Corona und Diabetes Weniger Todesfälle unter Metformin?

Autor: Ulrike Viegener

Welchen Einfluss hat die Diabetestherapie auf den Verlauf von COVID-19? Welchen Einfluss hat die Diabetestherapie auf den Verlauf von COVID-19? © vegefox.com – stock.adobe.com

Ein derzeit viel ­diskutiertes Thema ist der Einfluss von Antidiabetika auf den Verlauf von SARS-CoV-2-Infek­tio­nen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Die Ergebnisse einer großen britischen Be­obachtungsstudie sprechen allerdings nicht dafür, bestimmte Antidiabetika zu bevorzugen und bestehende Therapien umzustellen.

Typ-2-Diabetes gilt als einer der größten Risikofaktoren für einen tödlichen Ausgang von COVID-19. In kleineren Studien wurden bereits positive, aber auch negative Einflüsse von verschiedenen Antidiabetika auf den Krankheitsverlauf diskutiert. Daneben gibt es theoretische Überlegungen zu den Pathomechanismen von COVID-19 auf der einen Seite und den Wirkmechanismen der Medikamente auf der anderen Seite.

So wäre es zum Beispiel denkbar, dass sich eine gesteigerte ACE2-Expression unter bestimmten Antidiabetika ungünstig auswirken könnte, da die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Erkrankung eben diesen Rezeptor zum Andocken nutzt. Mit einer aktuellen britischen Be­ob­achtungsstudie wird nun eine solide Datenbasis geliefert, um mögliche verlaufsrelevante Unterschiede von Antidiabetika aufzudecken.

Auch indirekte Einflüsse der Substanzen spielen eine Rolle

Ausgewertet wurden die Daten von 2,85 Millionen Patienten mit Typ-2-Diabetes, die man seit 2003 in britischen Allgemeinpraxen registriert hatte. Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Kamlesh­ Khunti­ vom Londoner National Diabetes Audit Program ging der Frage nach, ob sich Zusammenhänge zwischen der vorbestehenden Diabetesmedikation und der Sterblichkeit im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 aufzeigen lassen.

Zwar ergaben sich Hinweise, dass manche Antidiabetika das Outcome günstiger beeinflussen als andere. Die gefundenen Unterschiede seien allerdings gering. Außerdem ließen sich Störeinflüsse nicht komplett ausschließen.

Relevant dürften vor diesem Hintergrund besonders jene Unterschiede hinsichtlich der Diabetesmorbidität bzw. der Komorbidität sein, die den differenzierten Einsatz verschiedener Substanz(-klassen) maßgeblich mitbestimmen und so den Einfluss auf die COVID-19-assoziierte Mortalität verzerren könnten: Während Metformin bereits unmittelbar nach der Diabetesdiagnose verordnet wird, kommen andere Antidiabetika wie Insulin erst später zum Einsatz. Insgesamt kam es im Beobachtungszeitraum von Februar bis August 2020 in der Studienkohorte zu 13 479 Todesfällen im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion.

Höhere Mortalitätsraten unter Insulin und DPP4-Inhibitoren

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes unter Metformin, SGLT2-Inhibitoren oder Sulfonylharnstoffen ließ sich eine geringere COVID-19-Mortalität erkennen. Patienten, die man mit Insulin oder DPP4-Inhibitoren behandelt hatte, zeigten dagegen erhöhte Mortalitätsraten. Verglichen wurde jeweils mit allen Patienten, die den zu prüfenden Wirkstofftyp nicht erhalten hatten.

Folgende Sterblichkeitsrisiken – als adjustierte Hazard Ratio dargestellt – wurden für die Antidiabetika(-klassen) ermittelt:

  • Glinide 0,75
  • Metformin 0,77
  • SGLT2-Inhibitoren 0,82
  • Sulfonylharnstoffe 0,94
  • GLP1-Rezeptoragonisten 0,94
  • DPP4-Inhibitoren 1,07
  • Alpha-Glucosidasehemmer 1,26
  • Insulin 1,42

Der günstige Effekt von Metformin auf die Akutsterblichkeit steht in Einklang mit kürzlich veröffentlichten Studien an hospitalisierten Patienten. Die beobachteten Unterschiede in der Sterblichkeit seien laut den Autoren aber nicht prononciert und nicht robust genug, um vom etablierten Verordnungsverhalten abzuweichen und bestehende Therapien umzustellen. Auch schwere Nebenwirkungen wie Azidosen unter Metformin seien entgegen anders lautender Empfehlungen kein Grund, in Zeiten der Coronapandemie die Basisverordnung von Antidiabetika auf breiter Front zu überdenken.

Prospektive Studien unverzichtbar

In einem Kommentar derselben Lancetausgabe spricht sich Professor Dr. Untram­ Schernthaner­ von der Universitätsklinik Wien in Anlehnung an die Ergebnisse der britischen Studie dafür aus, auf vorgeschlagene Restriktionen bei der Auswahl von Antidiabetika zu verzichten und die Therapie bei gesundheitlich stabilen Patienten liberal zu handhaben. Letztlich könnten nur prospektive, randomisierte Studien COVID-19-relevante Effekte von Antidiabetika exakt ausloten. Unabhängig von den angewendeten Substanzen sei es auch mit Blick auf den Verlauf von COVID-19 entscheidend, den Blutzucker möglichst gut einzustellen und begleitende kardiovaskuläre Risikofaktoren strikt zu managen.

Quelle: Kunthi et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2021; 9: 293-303; DOI: 10.1016/S2213-8587(21)00050-4