Diagnostik Asthma vom Arbeitsplatz?
Der arbeitsplatzbezogene Inhalationstest (AIT) ist indiziert, wenn die Symptomatik für ein dort erworbenes Asthma und/oder eine entsprechende Berufserkrankung spricht (Nr. 4301, 1315, 4201, 4302). Auch eine exogen-allergische Alveolitis (Hypersensitivitätspneumonitis) kann mit dem AIT nachgewiesen werden. Der Test sollte allerdings nur eingesetzt werden, wenn sich die Diagnose nicht anderweitig einfacher und mit geringerem Risiko sichern lässt. Die S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Arbeits- und Umweltmedizin (DGAUM) beschreibt, was bei der inhalativen Provokation zu beachten ist.
Keine Provokation ohne Voruntersuchungen
Ein wichtiger Punkt ist das schriftliche Einverständnis des Patienten nach Aufklärung über potenzielle Gefahren (z.B. Anaphylaxie). Um falsch-negative Resultate zu vermeiden, sollten Atemwegsmedikamente wie Betasympathomimetika, Anticholinergika, Leukotrienrezeptorantagonisten und Antihistaminika soweit als möglich vor dem Test abgesetzt werden. Für Glukokortikoide (inhalativ und oral) wird ein Mindestabstand von 14 Tagen zur letzten Applikation empfohlen.
Der AIT beginnt an Tag 1 mit einer Voruntersuchung einschließlich Lungenfunktion, kardiovaskulärem Belastungstest und Metacholinprovokation. Bei Patienten mit geringer spontaner Variabilität der pulmonalen Funktion kann der Provokationstest bereits am Folgetag erfolgen. Für Personen mit stark schwankenden Werten rät die Leitlinie, an Tag 2 erst einmal die Reaktion auf eine Kontrollsubstanz zu prüfen. Gleiches gilt, wenn eine unspezifische Reaktion auf irritative Stimuli erwartet wird. Die eigentliche Messung erfolgt dann am dritten Tag. 24 Stunden nach der Exposition wird eine erneute Kontrolle pulmonaler Parameter (FEV1, sReff, FeNO), Sputumzytologie und Metacholinexposition empfohlen.
Kriterien für eine exogen-allergische Alveolitis
Eine EAA ist durch pulmonale und systemische Symptome gekennzeichnet. Diese setzen 2–9 Stunden nach Beginn der Antigenexposition ein und erreichen ihr volles Ausmaß nach 6–24 Stunden. Folgende Anhaltspunkte sprechen für eine pulmonale Reaktion:
- Reduktion der CO-Diffusionskapazität um ≥ 15 % oder Verringerung des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks um ≥ 7 mmHg
- Abfall der Vitalkapazität ≥ 20 %
- neu aufgetretenes feuchtes Rasseln über der Lunge
Eine systemische Beteiligung besteht, wenn mindestens zwei der folgenden Kriterien erfüllt sind:
- Anstieg der Leukozytenzahl im Blut um mindestens 2.500/mm3
- Erhöhung der Körpertemperatur um mindestens 1 °C
- Schüttelfrost, Krankheitsgefühl und Gliederschmerzen
Expositionsdosis schrittweise steigern
Die inhalative Provokation sollte vorzugsweise mit kommerziell erhältlichen Testlösungen durchgeführt werden, auch wenn diese zunehmend schwerer erhältlich sind, wie die Leitlinienautoren um Dr. Alexandra Preisser von der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf einräumen. Verdächtiges Material vom Arbeitsplatz kann ebenfalls genutzt werden, sofern die Daten zu Sicherheit und Relevanz beachtet werden.
Die Expositionsdosis* wird schrittweise gesteigert. Zwischen den einzelnen Stufen ist eine Pause von mindestens zehn Minuten einzuhalten, während der die Lungenfunktion gemessen wird. Die Wahl der Höchstdosis richtet sich nach den Bedingungen am Arbeitsplatz. Die Dauer der Exposition ist bei einer Reaktion vom Soforttyp sehr kurz und liegt zwischen wenigen Atemzügen und ein paar Minuten. Insgesamt sollten einschließlich der Pausen nicht mehr als 30–60 Minuten vergehen, maximal zwei Stunden. Bei einer graduellen Dosissteigerung werden die entsprechenden Zeiten addiert.
Wenn die Kriterien für eine bronchiale Obstruktion erfüllt sind, ist der Inhalationstest zu beenden. Allerdings können extrapulmonale Manifestationen einer allergischen Reaktion schon früher zum Abbruch zwingen. Falls der Patient die Beendigung wünscht, sollte man ihm klarmachen, dass ihm seine Entscheidung wegen der mangelnden Evidenz für eine berufliche Genese zum Nachteil gereichen kann.
Als wichtigste Parameter für die bronchiale Reaktion nennen die Autoren die spirometrisch gemessene FEV1 und den mittels Bodyplethysmographie erfassten Atemwegswiderstand (sRtot, sReff). Ein Abfall der Einsekundenkapazität mit gleichzeitig reduzierter FVC genügt aber noch nicht für den Nachweis einer berufsbedingten Lungenerkrankung. Denn dieses Ergebnis kann auch durch mangelnde Kooperation oder eine flachere Atmung aufgrund eines irritativen Effekts zustande kommen.
Wann ambulant getestet werden darf
Der arbeitsplatzbezogene Inhalationstest lässt sich ambulant durchführen, vorausgesetzt der Patient kann lang genug überwacht werden. Zur Abklärung genügen meist vier bis sechs Stunden. Spätreaktionen treten mehrheitlich innerhalb von acht Stunden auf und verlaufen meist leicht bis mittelschwer. Anaphylaktische Reaktionen sind sehr selten, sie ereignen sich am ehesten nach einer inhalativen Provokation mit Fisch, Krustentieren oder Latex. Patienten mit Verdacht auf eine Alveolitis sollten wegen des erhöhten Risikos stationär überwacht werden. Besonders gefährdet sind Personen mit ausgeprägter Sensibilisierung, schweren Asthmaanfällen in der Anamnese und nächtlichen Attacken nach beruflicher Exposition.
Resultat positiv, fraglich positiv oder negativ?
Positiv ist der AIT, wenn das FEV1 um 20 % sinkt und sich der spezifische Atemwegswiderstand verdoppelt, mindestens jedoch auf 2 kPa bei suffizienter Respirationstechnik. Dabei sollte die forcierte Vitalkapazität (FVC) möglichst konstant gehalten werden, es sei denn, eine schwere Obstruktion führt zum Abfall. Wenn der AIT mit einer FEV1-Reduktion um 15–19 % beinahe positiv ausfällt, sollte individuell über eine Fortsetzung der inhalativen Provokation entschieden werden. Die Interpretation des AIT-Resultats erfolgt in einer Gesamtschau der erhobenen Befunde. Dabei werden drei Kategorien unterschieden: positiv, fraglich positiv und negativ.
* Produkt aus Substanzkonzentration und Expositionsdauer
Quelle: S2k-Leitlinie „Arbeitsplatzbezogener Inhalationstest (AIT) – specific inhalation challenge (SIC)“, AWMF-Register-Nr. 002/026, www.awmf.org