Die AU: Die Mutter aller Formulare
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Hier Auflösungen und Erklärungen zu den Fallbeispielen:
- Nein. Nach der Richtlinie dürfen Sie eine AU „ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel“ bis zu drei Tage rückwirkend ausstellen. Damit soll sichergestellt sein, dass Wochenenden überbrückt werden können. Sie dürfen also nur ab Freitag krankschreiben. Das Datum der Ausstellung der AU muss dabei immer das tatsächlich aktuelle Datum sein!
- Richtig ist, eine an den Krankenhausaufenthalt anschließende Folgebescheinigung auszustellen. Der direkte Anschluss wie auch die Eintragung des ersten Tages der Arbeitsunfähigkeit (respektive des Vorbehandlers, wenn der erste Tag nicht bekannt) ist mit Blick auf die Lohnfortzahlung wichtig, da die sechs Wochen um keinen Tag unterbrochen sein dürfen, auch nicht um ein Wochenende. Arbeitslose Versicherte könnten beispielsweise wegen einer solchen Unterbrechung Schwierigkeiten mit ihrer Krankenkasse bekommen, da sie für diese Tage weder krank noch arbeitslos gemeldet waren. Im Prinzip könnte der Patient dann den Arzt dafür verantwortlich machen.
- Sie dürfen eine AU ausstellen, allerdings nur für diesen ersten Tag. Während eine absehbar eine Woche dauernde Behandlung eines Arbeitsunfalls auch vom Hausarzt übernommen werden kann, darf die Arbeitsunfähigkeit von Ihnen nicht länger als einen Tag ausgestellt werden. Hat der Durchgangs-Arzt die allgemeine Weiterbehandlung an Sie abgegeben, dürfen Sie die AU auch über einen längeren Zeitraum ausstellen, allerdings maximal bis zum nächsten Nachschautermin.
- Ja. Vorsorgemaßnahmen begründen allerdings nur dann eine AU, wenn die Maßnahme selbst zu dieser Arbeitsunfähigkeit führt – eine Mammographie ist somit kein Anlass für eine AU. Die vorbereitenden Abführtage sind nur dann Anlass für eine Krankschreibung, wenn der Patient dadurch tatsächlich arbeitsunfähig an seiner Arbeitsstelle wird. Das ist bei einem Busfahrer gegeben.
- Sie stellen eine Folgebescheinigung aus und fügen die Bronchitis der ersten Infektion hinzu, da sich die eine Erkrankung aus der anderen heraus entwickelt hat.
- Liegt tatsächlich zwischen den beiden Erkrankungen noch nicht mal ein Tag – und zwar unabhängig davon, ob Werk- oder Feiertag – stellen Sie eine Folgebescheinigung aus. Die Patientin erhält dann insgesamt 78 Wochen Krankengeld, also genauso lange, wie sie auch bei nur einer Erkrankung erhalten hätte.
- Ist ein Patient Ihrer Einschätzung nach nicht arbeitsfähig, können Sie ihm das bescheinigen, unabhängig davon, wie die Situation von einem anderen Arzt eingeschätzt wird.
- Nein. Denn der Patient ist heute wieder gesund, Sie haben also keinen Befund, aufgrund dessen Sie eine Arbeitsunfähigkeit feststellen könnten. Eine Rückdatierung des Ausstelldatums würde allerdings einen Rechtsbruch darstellen. Ihr Patient hat also hoffentlich gestern angerufen!
- Ja, R-Diagnosen können eine AU bis zu sieben Tagen begründen. Danach müssen Sie durch eine (Verdachts-)Diagnose ersetzt werden.
- Der Patient ist arbeitsfähig, also können Sie ihm keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Trotzdem darf er nicht in seinem Beruf arbeiten (außer er könnte innerhalb des Unternehmens versetzt werden). Sie müssen ein Beschäftigungsverbot aussprechen. Beschäftigungsverbote sind für den Arbeitnehmer – genauso wie bei Schwangeren – im Vergleich zu einer langen Krankschreibung von Vorteil, da der Betroffene über die sonst festgesetzten sechs Wochen hinaus Lohn erhält und z.B. auch in Urlaub fahren könnte.
- Nein, selbst wenn Sie fest davon überzeugt sind, dass der Patient arbeitsunfähig war oder auch für den Fall, dass ein Bericht über einen Krankenhausaufenthalt vorliegt. Als Faustregel gilt: AU erst ab Grenzübertritt nach Deutschland. Und dann natürlich auch nur für drei Tage rückwirkend.
- Nein, denn der Patient ist nicht arbeitsunfähig. Aber Sie können dem Vater des kranken Kindes das Formular 21 „für den Bezug von Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes“ ausstellen (Rückseite wird von der Krankenkasse ausgefüllt). Dieses Formular kann, muss aber nicht vom Kinderarzt ausgestellt werden. Einen Anspruch auf Krankengeld hat nicht nur die Mutter für zehn Tage pro Kind im Jahr, sondern genauso auch der Vater – und zwar zusätzlich.
- Nein. Erstens orientiert sich die Arbeitsunfähigkeit anders als bei einem versicherten Arbeitnehmer nicht an der letzten Tätigkeit des Patienten, sondern an dem Begriff „leichte Tätigkeiten“, was z.B. leichtes Heben noch einschließt. Vor allen Dingen ist aber zu beachten, dass bei einem Arbeitssuchenden nur der Zeitrahmen, für den er sich arbeitssuchend gemeldet hat, entscheidend ist. Hätte er sich Vollzeit arbeitssuchend gemeldet und wäre jetzt halbtags arbeitsfähig, würde das natürlich zu einer regelhaften Arbeitsunfähigkeit führen.
Quelle: „Werkzeugkasten Niederlassung: Freude mit Formularen“, Ruth Deecke und Dr. Jan Oltrogge, sowie „Sozialmedizin Update“, Dr. Jürgen Herbers, 42. practica, Bad Orb