Kognitive Dysfunktion Gehirn-Check-up in der Hausarztpraxis
Die Grundlage für die positive Einschätzung der strukturierten Früherkennungsdiagnostik liefert eine Fragebogenstudie. Teilgenommen haben 37 Hausärztinnen und -ärzte. Sie behandelten im vierten Quartal 2022 insgesamt 593 Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine minimale kognitive Dysfunktion (MCI) oder ein leichtes demenzielles Syndrom. Dem Check-up unterzogen sich nur 389 Personen. Als Hindernisse für die Diagnostik nannten die Befragten am häufigsten die Ablehnung durch die Patient:innen (64 %) und ärztlichen Zeitmangel (56 %), so Lucas Wolski vom Zentrum für kognitive Störungen am Klinikum rechts der Isar in München und Koautoren. Ein Viertel gab an, die Betroffenen hätten Angst vor der Diagnose.
Von den Hausärztinnen und Hausärzten verwendeten 95 % den DemTect (Demenz-Detektion) und 68 % den MoCA (Montreal Cognitive Assessment). Zur Selbstdiagnostik mittels App (neotivCare) wurde in 18 % der Fälle geraten. Bluttests zum Ausschluss reversibler Ursachen erfolgten bei 77 % der Teilnehmenden. Am häufigsten fanden sich veränderte Schilddrüsenwerte und Vitamin-B-Mangel.
DemTect, MoCA und Blutuntersuchungen hielt die Mehrheit für praxistauglich. Sie bemängelten jedoch den Zeitaufwand für die Praxis. Optimierungsmöglichkeiten sahen 40 % der Befragten in einer verbesserten Vergütung. Von den 20 Mediziner:innen, die die neotivCare-App empfahlen, stuften acht diese als praktikabel ein. Zu den Hindernissen zählten vor allem fehlende Smartphones und ungenügende Erfahrung mit Apps seitens der Anwender sowie komplizierte Handhabung bzw. Aufgaben.
Ein Lösungsvorschlag kommt vom britischen National Institute for Health and Care Excellence (NICE). Es empfiehlt die Verwendung neuropsychologischer Kurztests wie dem Mini-Cog, die sich in drei Minuten durchführen lassen. Diese Strategie könnte auch die Akzeptanz des Check-ups erhöhen. Allerdings prüfen diese Verfahren nicht alle kognitiven Domänen, die in der Frühdiagnostik von besonderer Relevanz sind.
Nach einem auffälligen Befund im Gehirn-Check-up wurde in der Studie nur die Hälfte der Betroffenen in eine neurologisch/psychiatrische Praxis oder eine Gedächtnisambulanz überwiesen. Die häufigsten Gründe: Ablehnung durch die Patient:innen und Probleme mit der Terminfindung. Eine verbesserte Interaktion zwischen Haus- und Fachärzt:innen könnte hier für Abhilfe sorgen.
Weil kognitive Einschränkungen häufig behandelbare Ursachen haben, kommt der Differenzialdiagnostik eine große Bedeutung zu. Ein großer Teil dieser Störungen lässt sich bereits mit Bluttests nachweisen. Auch eine fachärztliche Konsultation kann hilfreich sein, z. B. um psychiatrische und neurologische Erkrankungen zu erfassen.
Wichtig ist auch das Gespräch über Präventionsmöglichkeiten, welches in der vorliegenden Befragung aber nur in der Hälfte der Fälle erfolgte. Günstig wirkt z.B. eine Modifizierung der Risikofaktoren. Die Alzheimerdemenz ist zwar nicht heilbar, aber mit den Acetylcholinesterase-Hemmern stehen inzwischen Wirkstoffe zur Verfügung, die die Progression bei leichter bis mittelschwerer Einschränkung verlangsamen, erklären die Studienautoren.
Von besonderer Bedeutung ist der Hausarzt bzw. die Hausärztin als erste Ansprechperson für Patient:innen und Angehörige. Mit einem strukturierten Algorithmus wie dem Check-up könnten Betroffene besser identifiziert werden. Das erleichtert notwendige Lebensstilveränderungen und ermöglicht eine bessere Planung für die Zukunft. Derzeit vergehen im Mittel noch 16 Monate von den ersten kognitiven Symptomen bis zur korrekten Diagnose. Der Gehirn-Check-up könnte dies verhindern.
Quelle: Wolski L et al. Z Gerontol Geriat 2024; DOI: 10.1007/s00391-024-02319-y