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Aversion gegen Obst gilt als typisches Symptom der hereditären Fruktoseintoleranz

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Obstkuchen sind für Betroffene auch therapeutisch tabu: Die Diät sollte weniger als 6 g Fruktose pro Tag enthalten. Obstkuchen sind für Betroffene auch therapeutisch tabu: Die Diät sollte weniger als 6 g Fruktose pro Tag enthalten. © VIKTORIIA DROBOT – stock.adobe.com
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Mit der intestinalen Fruktosemalabsorption hat die genetisch bedingte Fruktose­intoleranz nichts zu tun. Auch Ärzte stehen den Symptomen mitunter ratlos gegenüber. Dabei geben Anamnese und ein Blick in den Mund schon wichtige Hinweise.

Ein typischer Fall: Seit Jahren leidet eine 34-Jährige an Müdigkeit und Belastungsintoleranz. Dazu kommen noch zahlreiche weitere Symptome, z.B. fluktuierendes Schwindel- und Schwächegefühl, intermittierende Oberbauchschmerzen, Sodbrennen sowie gelegentlich Übelkeit und Erbrechen. Außerdem klagt die Patientin über unerklärliche Zustände mit Unwohlsein und Zittern. Manchmal habe sie monatelang Ruhe, dann würden sich die Beschwerden wieder mehrmals am Tag melden. Die Patientin hat bereits diverse Abklärungen hinter sich, ohne dass etwas gefunden wurde, berichtete Dr. Lenka Bosanska von der Universitätsklinik Inselspital Bern.

Hypoglykämie als einziger pathologischer Befund

Auswärtige Kollegen diagnostizierten bei der Frau eine latente Hypothyreose ohne TPO-Antikörper, einen gastroösophagealen Reflux bei negativem Helicobacter-Test und eine Eisenmangelanämie. Diabetes mellitus, Nebennierenrinden-Insuffizienz und Zöliakie schlossen sie aus. Die junge Frau wurde mit Levothyroxin, einem Protonenpumpeninhibitor und Eisen behandelt. Ihre Beschwerden bestanden aber unverändert fort.

Also intensivierte man die Ursachensuche. Bei der Labordiagnostik fiel als einziger pathologischer Befund eine Hypoglykämie auf. Sollte den Symptomen ein zentral bedingter Hypokortisolismus zugrunde liegen? Anamnes­tisch bot sich allerdings kein Anhalt dafür, und labordiagnostisch waren sämtliche hypophysären Achsen intakt. Als weitere Ursache kam ein Insulinom infrage – auch wenn die Vorgeschichte keinerlei Hinweis auf eine eingeschränkte Fastenintoleranz lieferte. Weder hatte die Patientin an Gewicht zugenommen noch musste sie nachts essen, wie es für das Insulinom typisch ist. Auch der ambulante Fastentest verlief unauffällig.

Verdächtig: mit 34 Jahren noch immer keine Karies

Die Schweizer Kollegin beschäftigte sich daher nochmals eingehend mit der Anamnese und wurde fündig. Dabei fielen ihr vor allem vier Punkte auf:

  • Die Symptome – postprandiale Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Unwohlsein und Zittern – hatten bereits in der frühen Kindheit bei der Umstellung vom Stillen zur Beikost begonnen.
  • Die Patientin hatte von sich aus Obst und Süßigkeiten gemieden.
  • Sie hatte trotz ihrer 34 Jahre noch keine Karies.
  • Außerdem war es immer wieder zu Transaminasen-Anstiegen und zu (mindestens) einer Hypoglykämie gekommen.

Diese Konstellation ist hochgradig verdächtig für eine hereditäre Fruktoseintoleranz, erklärte Dr. Bosanska. Sie wird autosomal rezessiv vererbt und ist mit einer Inzidenz von 1 : 34 000 häufiger als Akromegalie und Insulinom. Mit der intestinalen Fruktosemalabsorbtion hat sie nichts zu tun.

Auslöser der Stoffwechselstörung sind Mutationen im ALDOB-Gen, die zu einem Enzymdefekt in der Leber führen. Die Aldolase B ist ein wichtiges Enzym im Fruktosestoffwechsel, sie spaltet Fruktose-1-Phosphat in zwei Abbauprodukte, die in die Glykoneogenese und die Glykolyse eingehen. Der Enzymdefekt führt zu einer Anhäufung von Fruktose-1-Phosphat mit nachfolgender Phosphatdepletion. Durch eine Hemmung der Glykogen­phosphorylase kommt es außerdem zu Hypoglykämien.

Typische Symptome der hereditären Fruktoseintoleranz sind neben Hypoglykämien gastrointes­tinale Beschwerden, außerdem eine Aversion gegen Süßigkeiten, Obst und Gemüse. Unbehandelt führt der Enzymdefekt zu Hepatopathie und Steatose bis hin zur Leber- und Niereninsuffizienz.

Psychomotorische Entwicklung ist ungestört

Im entgleisten Zustand kann es zu Laktatazidose, Hyperurikämie, einem Abfall des Serumphosphats sowie zum Magnesiumanstieg kommen. Die psychomotorische Entwicklung ist ungestört, sodass die Erkrankung mitunter erst im Erwachsenenalter diagnostiziert wird. Die Therapie besteht aus einer Diät, die < 6 g Fruktose pro Tag enthält (kein Obst, nur sehr wenig Gemüse). Die Vitaminversorgung wird über Supplemente sichergestellt.

Kongressbericht: 125. Kongress der Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin