Komplexes regionales Schmerzsyndrom Komplementär-medizinische Verfahren helfen auch beim CRPS
Das komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS) tritt nach Verletzungen der Arme und Beine und nach Schlaganfällen bei etwa 10–15 % der Betroffenen auf. Zur Pathophysiologie des vor mehr als 100 Jahren erstmals von dem Chirurgen Paul Sudeck beschriebenen Syndroms gibt es auch heute nur Theorien: In der Diskussion sind eine Störung im ZNS, eine neurogene Entzündung und eine zentrale maladaptive Plastizität. Bei 90 % der Patienten mit CRPS sind keine Nerven verletzt (CRPS Typ I), bei rund 10 % liegt eine Nervenläsion vor (Typ II), schreiben Dr. Tim Gabriel und Dr. Petra Klose von der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin an den Evangelischen Kliniken Essen-Mitte.
Zu den Symptomen beim Typ I gehören anhaltende Schmerzen sowie ein breites Spektrum an sensorischen, vasomotorischen und sudomotorischen Veränderungen (siehe Kasten). Beim Typ II können durch die Nervenläsionen eine Dysästhesie sowie Hyper- und Allodynie dazukommen. Die Mehrheit der Betroffenen hat auch ein Jahr nach Beginn weiterhin Beschwerden. Insbesondere bei schwerer Ausprägung kann ein CRPS die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken und die Psyche belasten.
Vielfältige Symptome flankieren die Schmerzen
Neben spontanen und/oder hervorgerufenen Schmerzen kann es beim CRPS zu folgenden Beschwerden kommen:
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Sensibilitätsstörungen
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Veränderungen von Hautfarbe und -temperatur, Hautatrophie
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verändertes Wachstum von Haaren und Nägeln
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Ödeme
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verstärktes Schwitzen
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eingeschränkte Beweglichkeit
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Tremor, unwillkürliche Bewegungen, Muskelkrämpfe
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Muskel- und Knochenatrophie
Die S1-Leitlinie empfiehlt gegen neuropathische Schmerzen den Einsatz von Physio- bzw. Ergotherapie und Medikamenten. Bei Entzündung oder Ödembildung kommen Steroide und Bisphosphonate zum Einsatz, daneben sollen psychische Komorbiditäten evaluiert werden. Bringen diese Maßnahmen keinen Erfolg, sind Ketamindauerinfusionen, Sympathikusblockaden oder Elektrostimulation eine Option – alles allerdings bei niedriger Evidenz. Prinzipiell soll die Behandlung möglichst früh beginnen und multimodal und interdisziplinär erfolgen.
Auch die Studienlage hinsichtlich komplementärer Verfahren beim CRPS ist dünn, wie die Autoren zugeben. Jedoch lassen sich basierend auf der (vermuteten) Ätiologie und den Therapieerfolgen bei ähnlichen Störungen wissenschaftlich sinnvolle und plausible Schlüsse ziehen, welche komplementäre Verfahren auch beim CRPS erfolgversprechend sein könnten.
Zur Mind-Body-Medizin gehören Ernährungs- und Bewegungstherapien (z.B. Tai-Chi, Yoga, Qigong), Entspannungsverfahren und naturheilkundliche Selbsthilfestrategien. Bewegungstherapien und Entspannungstechniken wirken auf das parasympathische Nervensystem und tragen so zu einer Linderung von chronischen Schmerzen, Depressionen und Angst bei.
Gute Erfahrungen mit Wasseranwendungen
Aus Sicht der Autoren erscheint es daher plausibel, dass diese Verfahren auch bei CRPS wirksam sind. Qigong konnte beispielsweise in einer kleinen Untersuchung mit CRPS-Betroffenen Schmerzen und Ängstlichkeit verbessern. Gute Erfahrungen bei CRPS gibt es darüber hinaus auch mit Wasseranwendungen. Dazu gehören z.B. Handwechselbäder nach Kneipp, Whirlpool- und Unterwasserultraschallbehandlungen.
Insbesondere in der Akutphase eines CRPS treten häufig Rötungen, Schwellungen, Veränderungen der Hauttemperatur und Ödeme auf. Die Autoren schlagen daher vor, zur Behandlung Phytotherapeutika einzusetzen, die sich bei anderen Indikationen als entzündungshemmend erwiesen haben. Dazu gehören die Kurkumawurzel (Inhaltsstoff: Curcumin), echter Weihrauch und Brennnesselblätterextrakte. Eine weitere Behandlungsoption stellt Cannabis dar – wenngleich die Studienlage dazu auch widersprüchlich ist. Eine Behandlung mit 20%igem Cannabisöl kann unter ärztlicher Kontrolle jedoch versucht werden, schreiben die Autoren.
Äußerliche komplementärmedizinische Anwendungen zur Schmerzlinderung bei CRPS sind bisher wenig erforscht. Betroffene beschreiben die Wirkung einer Salbe, die 14 Kräuter enthält (u.a. Calendula, Arnika und Hamamelis) als heilsam. Auch Quarkwickel scheinen die Schmerzen zu lindern. Capsaicinhaltige Cremes und Pflaster können ebenfalls helfen. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: Die Beschwerden können sich durch das Auftragen auch verschlimmern.
In chinesischen Studien zeigten sich zudem Akupunkturbehandlungen bei CRPS wirksam, insgesamt ist dazu die Datenlage jedoch dürftig. Eine weitere Behandlungsoption ist die Neuraltherapie, d.h. die Injektion von Procain. Sie besserte in einer Studie mit 72 CRPS-Patienten bei 78 % die Schmerzen.
Vorbeugend scheint Vitamin C zu wirken: In einer aktuellen Metaanalyse verringerte die präventive Gabe von Vitamin C (500–1.000 mg/d über 40–50 Tage nach der Gelenkoperation) das Risiko für ein CRPS im Vergleich zu Placebo signifikant. Dieser Effekt beruht den Autoren zufolge vermutlich auf der Stabilisierung freier Radikale, die sonst die Membranen und die Mikrozirkulation schädigen.
Quelle: Gabriel T, Klose P. Schmerz 2023; 37: 330-335; DOI: 10.1007/s00482-023-00724-7
Caparrotta TM et al. BMJ 2023; 383: e070753; DOI: 10.1136/bmj-2022-070753