Östrogenspiegel Die COPD wird immer weiblicher
Beim Stichwort COPD denken wir alle an grauhaarige Männer mit Sauerstoffkanülen in der Nase, die viel geraucht haben. Aber wir müssen umdenken“, sagte Prof. Dr. Daiana
Stolz, Ärztliche Direktorin der Klinik für Pneumologie am Universitätsklinikum Freiburg. Die COPD entwickele sich nämlich zunehmend zu einer weiblichen Krankheit.
Schon heute erkranken und sterben mehr Frauen als Männer an einer COPD, obwohl sie seltener rauchen und weniger Zigaretten konsumieren als männliche Raucher. Dies legt nahe, dass der weibliche Respirationstrakt empfindlicher auf die enthaltenen Gifte reagiert. Sogar Passivrauchen setzt weiblichen Lungen mehr zu als männlichen. Ehemänner spielen eine zentrale Rolle. Ihr Rauch macht Nichtraucherinnen stärker zu schaffen als der anderer Mitbewohner wie Eltern oder Geschwister. Den Ehemann zum Rauchstopp zu bringen, sieht Prof. Stolz deshalb als wichtige Schutzmaßnahme.
Zudem besteht in der Diagnostik deutlicher Verbesserungsbedarf. Dass bei einer Frau eine COPD erkannt wird, ist nur halb so wahrscheinlich wie bei einem Mann mit ähnlichen Symptomen und vergleichbarem Lungenfunktionsverlust. Das mag auch daran liegen, dass Frauen sich mit anderen Symptomschwerpunkten präsentieren.
Spirometrie kann Risiko der Unterdiagnose reduzieren
Patientinnen berichten seltener, massenhaft Schleim abzuhusten, leiden aber stärker unter Atemnot und psychischen Begleitsymptomen wie Angst und Depression. Histologisch findet sich vor allem eine Small Airway Disease als Ausdruck des pulmonalen Remodelings, während bei Männern das Emphysem dominiert, konstatierte Prof. Stolz. Die Spirometrie reduziert das Risiko der Unterdiagnose, wird aber vor allem bei Hausärzten zu selten genutzt. Spät diagnostiziert wird bei Frauen auch der Alpha-1-Antitrypsinmangel: Im Schnitt vergehen rund zwei Jahre mehr zwischen Symptombeginn und Diagnose als bei männlichen Patienten.
Die metabolischen Prozesse beim Rauchen laufen bei den Geschlechtern verschieden ab, berichtete Prof. Stolz, möglicherweise aufgrund von Unterschieden in der Expression und der Aktivität des Cytochrom-P450-Enzymsystems. Auch Sexualhormone scheinen wichtig zu sein. Bei Frauen unter einer Antiöstrogenbehandlung und Mäusen nach experimenteller Ovarektomie sind pathologische Prozesse und Lungenfunktionsverlust wohl verlangsamt, das Tempo nähert sich dem bei Männern an. Als Faustregel lässt sich sagen: viel Östrogen, viel Remodeling – wenig Östrogen, viel Emphysem.
Frauen, auch diejenigen mit COPD, schaffen den Rauchstopp seltener als Männer und neigen stärker zum Wiedereinstieg in die Sucht. Wenn ihnen der Ausstieg aber dauerhaft gelingt, gewinnen sie 2,5-mal so viel an Lungenfunktion. Eine gute Gelegenheit könnte sich in der Schwangerschaft bieten. Nach Prof. Stolz’ Erfahrung ist die gefürchtete Gewichtszunahme ein wichtiger Grund für Frauen, weiter
zu rauchen.
Bei Schwangeren den Rauchstatus thematisieren
„Sind sie schwanger, rutscht das völlig in den Hintergrund“, so die Erfahrung der Freiburger Pneumologin. Sie plädierte dafür, die Chance der pränatalen Vorsorgeuntersuchungen zu nutzen, um nach dem Rauchstatus zu fragen und ggf. den Rauchstopp zu thematisieren, zumal auch das ungeborene Kind unter dem Rauchen leidet. Es gibt gute Daten, dass bereits die Exposition in utero das Risiko für eine spätere COPD steigert.
Kongressbericht: ERS* virtual Event
* European Respiratory Society; ERS virtual event: Respiratory Health in women – do we need a special focus on the female respiratory system? 8. März 2022