Corona und Diabetes: Therapie pausieren?

Autor: Kathrin Strobel

Was ist bei Menschen mit Diabetes und SARS-CoV-2-Infektion zu beachten? Was ist bei Menschen mit Diabetes und SARS-CoV-2-Infektion zu beachten? © iStock/Ta-Nu, Maksim-Tkachenko

Diabetes ist eine häufige Komorbidität bei COVID-19 und gilt als Risikofaktor für einen schweren Verlauf. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft gibt Empfehlungen zum Management der Erkrankung bei Erwachsenen im Kontext der derzeitigen Pandemie.

Eine effektive Diabetestherapie kann „ausschlaggebend dafür sein, Komplikationen in Folge des Coronavirus zu umgehen“, erklärt Professor Dr. Monika­ Kellerer­ vom Zentrum für Innere Medizin I am Marienhospital Stuttgart und Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Daher müssen Menschen mit Diabetes im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion engmaschig betreut werden, heißt es in dem Positionspapier – ggf. auch telefonisch oder per Videosprechstunde. Das gilt in besonderem Maße für Patienten mit Begleiterkrankungen, Frauen mit Schwangerschaftsdiabetes und Menschen mit Typ-1-Diabetes.

Der Blutdruck von mit SARS-CoV-2 infizierten Diabetespatienten sollte 135/85 mmHg möglichst nicht überschreiten. Hinsichtlich des Blutzuckers ist ein Wert zwischen 70 und 180 mg/dl anzustreben, der HbA1c sollte unter 7,5 liegen, erklären die DDG-Experten. Bei Patienten auf der Intensivstation sind 140 bis 180 mg/dl das Ziel. Hypoglykämien sind unbedingt zu vermeiden.

Behandlung mit Antidiabetika anpassen

Die medikamentöse Therapie mit Antidiabetika muss man bei an ­COVID-19 Erkrankten ggf. anpassen. Leiden Infizierte an Fieber und/oder können sie nur eingeschränkt Nahrung oder Flüssigkeit zu sich nehmen, sollte man eine bestehende Behandlung mit SGLT2-Hemmern vorübergehend aussetzen, empfehlen die Autoren. Dies gilt auch bei Insulinmangel. Eine Wiederaufnahme der Therapie mit SGLT2-Hemmern ist erst anzudenken, wenn

  • kein Fieber mehr besteht,
  • eine ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme wiederhergestellt ist,
  • die eGFR bei > 60 ml/min/1,73 kg/m² liegt und
  • der Säure-/Basenhaushalt ausgeglichen und die Konzentration der Ketone im Serum nicht erhöht ist.

Der SGLT2-Hemmer Dapagliflozin kann – unter Rücksprache mit einem Diabetologen – erst wieder angesetzt werden, wenn der Patient vollständig genesen ist. Auch Metformin sollte bei Fieber pausiert und erst bei Fieberfreiheit, adäquater Nierenfunktion und ausreichender Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme erneut gegeben werden. Da es im Rahmen einer SARS-CoV-2-Infektion zu einer Nieren- und/oder Herzinsuffizienz mit erhöhtem Risiko für eine vermehrte Flüssigkeitsretention und -einlagerung kommen kann, sollte man Pioglitazon pausieren. DPP4-Hemmer und GLP1-Rezeptoragonisten können weiter gemäß Fachinformation eingesetzt werden.

Weniger Komplikationen unter Insulin

„Im Falle eines schweren Krankheitsverlaufs bei COVID-19 ist anzuraten, eine eventuell vorbestehende orale Medikation durch eine Insulinbehandlung zu ersetzen“, betont auch Professor Dr. ­Jochen ­Seufert von der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Freiburg. Der Hintergrund: Insulin lasse sich besser mit antiviralen Medikamenten kombinieren und gehe mit weniger Komplikationen einher als orale Antidiabetika. Auf der Intensivstation können Insulinperfusoren dafür sorgen, dass die Patienten regelmäßig Insulin erhalten. Damit lassen sich die Blutglukosewerte gut kontrollieren.

Bei der Therapie der Virusinfektion muss zusätzlich beachtet werden, dass Hydroxychloroquin, Camostat und rekombinante ACE2 möglicherweise antidiabetisch wirken. Diabetogene Effekte werden für Glukokortikoide und antivirale Therapeutika diskutiert. Auch mögliche Medikamenteninteraktionen müssen bedacht werden.

Da noch immer rund 1,3 Millionen Menschen an einem Diabetes erkrankt sind, ohne davon zu wissen, empfehlen die Experten außerdem, alle an COVID-19 erkrankten Personen auf einen Diabetes zu untersuchen. So könne man als behandelnder Arzt stoffwechselbedingte Komplikationen im Verlauf ausschließen bzw. frühzeitig gegenlenken, erklärt Prof. Kellerer.

Quellen:
1. Positionspapier der DDG: „Praktische Empfehlungen zum Diabetes-Management bei Patientinnen und Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung“, www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de
2. Pressemitteilung DDG