Abrechnungsbetruges beziehungsweise Beihilfe zum Abrechnungsbetrug erhoben worden seien und der Arzt deswegen unwürdig und unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufes sei. Zudem sei ein finanzieller Verlust für das gesamte Gesundheitssys­tem entstanden, wodurch das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitsversorgung schwer erschüttert sei. Ein Vertrauensverlust in den ärztlichen Berufsstand und das Gesundheitssystem sei bereits eingetreten.

Das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG Münster)* legte seiner Entscheidung jedoch zugrunde, dass die Ruhensanordnung der ärztlichen Approbation ein schwerwiegender Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 Grundgesetz) darstelle und nur zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig sei.

Zwar kann das Ruhen der Approbation nach der Bundesärzteordnung (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO) angeordnet werden, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt, ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Die Anwendbarkeit dieser Norm ist mit Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit jedoch nur in engen Grenzen möglich. Und die Ruhensanordnung steht im Ermessen der handelnden Behörde, sie muss in angemessener Weise davon Gebrauch machen.

Unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes ist, wer aufgrund seines Verhaltens nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufes unabdingbar ist. Das kann zum Beispiel in Folge eines schwerwiegenden Fehlverhaltens des Arztes passieren, welches auch bei Würdigung aller Umstände seine weitere Berufsausübung untragbar erscheinen lässt.

Als unzuverlässig gilt ein Arzt, wenn er aufgrund seines bisherigen Verhaltens nicht (mehr) die Gewähr dafür bietet, seinen Beruf als Arzt künftig ordnungsgemäß auszuüben. Es muss also die Annahme gerechtfertigt sein, der Arzt werde in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten nicht beachten.

Im Rahmen der Ermessensausübung hat die Behörde verhältnismäßig bzw. angemessen zu handeln. Demnach dürfen sich die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig unverhältnismäßig verhalten zu den Vorteilen, es muss abgewogen werden.

Auch Unschuldsvermutung kommt hier zum Tragen

Für den Arzt spielen das Grundrecht der Berufsfreiheit, die Unschuldsvermutung und das Gebot des effektiven Rechtsschutzes eine besondere Rolle. Auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes ist im Hinblick auf die Ruhensanordnung einer Approbation zu beachten, dass diese schwerwiegend in Grundrechte des Betroffenen eingreife. Eine derartige Anordnung sei daher nur zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig.

Gemeinschaftsgüter müssen konkret gefährdet sein

Im vorliegenden Fall hatte es die Behörde versäumt, konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter darzulegen. Es gab keine konkreten Tatsachen, die darauf hingewiesen hätten, dass das Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung ohne Erlass der Ruhensanordnung konkret gefährdet ist. Die Straftaten berührten weder das unmittelbare Arzt-Patienten-Verhältnis noch wurden medizinische Kompetenzen des Arztes infrage gestellt.

Genauso wenig war ersichtlich, dass der Schutz des Vertrauens in die Ärzteschaft nicht gewährleistet werden kann, wenn die Ruhensanordnung bis zur Entscheidung über den Widerruf der Approbation aufgeschoben wird. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist daher nicht zu befürchten.

Fazit: Da das Ruhen der Approbation nur unter sehr engen Voraussetzungen erfolgen darf und die Behörde hierfür wichtige Gründe sowie konkrete Tatsachen vorlegen muss, wird in der Regel ein strafrechtliches Verfahren wegen Betruges wohl nicht ausreichen, um das Ruhen der Approbation anzuordnen.

* Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 4. Juni 2019, Az.: 13 A 897/17

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