Corona: Schlechte Luft, schlechte Prognose?

Autor: Kathrin Strobel

Es scheint einen Zusammenhang zwischen Feinstaub und COVID-19 zu geben. Es scheint einen Zusammenhang zwischen Feinstaub und COVID-19 zu geben. © iStock/torwai

Egal ob man nach China, Italien oder in die USA blickt: In Gegenden mit stärkerer Luftverschmutzung ist die COVID-19-Mortalität auffallend hoch. Studien weisen darauf hin, dass sowohl Stickoxide als auch Feinstaub mit der Sterberate assoziiert sind.

In Regionen mit einer dauerhaft hohen Schadstoffbelastung finden sich deutlich mehr mit SARS-CoV-2 assoziierte Todesfälle als in anderen Gegenden. Das konnte Dr. Yaron­ Ogen­ vom Institut für Geowissenschaften und Geographie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zeigen.1 Er hat Satellitendaten zur Luftverschmutzung durch Stickstoffdioxid und zu Luftströmen sowie Daten zu bestätigten COVID-19-Todesfällen aus Deutschland, Italien, Spanien und Frankreich ausgewertet.

Schlechtere Gesundheit und höhere Anfälligkeit

Seine Analyse ergab, dass 78 % der insgesamt 4443 in die Studie eingeflossenen Todesfälle aus den fünf am meisten von Luftverschmutzung betroffenen Regionen stammten (allesamt in Italien und Spanien). In diesen Gegenden ist zudem der vertikale Luftaustausch besonders gering, schreibt Dr. Ogen. Das begünstigt die Schadstoffbelastung. Der Geowissenschaftler vermutet, dass dies insgesamt zu einem schlechteren Gesundheitszustand der Menschen und zu einer höheren Anfälligkeit für SARS-CoV-2 geführt haben könnte.

Die „Hotspots der Luftverschmutzung“ unter den untersuchten Gebieten waren Norditalien und das Stadtgebiet Madrid. In beiden Gegenden waren die Zahlen der SARS-CoV-2-Infizierten sowie der damit assoziierten Todesfälle besonders hoch.

Auch ein Team um Professor Dr. ­Leonardo Setti­ von der Facoltà di Chimica Industriale „Toso Montanari“ an der Universität Bologna hat sich mit der italienischen Luftqualität im Kontext von COVID-19 beschäftigt.2 Die Kollegen untersuchten die Feinstaubkonzentration (PM10) in verschiedenen Regionen des Landes. Laut ihrer Analysen ist ein Überschreiten des in Italien geltenden gesetzlichen Grenzwerts von 50 µg/m3 pro Tag ein signifikanter Prädiktor für eine SARS-CoV-2-Infektion. So wiesen Gegenden mit einer niedrigeren PM10-Belastung im Median 0,03 Infektionsfälle pro 1000 Einwohner auf. In den am stärksten durch Feinstaub belasteten Regionen kletterte der Wert auf 0,26.

Innerhalb des Landes fanden die Wissenschaftler einen deutlichen Nord-Süd-Unterschied: 39 der 41 analysierten Regionen im Norden wiesen sehr hohe PM10-Konzentrationen auf, in 62 der 66 südlichen Gebiete waren die Werte niedrig. Und der Norden Italiens war und ist sehr viel stärker von SARS-CoV-2 betroffen als der Rest des Landes: Vor dem Lockdown lag die durchschnittliche Wachstumsrate der Infektionszahlen in Mailand bei 0,34 pro Tag – im Vergleich zu 0,27 in Rom.

Positiver Effekt des Lockdowns

In den USA scheint es ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Feinstaub und COVID-19 zu geben: Dort errechnete ein Forscherteam um Xiao­ Wu vom Department of Biostatistics der Harvard University, dass die Corona-Sterberate pro 1 µg/m3 Anstieg der PM2,5-Konzentration um 15 % zunimmt.3 Die Wissenschaftler hatten Daten zu mit COVID-19 assoziierten Todesfällen sowie zur Feinstaubkonzentration in der Luft aus 3000 Landkreisen ausgewertet und diese um Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Zahl der Krankenhausbetten, Wetter, sozioökonomische Parameter u.a. adjustiert. „Ein kleiner Anstieg der Langzeitexposition mit PM2,5 führt zu einem erheblichen Anstieg der COVID-19-Sterberate“, heißt es in der als Preprint veröffentlichten Studie.

Luftverschmutzung scheint im Kontext der derzeitigen Pandemie doch ein Thema zu sein, schloss Professor Dr. Christoph Sarrazin vom St. Josefs-Hospital in Wiesbaden, im Rahmen eines COVID-19-Updates der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin.4 Durch die derzeitigen Beschränkungen, die sich auch auf den Straßen- und Flugverkehr auswirken, ist die Luft momentan allerdings „ungewöhnlich klar“, so der Kollege. Und das ist nicht nur ein subjektiver Eindruck, sondern wird durch Satellitenaufnahmen der European Space Agency bestätigt. Dieser positive Effekt des Lockdowns auf die Luftqualität kann auch in anderen Ländern beobachtet werden. 

Quellen:
1. Ogen Y. Sci Total Environ 2020; 726: 138605; DOI: 10.1016/j.scitotenv.2020.138605
2. Setti L et al. medRxiv 2020.04.11.20061713; DOI: 10.1101/2020.04.11.20061713 (Preprint)
3. Wu X et al. medRxiv 2020.04.05.20054502; DOI: 10.1101/2020.04.05.20054502 (Preprint)
4. COVID-19 Update: News – Virologie – Gastro­enterologie vom 23.04.2020, streamed-up.com