Alzheimer: Bei neuen kognitiven Defiziten sekundäre Auslöser abklären

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Nicht immer muss es sich gleich um Alzheimer handeln. Nicht immer muss es sich gleich um Alzheimer handeln. © LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com

Hinter kognitiven Einschränkungen muss nicht immer eine Alzheimer-Demenz stecken. Vor allem sekundäre potenziell behandelbare Ursachen gilt es, abzuklären.

Dem Umfeld einer 82-Jährigen war aufgefallen, dass seit einigen Monaten nicht nur die Mobilität der alten Frau stetig abgenommen hatte, sondern auch ihr Kurzzeitgedächtnis. Nachdem sich die Kogni­tionsleistung unter einer ambulanten Therapie mit Memantin weiter verschlechterte, erfolgte die Einweisung durch die Hausärztin in die Klinik für Geriatrie mit Neurologie und Tagesklinik der Johanniter-Kliniken Bonn.

Anamnestisch waren ein vaskuläres Syndrom mit Zustand nach Hirninfarkt und Beinvenenthrombose, Diabetes mellitus Typ 2, eine arterielle Hypertonie sowie eine Hypercholesterinämie bekannt. Die CT des Kopfes ergab multiple kleine ältere Infarzierungen und Zeichen der Mikroangiopathie/subkortikalen arteriosklerotischen Enzephalopathie. Im Labor fiel ein erhöhter Hämoglobinwert von 19,9 g/dl (Referenzbereich 11,2–15,7 g/dl) mit einem Hämatokrit von 60 % (Referenzbereich 34,1–44,9 %) auf. Die weiterführende genetische Untersuchung ergab eine JAK2-Mutation. Aufgrund der Befunde wurde die Diagnose einer Polycythämia vera gestellt.

Eine daraufhin eingeleitete Aderlasstherapie, die nach der Entlassung ambulant weitergeführt wurde, konnte die Orientierung der Patientin verbessern. Die Kontrolluntersuchung nach 18 Monaten ergab eine signifikante Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten (MMSE* von 10 auf 13, Uhrentest von 6 auf 4) sowie einen Hämatokrit im Normbereich. Die Patientin war wieder in der Lage, selbstständig kleinere Arbeiten im Haushalt zu erledigen.

Rund 50 Millionen Menschen waren Ende 2019 von einer demenziellen Erkrankung betroffen, Tendenz steigend. Nach der Alzheimer-Demenz ist eine vaskuläre Demenz die zweithäufigste Ursache für kognitive Defizite im fortgeschrittenen Lebensalter. Häufig handelt es sich um eine Mischform aus vaskulärer und neurodegenerativer Demenz.

Der Sache mit Bildgebung und Labor auf den Grund gehen

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie empfiehlt bei einer vaskulären Beteiligung eine engmaschige Kontrolle und Einstellung der zerebro- und kardiovaskulären Risikofaktoren sowie zur Sekundärprophylaxe nach einem Insult eine Therapie mit einem Thrombozytenfunktionshemmer.

Als seltene Ursache kann hinter einer progredienten Kognitionseinschränkung, wie im Fallbeispiel, eine Polycythämia vera stecken. Umso wichtiger ist es, neu aufgetretenen kognitiven Defiziten genau auf den Grund zu gehen und sekundäre, potenziell behandelbare Ursachen mittels einer breiten Labordiagnostik und Bildgebung auszuschließen, schreiben Dr. Michael­ Kowar­ und seine Kollegen von den Johanniter-Kliniken Bonn.

* Mini-Mental-Status-Test

Quelle: Kowar M et al. Dtsch Med Wochenschr 2020; 145: 1625-1627; DOI: 10.1055/a-1219-9564