Eingeschränkte Fahrtüchtigkeit durch Antidepressiva hat auch für den Arzt Konsequenzen
Autofahren gehört zum Alltag – das gilt auch für viele Psychiatriepatienten. Etwa 80 % der stationär behandelten Depressiven geben an, einen Führerschein zu besitzen, jeder siebte von ihnen benutzt ihn auch. Dabei hätte man in vielen Fällen besser davon abraten sollen. Die aktuelle Studienlage weist darauf hin, dass gerade ältere Antidepressiva die Fahrtüchtigkeit deutlich einschränken – dies gilt vor allem für den Therapiebeginn und für ältere Menschen. Das Risiko eines Unfalls liegt in manchen Untersuchungen nach Einnahme der Substanzen um rund das Dreifache höher, schreiben Privatdozent Dr. Alexander Brunnauer von der Neuropsychologie des kbo-Inn-Salzach-Klinikums in Wasserburg und sein Münchener Kollege Professor Dr. Gerd Laux.
Aber schon unsicheres Fahren oder Fahrfehler können dann Konsequenzen haben, denn selbst bei verordnungskonformer Einnahme sind in solchen Fällen die Tatbestände Trunkenheit am Steuer und Gefährdung im Straßenverkehr erfüllt. Bei gesunden Probanden zeigen sich gerade nach Konsum von tri- und tetrazyklischen Antidepressiva Beeinträchtigungen in allen verkehrsrelevanten Leistungsbereichen: Neben der Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit sinkt auch die Vigilanz. Ursache ist in erster Linie die sedierende Wirkung der Medikamente. Alkohol verstärkt diese Probleme noch.
In der Einstellungsphase mit trizyklischen Antidepressiva raten die Experten auf jeden Fall davon ab, aktiv Auto zu fahren. Allerdings lässt sich gerade bei Jüngeren eine Toleranzentwicklung beobachten, zumindest unter Amitriptylin, Dothiepin und Doxepin. Aber es gibt eine Subgruppe dauerhaft medikamentös behandelter Patienten, die am Steuer nicht mehr ihr ursprüngliches Leistungsniveau erreichen.
Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) und die selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) Venlafaxin und Milnacipran beeinflussen die Fahrtauglichkeit nicht. Die akute Gabe von Mirtazapin wiederum führt zwar zu Beeinträchtigungen, die sich aber durch eine abendliche Einnahme deutlich reduzieren lassen. Dennoch gilt für alle Mittel gleichermaßen: Das Thema Fahrtauglichkeit muss angesprochen werden.
Trotzdem fahren Depressive mit Medikamenten oft besser
Im Zweifelsfall empfiehlt sich sogar eine neuropsychologische Leistungsdiagnostik sowie die Konsultation eines Kollegen mit verkehrsmedizinischer Qualifikation. Dokumentation des Gesprächs und die schriftliche Bestätigung über die Aufklärung durch den Betroffenen sind ebenfalls essenziell. Insgesamt kann man aber davon ausgehen, dass erfolgreich mit Antidepressiva Behandelte besser fahren als untherapierte Patienten.
Quelle: Brunnauer A, Laux A. internistische praxis 2018; 59: 101-109