Echte Insulinresistenz ist bei Kindern selten
So lägen bis dato keine prospektiven kontrollierten Studien zur Verlässlichkeit und Sicherheit von HbA1c-Wert, Nüchtern-Glukose und oralem Glukose-Toleranz-Test (oGTT) zur Diagnose einer Insulinresistenz im Kindesalter vor, wie Professor Dr. Wieland Kiess, Universitätsklinikum Leipzig, betonte. Insbesondere der HbA1c-Wert wird seiner Einschätzung nach ziemlich überschätzt: „Die entscheidenden Symptome für die Diagnose eines Diabetes sind Gewichtsverlust, Durst, häufiges Wasserlassen und ein erhöhter Blutzuckerwert.“ Der HbA1c-Wert hingegen sei aufgrund der hohen Varianz bei der Überlebenszeit der roten Blutkörperchen zumindest als isolierter Parameter nur bedingt aussagekräftig.
Während der Pubertät ist ein leichter HbA1c-Anstieg normal
Immerhin habe das Leipziger Forschungsprojekt „LIFE Child“ mittlerweile Referenzdaten geliefert, an denen man sich bei einer Verdachtsdiagnose orientieren kann. So zeigten die bis dato erhobenen Daten, dass Veränderungen beim HbA1c-Wert zwar unabhängig von Bildungs- und sozioökonomischem Status sind, aber sehr wohl mit BMI und Geschlecht korrelieren. Zudem steige die HbA1c-Perzentile im Zeitraum zwischen 0 und 18 Jahren moderat an. So sei während der Pubertät ein Anstieg des HbA1c-Werts von durchschnittlich 5,0 auf 5,2 % bei Jungen und von 5,0 auf 5,1 % bei Mädchen nicht ungewöhnlich.
oGTT mit hoher inter- und intrapersoneller Variabilität
Auch der oGTT ist bei der Diagnose einer Insulinresistenz nur bedingt hilfreich, wie Privatdozent Dr. Christian Denzer, Universitätsklinikum Ulm, berichtete. Hauptproblem des oGTT sei die mangelnde Reproduzierbarkeit der Messwerte. Ein- und derselbe Patient, bei dem der oGTT heute eine gestörte Glukosetoleranz ergibt, kann morgen völlig unauffällig sein. Denn es gebe sowohl inter- als auch intrapersonell eine hohe Variabilität bei der Glukoseverstoffwechselung im Gastrointestinaltrakt.
Und auch längerfristig lasse sich beobachten, dass 60–75 % der adipösen Kinder und Jugendlichen mit gestörter Glukosetoleranz im Verlauf von 1–5 Jahren wieder zu einer normalen Glukosetoleranz konvertieren. „Im praktischen Alltag ist der oGTT deshalb wenig aussagekräftig“, erklärte Dr. Denzer. Lediglich in der klinischen Forschung sei er – ebenso wie auf ihm basierende Surrogatparameter – mit entsprechender mathematischer Modellierung zur Detektion von Insulinresistenz und Betazellfunktion bei Kindern geeignet.
Fallstricke in der Diagnostik der Insulinresistenz
- HbA1c-Wert: interpersonell hohe Varianz bei der Überlebenszeit der roten Blutkörperchen, auch ethnisch bedingt
- oGTT: intrapersonell keine verlässlich reproduzierbaren Ergebnisse, außerdem keine Aussagekraft über die Betazellfunktion
- Nüchtern-Glukosewert: keine klare Definition von Nüchternheit, wenig Aussagekraft über Fettstoffwechsel
Quelle: Diabetes Kongress 2019