Anzeige

Fastenzeit Praxisbetrieb im Ramadan

Praxismanagement , Team Interview Autor: Nina Arndt

Ramadan bedeutet für Muslime kein Essen und kein Trinken bis Sonnenuntergang. Um Konflikte in der Praxis zu vermeiden, ist ein vorheriger Austausch sinnvoll. Ramadan bedeutet für Muslime kein Essen und kein Trinken bis Sonnenuntergang. Um Konflikte in der Praxis zu vermeiden, ist ein vorheriger Austausch sinnvoll. © WinWin – stock.adobe.com
Anzeige

Am 10. März beginnt der Ramadan. Das bedeutet für viele Muslime: kein Essen, kein Trinken – bis zum Sonnenuntergang. Wie kann der Arbeitgeber seine fastenden Mitarbeiter unterstützen? Welche Rechte hat er, wenn Angestellte ihren Arbeitspflichten nicht nachkommen? Björn Stäwen, Fach­anwalt für Medizinrecht, und Dr. Justin Doppmeier, Fachanwalt für Arbeitsrecht, von der Kanzlei KWM LAW aus Münster geben Antworten.

Sollten Angestellte wie MFA den niedergelassenen Arzt über ihr Fasten während des Ramadans informieren?

Eine Pflicht, dies zu tun, gibt es nicht. Zwar bestehen im Arbeitsverhältnis wechselseitige Rücksichtnahmepflichten, eine Mitteilungspflicht würde jedoch zu weit in die persönlichen religiösen Belange eingreifen. Durch die sogenannte Drittwirkung genießen die Angestellten einen grundrechtlichen Schutz ihrer Glaubensfreiheit in privaten Rechtsbeziehungen. Trotzdem raten wir Mitarbeitern, den Austausch im Vorfeld zu suchen, um Konflikte zu vermeiden und gemeinsame Lösungen zu erarbeiten.

Was kann der niedergelassene Arzt tun, um den Fastenden entgegenzukommen und um sie zu unterstützen? 

Der Praxisinhaber kann vor allem versuchen, pragmatische Lösungen für den Fastenden zu finden. Beispielsweise könnte – wenn zumut­bar und umsetzbar – über eine temporäre Anpassung der Arbeitszeit oder einen Überstundenabbau nachgedacht werden. Zudem sollte eine längerfristige Urlaubsplanung angestrebt werden, damit den Fas­tenden in Abstimmung mit den übrigen Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit offensteht, an bestimmt­en Tagen oder Wochen in der Fastenzeit Urlaub zu nehmen.

Dabei zu beachten ist jedoch, dass aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – wie der Name schon verrät – die Pflicht des Arbeitgebers zur Gleichbehandlung der Arbeitnehmer erwächst. Wenn also den Fastenden entsprechende Zugeständnisse gemacht wurden, kann es schnell zu rechtlichen Problemen führen und die Stimmung in der Praxis verschlechtern, wenn diese anderen Mitarbeitern verwehrt werden.

Darf den Arbeitnehmern das Fasten generell verboten werden?

Nein, ein generelles Verbot des Fas­tens ist unzulässig. Das ist mit der grundrechtlich geschützten Religionsfreiheit nicht vereinbar. Zwar sind Arbeitnehmer aufgrund der arbeitsvertraglichen Beziehung verpflichtet, den Weisungen des Arbeitgebers Folge zu leisten. Dieses Recht des Arbeitgebers besteht jedoch nicht schrankenlos und muss sich an höherrangigem Recht, wie dem Grundgesetz, orientieren. Das Fasten im Ramadan versteht sich als Ausübung der Religionsfreiheit, in deren Rahmen auch das religiöse Handeln nach außen zu schützen ist. 

Wie ist es mit Sonderfällen: Die MFA ist unterzuckert, aufgrund zittriger Hände kann sie kein Blut abnehmen. Darf der Arbeitgeber in solchen Fällen das Fasten verbieten?

Nein, auch in Ausnahmefällen darf das Fasten nicht verboten werden. Die Frage ist, ob die Arbeitnehmerin ihre Arbeitsleistung im vertraglich geschuldeten Umfang anbieten kann und, falls nicht, damit ggf. ihren Vergütungsanspruch für den jeweiligen Arbeitstag verliert bzw., ob der Arbeitgeber sie freistellen kann.

Wegen des hohen Stellenwerts der Religions(ausübungs)freiheit sollte der Arbeitgeber zunächst versuchen, seiner Mitarbeiterin eine andere Tätigkeit, beispielsweise im administrativen Bereich, zuzuweisen. Ist dies organisatorisch nicht möglich, kann es aufgrund der Sorgfalts- und Fürsorgepflicht – natürlich auch den Patientinnen und Patienten gegenüber – geboten sein, die Mitarbeiterin zeitweise freizustellen. Ob diese hierdurch ihren Vergütungsanspruch verliert, ist jedoch arbeitsrechtlich eine hochkomplexe sowie umstrittene Frage, die durch die Rechtsprechung, insbesondere das Bundesarbeitsgericht, noch nicht abschließend geklärt ist. 

Für wen ist Fasten gefährlich?

Bei vielen Patienten wiegt die religiöse Überzeugung mehr als die eigene Gesundheit. Doch einigen Personengruppen sollte man vom Fasten abraten. Ein sehr hohes Risiko haben u.a. Menschen mit

  • fortgeschrittener Herzinsuffizienz,
  • schlecht eingestelltem Typ-1-Diabetes oder insulinabhängigem Typ-2-Diabetes ohne Fastenerfahrung,
  • fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz (Stadium 4 bis 5)
  • oder bestehender Schwangerschaft.

Ihnen sollte unbedingt vom Fasten abgeraten werden.

Ein hohes Risiko besteht bei Personen mit

  • Herzinfarkt im letzten halben Jahr,
  • gut eingestelltem Typ-1-Diabetes oder insulinabhängigem Typ-2-Diabetes mit Fastenerfahrung,
  • chronischer Niereninsuffizienz (Stadium 3)
  • oder Epilepsie, bei der die Therapie nicht sicher an die Fastenperiode angepasst werden kann.

Auch diesen Patienten sollte empfohlen werden, nicht zu fasten.
Was es noch bei der Behandlung von Fastenden zu beachten gibt, lesen Sie hier.

Wenn die Angestellten die Anforderungen ihres Jobs nicht erfüllen und auch nicht gewillt sind, das Fasten einzuschränken, darf der Arbeitgeber ihnen kündigen?

Eine Kündigung wird im Regelfall keinen Erfolg haben und ist daher auch nicht anzuraten. Die Leis­tungseinbuße aufgrund des Fastens ist nicht als willensgesteuerte („verhaltensbedingte“) Pflichtverletzung der Arbeitnehmerin zu bewerten, da sie aus ihrem religiösen Gewissen resultiert. Zwar können die Gründe auch in der Person (nicht im Verhalten) der Arbeitnehmerin liegen, die dem Arbeitgeber die weitere Zusammenarbeit unzumutbar macht. Allerdings dürfte es für diese Kategorie an Kündigungsgründen aufgrund des zeitlich befristeten Ramadans an der erforderlichen negativen Zukunftsprognose für die langfristige Einschränkung der Leistungsfähigkeit fehlen.

Nun mag man als Praxisinhaber auf die Idee kommen, dass in einem sog. Kleinbetrieb, in welchem in der Regel nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, der Arbeitgeber überhaupt keinen Kündigungsgrund braucht, um das Arbeitsverhältnis mit einem Mitarbeiter zu beenden. Dies ist zwar richtig, allerdings sollte hier nicht aus dem Blick gelassen werden, dass auch im Kleinbetrieb das sog. Maßregelungsverbot aus § 612a BGB Anwendung findet. Vereinfacht gesprochen darf der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht benachteiligen – und damit selbstverständlich auch nicht kündigen –, weil diese ihre Rechte in zulässiger Weise ausüben. Eine Kündigung in zeitlichem Zusammenhang mit dem Fasten eines Arbeitnehmers mag den Verdacht nahelegen, dass ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen Kündigung und Religionsausübung besteht und sollte daher nicht allein aus kündigungsrechtlichen Gesichtspunkten vermieden werden.

Während des Ramadans sollen Muslime fünfmal am Tag beten. Muss es in der Arztpraxis dafür Räumlichkeiten geben? Sind die Gebete als Teil der Pause anzusehen?

Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, passende Räumlichkeiten für Gebete zur Verfügung zu stellen. Bestehen in der Praxis geregelte Pausenzeiten, so können diese vom Arbeitnehmer für das Gebet genutzt werden. Es empfiehlt sich generell, während des Ramadans einvernehmlich eine geeignete Pausenregelung zu vereinbaren.

Auch außerhalb der betrieblich geregelten Pausenzeiten hat ein Arbeitnehmer das Recht, für die Gebete den Arbeitsplatz zu verlassen, soweit hierdurch keine erheblichen Störungen des Praxisablaufs verursacht werden. Eine Unterbrechung der Arbeitszeit und damit das Vorliegen von Pause wird dann anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitsplatz zum Gebet für nicht länger als eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ verlässt. Wie so häufig in der Juristerei, bedarf es hier einer präzisen Einzelfallbetrachtung. Als Grundsatz lässt sich jedoch festhalten, dass ein sehr kurzes Gebet die Arbeitszeit nicht unterbricht, während längere Gebetsphasen als Pausenzeiten zu bewerten sind.

In Tiny-Praxen ist der Platz knapp, sodass fastende Mitarbeitende sichtbar für die Patienten beten. Kann der Arbeitgeber diese Form des öffentlichen Betens verbieten?

Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Arbeitsverhältnis gilt auch in örtlicher Hinsicht. Hier kann die freie Religionsausübung beschränkt sein. Ein öffentliches Beten im Rezeptionsbereich oder gar im Wartezimmer wird in der Regel zu Störungen des betrieblichen Ablaufs führen. Zu berücksichtigen ist auch, dass Patienten und Praxiskollegen ebenfalls als Ausfluss ihrer (negativen) Religionsfreiheit das Recht haben, der Religionsausübung anderer nicht unentziehbar ausgesetzt zu sein, weshalb der Arbeitgeber das öffentliche Gebet in seiner Praxis nicht hinnehmen muss.

Die Angestellten bestehen darauf, sich zum Zuckerfest freizunehmen. Muss der Arzt darauf eingehen?

Besteht der Arbeitnehmer darauf, sich zum Zuckerfest freizunehmen, muss er hierfür Urlaub beantragen. Es besteht kein gesetzlicher Freistellungsanspruch. Das Bundesurlaubsgesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber im Grundsatz die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat. Der religiös motivierte Urlaubswunsch wird regelmäßig auch den Urlaubswünschen anderer Arbeitnehmer vorgehen. Hier sind jedoch die Interessen der Arbeitnehmer in jedem Einzelfall zu prüfen. Eine Gewährung von Urlaub für das Zuckerfest kann vom Arbeitgeber aber beispielsweise dann verweigert werden, wenn dies zu einer Unterbesetzung in der Praxis und damit zu einer Störung des Betriebsablaufs führen würde. Beide Seiten sind allerdings auch hier – wie in den meisten Bereichen des Arbeitsrechts – gut beraten, in den Dialog zu treten und eine einvernehmliche Regelung zu finden. So wird das Vertrauensverhältnis für eine langfristige Zusammenarbeit nicht gefährdet.

Medical-Tribune-Interview

Björn Stäwen, LL.M.; Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Björn Stäwen, LL.M.; Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht © KWM LAW
Dr. Justin Doppmeier, LL.M.; Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Justin Doppmeier, LL.M.; Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht © KWM LAW
Anzeige