COVID-19: Höhere Sterblichkeit und längere Beatmung als bei Grippe
Vielerorts hört man die Aussage, dass „dieses neue Virus doch auch nicht schlimmer sei als eine Grippe.“ Die meisten Kliniker und Intensivmediziner waren schon lange gegenteiliger Meinung – und diese bestätigen jetzt die Infektionsepidemiologin Kristin Tolksdorf vom Robert Koch-Institut in Berlin und ihre Kollegen.
Beatmung dauerte bei Coronapatienten doppelt so lange
Die Forscher haben für ihre Analyse das ICOSARI-Sentinel herangezogen, an das 70 Akutkrankenhäuser in Deutschland Daten von Patienten mit schweren Infektionen der Atemwege melden. Dabei untersuchten sie, wie die Erkrankung bei 69 573 Patienten mit Influenza während der fünf Grippewellen von 2015 bis 2019 verlief. Dann stellten sie diese Verläufe denen von 1426 Patienten (der Kalenderwochen 10 bis 18/2020) mit im Labor gesicherter COVID-19-Diagnose gegenüber. Dabei zeigte sich:
- Patienten mit COVID-19 benötigten deutlich häufiger eine maschinelle Atemhilfe. Mehr als jeder fünfte Kranke musste ans Beatmungsgerät (22 %); bei den Influenzakranken war das nur bei knapp jedem Achten (14%) notwendig.
- Die Beatmung dauerte bei COVID-Betroffenen mehr als doppelt so lange wie bei den Influenza-Kranken (im Schnitt zehn Tage gegenüber vier Tagen).
- mehr als jeder fünfte Kranke mit Coronavirus-Pneumonie starb im Verlauf seiner Erkrankung (21 %), während dieses Schicksal nur gut jeden zehnten Grippepatienten (12 %) traf.
Und das lag nicht daran, dass COVID-Patienten wesentlich älter – und damit „anfälliger“ – gewesen wären: Ihr Alter betrug median 73 Jahre, während die Influenzakranken im Mittel vier Jahre älter waren.
Ausreichende Zahl von Beatmungsplätzen benötigt
Diese Zahlen belegen, dass Pneumonien bei COVID-Patienten im Schnitt wesentlich schwerere Ausmaße annehmen als bei Grippepatienten. Für die kommenden Herbstmonate, in denen ernste COVID-Fälle vermutlich wieder zunehmen werden, muss also eine ausreichende Zahl von Beatmungsplätzen reserviert werden, fordern die Wissenschaftler – und, nicht zu vergessen, auch ausreichend geschultes Personal zur Verfügung stehen.
Quelle: RKI. Tolksdorf K et al. Epid Bull 2020; 41: 3-10; DOI: 10.25646/7111