Ramadan Fastenrisiko im Vorfeld abklären
Während des Ramadan setzen Patienten ihre religiösen Überzeugungen oft über die eigene Gesundheit, schreiben Dr. Ammad Mahmood vom Institute of Neurosciences and Psychology der Universität Glasgow und seine Kollegen. Doch abhängig von der Jahreszeit kann die Zeit, in der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme gestattetet sind, zwischen vier und 14 Stunden betragen. Das beeinflusst nicht nur Metabolismus und Hydrierung, sondern vermindert auch die Zeit für erholsamen Schlaf.
Gefahr für chronisch Kranke und Schwangere
Daher empfehlen die Experten, schon drei bis vier Monate vor Beginn des Ramadan – der ja jedes Jahr wechselt – eine Unterhaltung mit denjenigen Patienten zu führen, die während dieser Zeit die Fastengebote einhalten wollen. Das gilt insbesondere für Patienten mit chronischen physischen und psychischen Erkrankungen, Schwangere und stillende Mütter und Patienten in bestimmten Berufen (Arbeit an Maschinen, Auto fahren notwendig).
Anhand der medizinischen Vorgeschichte Ihres Patienten können Sie abschätzen, welchem individuellen Risiko er durch das Fasten ausgesetzt ist. Ein sehr hohes Risiko besteht beispielsweise bei Personen mit
- fortgeschrittener Herzinsuffizienz (NYHA-Grad III bis IV, linksventrikuläre Ejektionsfraktion weniger als 35 %)
- schlecht eingestelltem Diabetes Typ 1 oder insulinabhängigem Diabetes Typ 2, bei dem keine früheren Fastenerfahrungen bestehen
- fortgeschrittener chronischer Niereninsuffizienz (Stadium 4 bis 5)
- bestehender Schwangerschaft
Raten Sie diesem Personenkreis explizit vom Fasten ab. Wenn der Patient das nicht akzeptieren will, nehmen Sie Kontakt mit Islamgelehrten auf (z.B. dem Imam der Gemeinde) und schildern Sie diesem gemeinsam mit dem Betroffenen das Problem. Womöglich kommen für den Patienten auch Alternativen für das lange Fasten infrage (s. Kasten).
Alternativen zum Ramadan-Fasten
- Herzinfarkt innerhalb der zurückliegenden sechs Monate
- gut eingestelltem Diabetes Typ 1 oder insulinabhängigem Diabetes Typ 2, mit dem schon früher gefastet wurde
- chronischer Niereninsuffizienz Stadium 3
- Epilepsie, bei der das Behandlungsregime sich nicht mit der Fastenperiode in Einklang bringen lässt und für das es keine sichere Anpassung gibt
- Hypertonie
- stabiler Angina pectoris
- anamnestisch bekanntem Schlaganfall oder neurologischen Erkrankungen, die mit nur geringen Einschränkungen einhergehen, z.B. Multiple Sklerose in Remission
- gut eingestellter Epilepsie mit nur einem Medikament (weisen Sie in diesem Fall darauf hin, das ausreichend Schlaf nötig ist)
- Migräne
Rektal nein, subkutan ja
- die orale, rektale und nasogastrale Zufuhr untersagt ist (Ausnahme: nur lokal wirkende Medikamente bei bukkaler oder nasaler Verabreichung)
- die topische, intramuskuläre und subkutane Verabreichung zulässig ist
Im Zweifel ein Probefasten durchführen lassen
Bei multimorbiden Patienten kann ein noch höheres Risiko bestehen – nehmen Sie am besten Kontakt mit Spezialisten der einzelnen Disziplinen auf (Kardiologen, Neurologen etc.) und beziehen Sie sie wie auch die Islamautoritäten mit ein. Wenn Sie einem Kranken vom Fasten abraten müssen, kann er sich dennoch an den sonstigen Aktivitäten des Ramadan beteiligen, wie gemeinsamen Gebeten, spirituellen Erfahrungen und wohltägigem Engagement – klären Sie ihn darüber auf. Zum Abschätzen des individuellen Risikos kann ein Probefasten sinnvoll sein, insbesondere, wenn sich der Gesundheitszustand seit dem letzten Ramadan verändert hat. Dies sollte vor dem Ramadan stattfinden und etwa drei bis fünf Tage dauern. Tauchen dabei Probleme auf, kann man z.B. die Medikation anpassen oder den Fastenverzicht empfehlen.Quelle: Mahmood A et al. BMJ 2022; 376: e063613; DOI: 10.1136/bmj-2020.063613