Bariatrie und Kinderwunsch – passt das?

Autor: Dr. Andrea Wülker

Übergewicht kann Frauen darin hindern, schwanger zu werden. Ursache ist meist das polyzystische Ovarsyndrom. Übergewicht kann Frauen darin hindern, schwanger zu werden. Ursache ist meist das polyzystische Ovarsyndrom. © iStock.com/gpointstudio

Adipositas mindert die Fertilität und führt – wenn es mit der Konzeption doch geklappt hat – häufiger zu Schwangerschaftskomplikationen. Ist eine bariatrische OP die Lösung?

Viele adipöse junge Frauen hoffen vergeblich auf eine spontane Schwangerschaft. Das hängt damit zusammen, dass Übergewicht oft mit einer Hyperandrogenämie bzw. mit dem polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) einhergeht, erklärte Privatdozent Dr. Christian Göbl, Medizinische Universität Wien. Bei PCOS liegen häufig eine erhöhte Insulinresistenz und eine kompensatorische Hyperinsulin­ämie vor, die das Follikelwachstum und die Reifung der Eizellen beeinträchtigen, sodass die Fruchtbarkeit sinkt.

Daher müssen oft schon junge, übergewichtige Frauen für die Erfüllung ihres Kinderwunsches die Hilfe der Reproduktionsmedizin in Anspruch nehmen – wobei assistierte Reproduktionstechnologien (ART) bei Adipösen deutlich häufiger versagen als bei Schlanken. Je höher der BMI, umso größer das Risiko, dass auch ART nicht zum Wunschbaby führen.

Gewichtsabnahme kann helfen – daher entscheiden sich viele adipöse Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch für einen bariatrischen Eingriff. Tatsächlich zeigen Untersuchungen, dass sich die Adipositas­chirurgie positiv auf die Hyperandro­genämie auswirken kann und dass es bei bis zu 58 % der operierten Frauen nach dem Eingriff zu spontanen Schwangerschaften kommt.

Der Zeitpunkt sollte gut geplant sein

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Schwangerschaft? Nach einer Magenbypass-OP oder nach einer Sleeve-Gastrektomie (Schlauchmagen) sollte die Frau, wenn möglich, eine Schwangerschaft erst ein- bis anderthalb Jahre nach dem Eingriff planen, so der Referent. Bis dahin sollte eine sichere Verhütungsmethode gewählt werden, wobei darüber informiert werden muss, dass orale Kontrazeptiva nach der OP (besonders im Fall malabsorptiver Verfahren) nicht mehr so zuverlässig wirken und parenterale Darreichungsformen sicherer sein können.

Bariatrische OPs beeinflussen die Aufnahme von Mikro- und Makronährstoffen, daher sollte bei Frauen mit Kinderwunsch, die einen adipositaschirurgischen Eingriff hinter sich haben, nach entsprechenden Defiziten gesucht und ggf. substituiert werden (siehe Kasten).

Mangel aufdecken

Dr. Göbl empfahl folgende Labortests in der präkonzeptionellen Phase:
  • Vitamin B12, Vitamin D, Folsäure
  • Blutbild, Eisenstatus
  • Calcium, Magnesium
  • Parathormon, TSH
  • HbA1c, Nüchternblutzucker
  • Albumin
Falls erforderlich, muss eine therapeutische oder prophylaktische Substitution erfolgen.

Als weitere mögliche unerwünschte Effekte der Operation müssen z.B. mütterliche Anämie, ein erhöhtes Risiko für intraabdominelle Hernien, gestörter Glukosestoffwechsel und ein erhöhtes Risiko für eine fetale Wachstumsrestriktion beachtet werden. Dass Frauen nach einer bariatrischen OP häufiger wachstumsretardierte Kinder zur Welt bringen, könnte einerseits an Hypoglykämien im Rahmen eines postprandialen Dumpings liegen. Andererseits könnten Nährstoffmängel der Mutter dazu beitragen, die sich auch am Ungeborenen manifestieren, wie Untersuchungen von Nabelschnurblutproben zeigen. Um die fetale Entwicklung gut im Blick zu behalten, sollten monatliche Ultraschallkontrollen mit Aufzeichnung der Wachstumskurve des Ungeborenen durchgeführt werden. Experten empfehlen zudem eine Anbindung an ein Perinatalzentrum. Ist das Kind auf der Welt, kann die Mutter zum Stillen ermutigt werden, wobei während der Stillzeit eine entsprechende Nährstoffsubstitution erforderlich ist.

Quelle: Diabetes Herbsttagung 2018 / Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft 2018