Neuer Score fürs Prostatakarzinom

Autor: Dr. Judith Lorenz

Alle notwendigen Informationen für die Berechnung des neuen Scores lassen sich mithilfe Anamnese, Biopsie und Blutprobe ermitteln. Alle notwendigen Informationen für die Berechnung des neuen Scores lassen sich mithilfe Anamnese, Biopsie und Blutprobe ermitteln. © nadia buravleva – stock.adobe.com

Ein internationales Forscherteam hat einen neuen Score für Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom entwickelt. Dieser soll helfen, die Prognose genauer zu ermitteln im Vergleich zum bisherigen Instrument des American Joint Committees on Cancer.

Bislang existierte keine international anerkannte Methode zur prätherapeutischen Abschätzung der individuellen Prognose von Patienten mit lokalisiertem Prostatakrebs. Das ändert sich nun durch die Studie der International Staging Collaboration for Cancer of the Prostate, kurz STAR-CAP. Ihr neues Modell basiert auf den vom American Joint Committee on Cancer (AJCC) erstellten Kriterien und verbessert die prädiktive Genauigkeit vorangegangener Stagingsysteme. Es fokussiert sich auf die prostatakarzinomspezifische Mortalität (PCSM).

Die Wissenschaftler um Professor Dr. Robert­ Dess­ von der University of Michigan School of Medicine in Ann Arbor entwickelten das Instrument anhand einer großen Kohorte von 19 684 Männern aus 55 Zentren in den USA, Kanada und Europa.1 Alle Patienten litten an einem nicht-metastasierten Adenokarzinom der Prostata im Stadium cT1-4 N0-1 und waren zwischen 1992 und 2013 in kurativer Intention behandelt worden. Die Forscher schlossen alle möglichen Therapiestrategien in die Analyse ein.

Nach Validierung des Prognosemodells anhand eines Subkollektivs überprüften sie das Instument in einer unabhängigen, externen Surveillance, Epidemiology, and End Results(SEER)-Kohorte. Darin eingeschlossene Männer erhielten zwischen 2010 und 2015 Active Surveillance, Watchful Waiting, radikale Prostatektomie, Radiatio oder primären Androgenentzug.

Alter, Gleason, PSA sowie TN-Klassifikation einbezogen

Die Patienten der Entwicklungs­kohorte waren im Schnitt 64 Jahre alt. Einer radikalen Prostatektomie hatten sich 12 421 Männer und einer Radiatio mit oder ohne Androgenentzugstherapie 7263 unterzogen. Das mediane Follow-up betrug 71,8 Monate, 4078 Teilnehmer (20,7 %) waren über mindestens zehn Jahre nachbeobachtet worden.

Das vorgestellte Prognosemodell basiert auf den Parametern Alter, Gleason-Grad, T-und N-Stadium, dem prätherapeutischen PSA-Wert sowie dem prozentualen Anteil positiver Prostata-Stanzbiopsien. Für jede Kovariable werden entsprechende Punkte verteilt. Daraus entwickelten die Forscher einen neunstufigen Score: 0, 1–2, 3–4, 5–6, 7–8, 9–10, 11–12, 13–16 und mindestens 17 (siehe Tabelle). Dieser repräsentiert die „neuen“ Stadien IA bis IIIC. Der niedrigste Wert von 0 ist mit einer PCSM nach zehn Jahren von 0,3 % assoziiert. Der höchste Wert von mindestens 17 geht mit einer geschätzten Zehn-Jahres-PCSM von 40 % einher.

STAR-CAP-Score
Aspekt:
Punkte:
Alter (Jahre)
0-50
51-70
≥ 71
1
0
1
Gleason-Grad
3+3
3+4
4+3
4+4, 3+5
4+5
5+3, 5+4, 5+5
0
3
5
6
7
8
Anteil an positiven Stanzbiopsien (%)
0–50 %
51–75 %
76–100 %
0
2
3
klinisches N-Stadium
N0
N1
0
8
klinisches T-Stadium
T1a–c
T2a–b
T2c, T3a
T3b, T4
0
1
2
3
PSA-Wert
0–6
7–10
11–20
21–50
51–200
0
1
2
3
4
Die Summe ergibt das Stadium:
0 Punkte: IA
1–2 Punkte: IB
3–4 Punkte: IC
5–6 Punkte: IIA
7–8 Punkte: IIB
9–10 Punkte: IIC
11–12 Punkte: IIIA
13–16 Punkte: IIIB
ab 17 Punkten: IIIC

Mit dem neuen System wurden die Erkrankten aus der achten Edition des AJCC reklassifiziert. Zum Beispiel wurden von Patienten der Validierungskohorte mit ursprünglichem AJCC-Stadium IIA nun 98 Männer dem Score entsprechend Stadium IC und 105 IIIA oder IIIB zugeordnet.

Beispielrechnung anhand des neuen Scores

Entsprechend des neuen Scores würde ein 71-jähriger Mann (1 Punkt) im Stadium cT2a (1 Punkt), N0 (0 Punkte) mit einem Gleason-Score 4+3 (5 Punkte) und 7 von 12 positiven Stanzbiopsien (2 Punkte) sowie einem PSA-Level von 9 ng/ml (1 Punkt) einen Wert von 10 Punkten erreichen. Das entspräche dem Stadium IIC. Die geschätzte prostatakrebsspezifische Mortalität nach zehn Jahren beträgt in diesem Fall 9,5 %. Ein Online-Rechner ist verfügbar unter: www.star-cap.org

Therapie und Ethnizität nicht berücksichtigt

Das neue Modell sagt die PCSM besser vorher als andere Prognoseinstrumente. Alle dafür relevanten klinischen Informationen sind in der Praxis verfügbar, betonen die Forscher. Auch im unabhängigen SEER-Datenset performte der neue Score besser. Er beantworte eine der drängendsten Fragen der Betroffenen, nämlich die nach dem tumorspezifischen Sterberisiko. Auch die Editorialisten, Professor Dr. Yaw­ Nyame­ von der University of Washington in Seattle sowie Dr. Willie Underwood­ vom Buffalo Community Center for Health Equity loben das neue Staging-Modell.2 Zwei Informationen fehlten allerdings: Die Therapiemodalität sowie die ethnische Abstammung der Patienten. Da die Behandlungsstrategien global stark variieren und sich zudem rasch verändern, befürworten die Kommentatoren jedoch die Entscheidung der STAR-CAP-Kollaboration, diesen Faktor nicht in den Score einfließen zu lassen. Dass das Instrument nicht die Ethnizität berücksichtigt, kritisieren sie dagegen: Da beispielsweise Männer afroamerikanischer Abstammung eine überproportional hohe pros­tatakarzinomspezifische Mortalität aufweisen, sollte diese Information ihrer Meinung nach in ein personalisiertes Prognosemodell aufgenommen werden.

Quellen:
1. Dess RT et al. JAMA Oncol 2020; DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.4922
2. Nyame Y et al. A.a.O.; DOI: 10.1001/jamaoncol.2020.4916