Eine Kennnummer soll die Lösung für einen gezielten Antibiotikaeinsatz sein. Sie befreit die Diagnostika vor einer Antibiotikaverordnung vom Berechnungsmodus des Wirtschaftlichkeitsbonus.
Im April 2017 ist das „Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung in der GKV“ in Kraft getreten. Jener Teil des Gesetzes, der sich auf Maßnahmen für einen gezielten Antibiotikaeinsatz bezieht, musste vor der Umsetzung eine „Ehrenrunde“ bei Kassen und KBV drehen. Nun soll er am 1. Juli 2018 in Kraft treten. Was der Erweiterte Bewertungsausschuss dazu entschieden hat, ist allerdings enttäuschend.
Ging es nicht eigentlich um etwas ganz anderes?
Eigentlich ging es darum, wegen der zunehmenden Antibiotikaresistenzen Regeln zur Erstattung diagnostischer Verfahren zu treffen, die einen zielgenaueren Antibiotikaeinsatz ermöglichen. Gedacht hatte der Gesetzgeber dabei an Schnellanalyseverfahren, wie sie z.B. zur Bestimmung von CRP vorhanden sind. Die Entscheidung des Erweiterten Bewertungsausschusses ist weit von dieser Auflage entfernt. Denn beschlossen wurde im Grunde genommen lediglich eine Kennnummer.
Künftig wird es also eine EBM-Nummer 32004 geben für eine Diagnostik zur Bestimmung der Dauer, Dosierung und Art eines Antibiotikums vor einer Verordnung. Die Kennnummer befreit Leistungen, die im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Auftrag erbracht werden, von der Steuerung durch den Labor-Wirtschaftlichkeitsbonus.
Bei den befreiten Leistungen handelt es sich um den Biomarker Procalcitonin (Nr. 32459), der zur Reduktion der Antibiotikaverordnungen bei Infektionen der Atemwege in den EBM aufgenommen wird, und die MALDI-TOF-Massenspektrometrie zur schnelleren Differenzierung von in Reinkultur gezüchteten Bakterien (Nr. 32759) und Pilzen (Nr. 32692). Außerdem werden die Empfindlichkeitsprüfungen nach den Nrn. 32766 und 32767 als Nrn. 32772 und 32773 entsprechend dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik neu gefasst. Zusätzlich werden die Nrn. 32774 und 32775 zur phänotypischen Bestätigung einer Multiresistenz für grampositive und gramnegative Bakterien in den EBM aufgenommen.
All diese Leistungen sind im Laborkapitel angesiedelt und können nur von Laborärzten oder Ärzten mit vergleichbarer Qualifikation durchgeführt und abgerechnet werden. Die Vergütung des Biomarkers Procalcitonin (Nr. 32459) und der phänotypischen Bestätigungstests nach den Nrn. 32766 und 32767 erfolgt für drei Jahre extrabudgetär.
Leistungen zahlen sich nur in spezialisierten Praxen aus
Für die Finanzierung des Mehrbedarfs der Diagnostik wurde eine nachgesteuerte Anpassung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) vereinbart. Beginnend mit dem 1. Juli 2018 wird die MGV bundesweit prospektiv um sechs Millionen Euro erhöht. In den folgenden vier Jahren wird sie dann anhand der tatsächlichen Bedarfsentwicklung innerhalb der in der MGV vergüteten Leistungen, die der Kennnummer 32004 unterliegen, jährlich basiswirksam nachgesteuert.
Das Risiko einer Fehlschätzung der MGV für die künftige Leistungsentwicklung wird zwischen den Gesamtvertragspartnern geteilt und in der MGV im jeweils folgenden Jahr nicht basiswirksam berücksichtigt. Die Finanzmittel werden nach einem noch zu beschließenden Schlüssel pauschal auf die einzelnen KVen verteilt. Eine Fehlschätzung oder Fehlverteilung geht somit zulasten aller Vertragsärzte.
Die Neuregelung stellt für die betroffenen nicht-laborärztlichen Praxen eine bürokratische und ggf. auch finanzielle Belastung dar. Die neuen Laborleistungen können nur an spezialisierte Praxen überwiesen werden und führen auch nur dort zu einem Honorar. Der kostenlos zu erbringende Aufwand bleibt bei den Zuweisern, insbesondere den Hausärzten, hängen. Zusätzliche Blut- und Abstrichentnahmen werden notwendig und damit ein Aufwand, der bei einer Grippewelle wie der aktuellen künftig zu Wartezimmerstaus führen wird. Wie das Procedere bei bettlägerigen Patienten, die per Hausbesuch diagnostiziert werden müssen, gehandhabt werden soll, ist offen.
Man kann sich diesem Mehraufwand auch nicht durch „Nichtbefassung“ entziehen, denn es ist davon auszugehen, dass die Prüfgremien künftig bei Antibiotikaverordnungen die ohne eine solche vorgeschaltete Diagnostik erfolgen, Arzneimittelregresse verhängen. Anhand der Kennziffer 32004 sind die betreffenden Ärzte leicht zu identifizieren.
„Alternativlos“ ist diese Lösung offensichtlich nicht
Übrigens: In Sachsen-Anhalt haben KV und AOK einen Bonus für Vertragsärzte vereinbart, wenn sie eine in der Praxis mögliche CRP-Analyse der Antibiotikaverordnung vorschalten. Es geht also auch anders.