Wegen zwei Behandlungsfehlern vorm Kadi: Das kann die Approbation gefährden
Die Rechtsprechung zum Approbationsentzug lässt bei Rechtsanwälten bisweilen den Eindruck entstehen, es gäbe eine Tendenz, diese gravierende Maßnahme auf immer niederschwelligere strafrechtliche Vorwürfe zu stützen. Deshalb ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 1.12.2016 (Az.: Au 2 K 16.578), das einer gegen den Widerruf der Approbation klagenden Ärztin Recht gab, zumindest vordergründig zu begrüßen.
Der Fall: Die Gynäkologin hatte bei einer Op. nicht sorgfältig gearbeitet. 2015 wurde sie wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt sowie im Zivilverfahren zu einer Schmerzensgeldzahlung von 75 000 Euro.
Ein weiteres, ebenfalls wegen Körperverletzung geführtes Ermittlungsverfahren im Fall einer anderen Patientin wurde von der Staatsanwaltschaft mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 II StPO eingestellt. Der Ärztin war vorgeworfen worden, 2008 bei einer Vorsorgeuntersuchung eine Palpation der Brust unterlassen zu haben, mit der Folge, dass ein Tumor nicht rechtzeitig diagnostiziert wurde, was eine langwierige Behandlung der Patientin nach sich zog.
Sachverständiger sah Fehler: 75 000 Euro Schmerzensgeld
Auch hier wurde die Ärztin zivilrechtlich verklagt. Ein Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, es liege ein Behandlungsfehler vor. Die Ärztin stimmte "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" einem Vergleich zu und zahlte 75 000 Euro Schmerzensgeld. Infolge dieser Umstände widerrief die Approbationsbehörde die staatliche Erlaubnis zur Ausübung des Arztberufes wegen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit. Begründung: Die Zuverlässigkeit der Ärztin sei aufgrund der beiden bekannten Fälle nicht mehr gegeben.
Dem folgte das Verwaltungsgericht jedoch nicht. Die Richter verweisen darauf, dass grundsätzlich dann die Approbation wegen Unwürdigkeit widerrufen werden darf, wenn ein Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das Ansehen und Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar nötig ist. Ein solcher Vertrauensverlust lässt sich grundsätzlich aus festgestelltem strafbaren Verhalten herleiten.
Das Verwaltungsgericht meint aber, dass die einmalige Ahndung eines ärztlichen Kunstfehlers mit einer Geldstrafe von 9000 Euro nicht den gesetzlichen Anforderungen für den Widerruf der Approbation genügt. Es würdigt das gesamte berufliche Handeln. Hinsichtlich der strafrechtlich folgenlos gebliebenen Pflichtverletzung aus dem Jahr 2008 läge zwar ein gutachterlich festgestellter Kunstfehler vor, allerdings war es in dem zivilen Rechtsstreit ungeklärt geblieben, ob die Patientin zu einer nicht wahrgenommenen "Wiedervorstellung in 14 Tagen" aufgefordert worden war oder möglicherweise auch ein Mitverschulden der Patientin zu dem ungünstigen Behandlungsverlauf beigetrug.
Als Grundlage für die Entscheidung komme daher nur der einmalige Vorwurf der sanktionierten fahrlässigen Körperverletzung in Betracht. Dieser reiche (noch) nicht aus, um eine erhebliche Beschädigung des Ansehens und des Vertrauens in die Ärzteschaft im Ganzen anzunehmen. Eine Unwürdigkeit im Sinne des Gesetzes scheide damit aus.
Das Verwaltungsgericht prüfte zudem, ob ein Approbationsentzug wegen Unzuverlässigkeit gerechtfertigt wäre. Unzuverlässigkeit liegt vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, die Ärztin werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten, die ihr Beruf mit sich bringt, nicht beachten.
Ist nur der fehlerlose Arzt würdig, ärztlich zu arbeiten?
Dabei sind alle Umstände des Falles heranzuziehen, die Rückschlüsse auf eine "charakterlich bedingte mangelnde Bereitschaft zu einer ordnungsgemäßen Ausübung des Arztberufes" zulassen. Eine solche Unzuverlässigkeit hat das Verwaltungsgericht (noch) nicht angenommen. Dabei kam der Ärztin zugute, dass sie bereits vor Einleitung des Verfahrens zum Widerruf der Approbation verstärkt an Fortbildungen zur Verbesserung ihrer Qualifikation teilgenommen hatte.
Die Gynäkologin darf also ihren Beruf weiterhin uneingeschränkt ausüben. Dennoch stimmt es nachdenklich, dass das Verwaltungsgericht hervorhob, dass die zu beurteilenden Tatsachen noch nicht ausreichten, um die Approbation zu widerrufen. Im Umkehrschluss bedeutet das nämlich, dass es grundsätzlich schon möglich ist, aufgrund von Kunstfehlern als unwürdig bzw. unzuverlässig eingestuft zu werden. Denkt man dies konsequent zu Ende, muss nur der Arzt den Approbationsentzug nicht fürchten, der niemals einen Behandlungsfehler begeht. Die gerichtlichen Erwartungen an die Berufsausübungen des Arztes sind also nach wie vor sehr hoch.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht