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Ramadan Fastenrisiko im Vorfeld abklären

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Ärzte sollten schon vor Beginn der Fastenzeit das Gespräch mit den Patienten suchen und dabei auch Islamexperten einbeziehen. Ärzte sollten schon vor Beginn der Fastenzeit das Gespräch mit den Patienten suchen und dabei auch Islamexperten einbeziehen. © iStock/Zurijeta
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Am 2. April beginnt der Ramadan. Für gläubige Muslime bedeutet das, von Sonnenaufgang bis -untergang nichts essen und nichts trinken – und demzufolge auch keine Tabletten schlucken. Das kann bei manchen Erkrankungen zur Gefahr werden.

Während des Ramadan setzen Patienten ihre religiösen Überzeugungen oft über die eigene Gesundheit, schreiben Dr. Ammad Mahmood vom Institute of Neurosciences and Psychology der Universität Glasgow und seine Kollegen. Doch abhängig von der Jahreszeit kann die Zeit, in der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme gestattetet sind, zwischen vier und 14 Stunden betragen. Das beeinflusst nicht nur Metabolismus und Hydrierung, sondern vermindert auch die Zeit für erholsamen Schlaf.

Gefahr für chronisch Kranke und Schwangere

Daher empfehlen die Experten, schon drei bis vier Monate vor Beginn des Ramadan – der ja jedes Jahr wechselt – eine Unterhaltung mit denjenigen Patienten zu führen, die während dieser Zeit die Fastengebote einhalten wollen. Das gilt insbesondere für Patienten mit chronischen physischen und psychischen Erkrankungen, Schwangere und stillende Mütter und Patienten in bestimmten Berufen (Arbeit an Maschinen, Auto fahren notwendig).

Anhand der medizinischen Vorgeschichte Ihres Patienten können Sie abschätzen, welchem individuellen Risiko er durch das Fasten ausgesetzt ist. Ein sehr hohes Risiko besteht beispielsweise bei Personen mit

  • fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA-Grad III bis IV, linksven­trikuläre Ejektionsfraktion weniger als 35 %)
  • schlecht eingestelltem Diabetes Typ 1 oder insulinabhängigem Diabetes Typ 2, bei dem keine früheren Fastenerfahrungen bestehen
  • fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz (Stadium 4 bis 5)
  • bestehender Schwangerschaft

Raten Sie diesem Personenkreis explizit vom Fasten ab. Wenn der Patient das nicht akzeptieren will, nehmen Sie Kontakt mit Islamgelehrten auf (z.B. dem Imam der Gemeinde) und schildern Sie diesem gemeinsam mit dem Betroffenen das Problem. Womöglich kommen für den Patienten auch Alternativen für das lange Fasten infrage (s. Kasten). 

Alternativen zum Ramadan-Fasten

Im Fall einer akuten Erkrankung kann das Fasten einfach nach der Genesung nachgeholt werden. Für einige Patienten ist das Fasten an kurzen Wintertagen günstiger. Statt über den kompletten Zeitraum des Ramadans zu fasten, können Patienten Fastentage mit Unterbrechungen einlegen. Ist das Fasten aus Altersgründen oder aufgrund einer Erkrankung nicht vollumfänglich möglich, können ausgelassene Tage auch mit einer Spende kompensiert werden (Fidya).

Ein immer noch hohes Risiko liegt vor bei Kranken mit
  • Herzinfarkt innerhalb der zurückliegenden sechs Monate
  • gut eingestelltem Diabetes Typ 1 oder insulinabhängigem Diabetes Typ 2, mit dem schon früher gefastet wurde
  • chronischer Niereninsuffizienz Stadium 3
  • Epilepsie, bei der das Behandlungsregime sich nicht mit der Fastenperiode in Einklang bringen lässt und für das es keine sichere Anpassung gibt
Auch diesen Patienten sollten Sie empfehlen, nicht zu fasten. Lassen sie sich nicht überzeugen, raten Sie zu besonderer Vorsicht und beschreiben Sie etwa Symptome einer Hypoglykämie. Weisen Sie außerdem Epileptiker darauf hin, dass sie in diesen vier Wochen keine Maschinen bedienen oder Auto fahren dürfen und mit ihrem Arbeitgeber eine zeitweilige Änderung der beruflichen Tätigkeit vereinbaren sollten. Ein geringes bis mäßiges Risiko schließlich haben Betroffene mit
  • Hypertonie
  • stabiler Angina pectoris
  • anamnestisch bekanntem Schlaganfall oder neurologischen Erkrankungen, die mit nur geringen Einschränkungen einhergehen, z.B. Multiple Sklerose in Remission
  • gut eingestellter Epilepsie mit nur einem Medikament (weisen Sie in diesem Fall darauf hin, das ausreichend Schlaf nötig ist)
  • Migräne
Diese Patienten können fasten, wenn sie ihre Medikamente und Lebensgewohnheiten entsprechend berücksichtigen. 

Rektal nein, subkutan ja

Islamexperten sind sich nicht immer einig, wie Medikamente während der Fastenzeit zugeführt werden dürfen. Konsens besteht darüber, dass
  • die orale, rektale und nasogastrale Zufuhr untersagt ist (Ausnahme: nur lokal wirkende Medikamente bei bukkaler oder nasaler Verabreichung)
  • die topische, intramuskuläre und subkutane Verabreichung zulässig ist
Außerdem spricht sich eine Mehrheit dafür aus, lokale Medikamente für Augen und Ohren zu gestatten. Ebenfalls ein Großteil der Experten vertritt die Meinung, dass inhalierte und intravenöse Substanzen verboten sind.

Im Zweifel ein Probefasten durchführen lassen

Bei multimorbiden Patienten kann ein noch höheres Risiko bestehen – nehmen Sie am besten Kontakt mit Spezialisten der einzelnen Disziplinen auf (Kardiologen, Neurologen etc.) und beziehen Sie sie wie auch die Islamautoritäten mit ein. Wenn Sie einem Kranken vom Fasten abraten müssen, kann er sich dennoch an den sonstigen Aktivitäten des Ramadan beteiligen, wie gemeinsamen Gebeten, spirituellen Erfahrungen und wohltägigem Engagement – klären Sie ihn darüber auf. Zum Abschätzen des individuellen Risikos kann ein Probefasten sinnvoll sein, insbesondere, wenn sich der Gesundheitszustand seit dem letzten Ramadan verändert hat. Dies sollte vor dem Ramadan stattfinden und etwa drei bis fünf Tage dauern. Tauchen dabei Probleme auf, kann man z.B. die Medikation anpassen oder den Fastenverzicht empfehlen.

Quelle: Mahmood A et al. BMJ 2022; 376: e063613; DOI: 10.1136/bmj-2020.063613