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Herzklopfen und Thoraxkrämpfe Fitter Sportler machte plötzlich unter Belastung schlapp

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Langzeit-EKG und trans­thorakale Echokardiografie waren unauffällig. Langzeit-EKG und trans­thorakale Echokardiografie waren unauffällig. © C Malambo/peopleimages.com – stock.adobe.com
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Alles deutete bei einem 38-Jährigen auf eine Angina pectoris hin – doch sie ließ sich nicht verifizieren. Erst viele Prozeduren und Experten später kam die seltene Ursache der Thoraxschmerzen ans Licht.  

Die Beschwerden des ehemaligen Leistungssportlers und nach wie vor ambitionierten Läufers begannen 15 Jahre zuvor mit anfallsartiger Dyspnoe und Flush-Symptomen beim Joggen. Hinzu kamen Schwellungen an Lippen, Gesicht, Händen und Körperstamm sowie eine Urtikaria an Bauch und Beinen. Nach der zweiten Episode verlor der 38-Jährige vorübergehend das Bewusstsein. Langzeit-EKG und trans­thorakale Echokardiografie waren unauffällig. Der ebenfalls konsultierte Al­lergologe diagnostizierte auf Basis vorher verzehrter Lebensmitttel eine Nahrungsmittelanaphylaxie.

Die Symptome kamen nicht wieder – bis vier Monate vor der aktuellen Evaluierung: Dieses Mal hatte der Mann beim Joggen plötzlich ein heftiges Herzklopfen bemerkt, das in Ruhe verschwand, sodass er sein Training fortsetzen konnte. Vier Wochen später traten beim Radfahren krampfartige Beschwerden im vorderen Thorax auf, die sich ebenfalls in einer Pause zurückbildeten, so Dr. J. Sawalla Guseh II vom Department of Medicine am Massachusetts General Hospital in Boston und Koautoren.

Keine Costochondritis, keine Myokarditis

Die Konstellation von belastungsabhängigen Beschwerden kurz nach dem Beginn sportlicher Aktivitäten, die beim Rasten nachlassen, passte zwar zu einer Angina pectoris. Aufgrund der Fitness ihres Patienten vermuteten die Verfasser aber zunächst eine Ursache außerhalb des Herzens. Typische Erkrankungen wie Costochondritis und Rippenfrakturen konnten sie jedoch ausschließen, ebenso im Anschluss intrakardiale Störungen wie belas­tungsinduzierte Arrhythmien, Myo­karditis und Kardiomyopathie.

Deshalb fiel der Verdacht doch auf eine pathologische Veränderung der Herzkranzgefäße. Atherosklerotische Veränderungen waren angesichts der athletischen Konstitution und des relativ jungen Alters unwahrscheinlich und der Patient hatte keine Fettstoffwechselstörung. Deshalb dachten die Autoren als Nächs­tes an eine angeborene Anomalie, die sich ebenfalls mit Synkopen und Angina pectoris manifestieren kann.

Die CT-Angiografie ergab jedoch normale Gefäßabgänge. Allerdings  fiel eine 5 cm große Raumforderung im Perikard auf, die u. a. von der proximalen rechten Koronararterie ausging und von multiplen Gefäßen perfundiert wurde. Außerdem fand sich eine Stenose des Ramus interventricularis anterior. Angesicht dieser Befunde gingen die Ärzte davon aus, dass ein Steal-Phänomen die Beschwerden des Mannes hervorrief. Durch die Stenose erfolgte der Blutfluss bei belastungsbedingter Vasodilatation vermehrt in Richtung Raumforderung und weniger durch die Koronargefäße.

Die ausgeprägte Vaskularisation machte zwei Diagnosen möglich: Paragangliom und Hämangiom. Die sys­temischen Symptome des Patienten sprachen für den neuroendokrinen Tumor. Die Adrenalin- und Noradrenalinwerte in Plasma und Urin waren zwar normal, aber dafür fanden sich massiv erhöhte Dopamin­spiegel. Patienten mit ­dopamindominantem Paragangliom leiden häufig an vasodilatatorischen Folgen wie Schwindel, Erbrechen und plötzlichem Erröten, vor allem, wenn eine gleichzeitige Sekretion von Adre­nalin und Noradrenalin ausbleibt.

Der junge Patient wurde mit einer Kombination von Radiotherapie, kutaner Embolisation des größten tumorversorgenden Gefäßes und operativer Resektion im Gesunden behandelt. Die Histopathologie bestätigte den Verdacht auf ein Paragangliom. Wie bis zu 40 % aller Patienten mit einem solchen Tumor litt auch der 38-Jährige an einem familiären Syndrom mit Keimbahnmuta­tion, das zur Rezidivprophylaxe einer langfristigen Nachsorge bedarf. Die Therapie war bei dem jungen Mann so erfolgreich, dass er einen Marathon absolvieren konnte. Auch vier Jahre nach dem Eingriff ist er noch beschwerde- und rezidivfrei.

Quelle: Guseh JS et al. N Engl J Med 2022; 387: 2450-2460; DOI: 10.1056/NEJMcpc2211360