Wann Erbschaften von Patienten heikel sind

Praxismanagement , Patientenmanagement Autor: Anouschka Wasner

Niedergelassene dürfen, Krankenhausärzte bedingt, Heimärzte dürfen nicht. Und: Nicht alles, was erlaubt ist, ist moralisch gegenüber den Angehörigen vertretbar. Niedergelassene dürfen, Krankenhausärzte bedingt, Heimärzte dürfen nicht. Und: Nicht alles, was erlaubt ist, ist moralisch gegenüber den Angehörigen vertretbar. © Zerbor – stock.adobe.com

Manche PatientInnen sind so froh über eine empathische Begleitung in ihren letzten Lebensjahren, dass sie die helfende Person als Erben einsetzen. Handelt es sich dabei um Arzt oder Ärztin, kann die Frage aufkommen, ob ein Abhängigkeitsverhältnis ausgenutzt wurde.

Dr. Annette O.-R. aus Bremen stand im Februar dieses Jahres schon zum zweiten Mal mit einem schwerwiegenden Vorwurf vor Gericht. Vor zwei Jahren war sie wegen Rezeptbetrugs zu elf Monaten auf Bewährung und 12.000 Euro Geldstrafe verurteilt worden. Diesmal hatte eine Familie geklagt, die der Allgemeinärztin aus Bremen Erbschleicherei vorwirft: Ihre mit 93 Jahren verstorbene Angehörige hatte die Hausärztin als Haupterbin eingesetzt und Dr. O.-R. Haus, Wertgegenstände und Bargeld im Wert von rund einer Million Euro vermacht. Erbschleicherei?

Ob aufgrund von Dankbarkeit oder unter böswilligem Einfluss des Erbenden geschrieben: Testamente zugunsten des behandelnden Arztes mögen nicht häufig sein, es gibt sie aber immer wieder. Zahlen dazu liegen den Ärztekammern keine vor, gar nicht zu erfassen sind Fälle von Erbschaften, die keinen Anstoß erregen.

Erbschleicherei ist ein rein umgangssprachlicher Ausdruck

Aber auch in Fällen, in denen sich Angehörige um ihr Erbe geprellt fühlen: Einen Straftatbestand namens „Erbschleicherei“ gibt es im Strafgesetzbuch nicht. Auch dadurch ist eine quantitative Einschätzung nicht leicht. Genausowenig gibt es objektive Kriterien, wann ein Testament erschlichen wurde oder wann jemand aus wahrer Dankbarkeit begünstigt wird. Stattdessen hält das Strafgesetzbuch andere Delikte vor, die Erbschleicher zu Fall bringen können. Dazu gehört etwa Nötigung, Betrug, Bestechlichkeit und Urkundenfälschung.

Zur Frage, ob speziell Ärztinnen und Ärzte ein Erbe von Patientenseite annehmen dürfen, erklärt Rechtsanwalt Bernhard Schmeilzl, Erbrechtsanwalt aus München: grundsätzlich ja – aber in bestimmten Fällen eben auch nicht. Während Niedergelassene von ihren Patienten im Testament bedacht werden können, ist es bei Krankenhausärzten schon kompliziert und für Heim­ärzte sogar generell verboten.

Für Letztere wird die Testierfreiheit, aufgrund derer jeder frei bestimmen darf, wer ihn beerben soll, im Bundes-Heimgesetz eingeschränkt. Die Regelungen verbieten Träger, Leitung und Mitarbeitern eines Heims, Schenkungen anzunehmen, die über kleinere Geschenke wie Blumen, Süßigkeiten oder Trinkgeld hinausgehen. Heimbewohner sollen sich keine Vorzugsbehandlung durch eine Erbeinsetzung erkaufen können. Oder andersherum: „Es soll kein Druck auf die Heimbewohner entstehen, dass man nur dann anständig gepflegt wird, wenn man den Pflegenden zu seinem Erben einsetzt“, so Rechtsanwalt Schmeilzl. Ein solches Testament wäre damit automatisch unwirksam.

Für verbeamtete oder angestellte Ärzte hängt es von der Genehmigung des Dienstherren bzw. Arbeitgebers ab, ob Geschenke oder Erbschaften angenommen werden dürfen. In der Praxis werden solche Genehmigungen meist aus Sorge vor möglicher Einflussnahme verweigert. „Es soll auf keinen Fall der Anschein von Vorteilsnahme und Bestechlichkeit erweckt werden“, so Schmeilzl.

Bei niedergelassenen Ärzten gilt dagegen die allgemeine Grundregel: Da es nicht ausdrücklich verboten ist, darf ein Arzt eine Erbschaft oder ein Vermächtnis grundsätzlich annehmen.

Bei Personen ohne nahe Verwandte und Freunde sei es ja aus Sicht des Patienten auch gar nicht abwegig, seinen Arzt zum Erben einzusetzen, so Schmeilzl. Und solange keine Demenzproblematik bestehe und der Arzt nicht auf die Einsetzung als Erben dränge, sei das auch nicht verwerflich.

Genauso unproblematisch ist es, wenn Arzt und Patient außerhalb des Behandlungsverhältnisses schon länger befreundet sind, sich vielleicht noch aus Schulzeiten kennen. Dann ist der Freund, dem man etwas vererben möchte, eben zufällig der eigene Arzt.

Bedenklich werde es dagegen, wenn Ärztin oder Arzt tatsächlich aktiv bei der Gestaltung eines Testaments mitwirken und den Ersteller ggf. sogar beeinflussen. Aber selbst das ist per se nicht verboten, solange der Arzt den Patienten nicht unter Druck setzt oder ihn arglistig täuscht, etwa indem er andere infrage kommende Erben diffamiert oder den Erblasser über die Folgen einer Entscheidung täuscht, zum Beispiel mit der Aussage, dass die Erbschaft für Spiel- oder Drogensucht eingesetzt werden könnte, wenn das Geld z.B. an den Sohn oder Enkel geht.

Aus Vorsicht sollte ein Arzt also lieber nicht aktiv am Verfassen eines Testaments mitwirken. Um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, könnte der Patient in seinem Testament inhaltlich begründen, warum er den Arzt als Erben einsetzt und dass er dies ohne jede Einflussnahme tut.

Nicht verboten, aber moralisch bedenklich wäre es aus Sicht von Rechtsanwalt Schmeilzl, wenn nahe Angehörige existieren, die sich ebenfalls um den Patienten kümmern, dieser aber trotzdem den Arzt als Erben einsetzt, aus welcher Motivation auch immer. „Das muss der Arzt bzw. die Ärztin dann mit sich selbst ausmachen, ob er oder sie eine solche Erbschaft annimmt oder doch lieber das Erbe ausschlägt – was ja immer problemlos möglich ist –, sodass doch die Verwandten zum Zug kommen“, so Schmeilzl.

Berufsrechtliche Folgen sind aber nicht ausgeschlossen

Als Zwischenfazit lässt sich also sagen: Niedergelassene Ärzte können von ihren Patienten als Erben eingesetzt werden und haben grundsätzlich erst mal keine Sanktionen zu befürchten. In anrüchigen Fallkonstellationen kann § 32 Musterberufsordnung bzw. deren Umsetzung im jeweiligen Bundesland für Ärzte jedoch dennoch greifen, so Rechtsanwalt Schmeilzl.

Das sei aber gar nicht so leicht. Denn der betroffene Arzt sei nicht gezwungen, gegen sich selbst auszusagen – und viele andere Ermittlungsmöglichkeiten habe die Ärztekammer nicht.

„Unerlaubte Zuwendungen“ in der Berufsordnung

„Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, Geschenke oder andere Vorteile (...) anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird.“ Das sagt die MBO-Ä in § 32 unter der Überschrift „Unerlaubte Zuwendungen“. Besteht der Eindruck, dass die ärztliche Entscheidung beeinflusst wird, muss dieser Einfluss nicht unbedingt nachgewiesen werden, es kann ausreichend sein, wenn ein solcher Eindruck z.B. bei anderen Patienten entsteht. In einem Verfahren dürfte dieser Halbsatz allerdings eher schwer nachzuweisen sein, da Arzt-Patienten-Gespräche naturgemäß meist unter vier Augen geführt werden. Unproblematisch sind geringfügige Geschenke. Dabei wird die Grenze in Ableitung zum Steuerrecht bei 35 Euro gesetzt. Die Sanktionsmöglichkeiten des Berufsrechts sind bekannt: Verwarnung, Verweis, Geldbuße bzw. in gravierenden Fällen Aberkennen der Approbation. Strafrechtliche Relevanz kann bestehen, wenn es um große Beträge geht bzw. Behandlung und Zuwendung in (zeitlichen) Zusammenhang gebracht werden können.

Die Kammer verfügt ohnehin nur über eher beschränkte Sanktionsmittel. Selbst in beweisbaren Fällen eines Verstoßes gegen § 32 würde es im Ergebnis wohl auf eine Rüge hinauslaufen, maximal auf ein überschaubares Ordnungsgeld. „Aber dazu müsste der Arzt schon sehr gezielt und offensichtlich vorgehen – also potenziellen Erblassern quasi mit Praxisaushang Vorteile wie zum Beispiel schnellere Termine versprechen“, macht es der Rechtsanwalt anschaulich.

Um die Wurst geht es vor dem Zivilgericht

Den (enterbten) Familienangehörigen bringt das Berufsrecht ohnehin wenig. Denn auch bei einer berufsrechtlichen Sanktion bleibt das Tes­tament als solches wirksam. Wer sich nicht mit der Enterbung abfinden möchte, muss versuchen, vor dem Zivilgericht die Unwirksamkeit des Testaments zu erreichen, es also anfechten. Dazu müsste zum Beispiel nachgewiesen werden können, dass der Erblasser sich geirrt hat oder seine Entscheidung Folge einer Täuschung oder einer Drohung ist. Die eigentliche Schlacht findet daher – wie auch in dem Fall, der aktuell in Bremen verhandelt wird – vor dem Zivilgericht statt und nicht im Berufsrechtsverfahren. Zu dem Fall aus Bremen hatte die zuständige Ärztekammer laut Zeitungsberichten gesagt, dass das Verhalten von Dr. O.-R. zwar in moralischer und ethischer Hinsicht fragwürdig sei, ein Verstoß gegen die ärztliche Berufsordnung mit den Mitteln der Kammer aber nicht mit ausreichender Sicherheit nachzuweisen sei, sodass ein berufsgerichtliches Verfahren nicht beantragt werden könne. Auf Medical-Tribune-Nachfrage, ob die Kammer diese Position aktuell aufrecht erhält, hieß es, das Verfahren sei intern abgeschlossen und man wolle ansonsten keine weitere Auskunft geben. Für die beklagte Hausärztin ist die Angelegenheit auf jeden Fall noch nicht abgeschlossen. Die Entscheidung der Zivilkammer des Landesgerichts steht für die kommende Woche an. Und vielleicht nie ganz abgeschlossen wird der Fall für die Angehörigen der Verstorbenen sein.

Medical-Tribune-Recherche

Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt, München Bernhard Schmeilzl, Rechtsanwalt, München © privat