Niedrige Schmerztoleranz Patienten haben erhöhtes KHK- und Mortalitätsrisiko

Autor: Maria Weiß

Schmerzempfindlichere Menschen nehmen den Schmerz wahrscheinlich früher wahr und lassen die Symptome schneller beim Arzt abklären. (Agenturfoto) Schmerzempfindlichere Menschen nehmen den Schmerz wahrscheinlich früher wahr und lassen die Symptome schneller beim Arzt abklären. (Agenturfoto) © luismolinero – stock.adobe.com

Möglicherwiese lässt sich das Risiko eines Patienten für die koronare Herzerkrankung anhand seiner Schmerztoleranz einschätzen.

Bei einigen Patienten mit Thoraxschmerzen stellt sich die Koronarangiographie bei fehlender Stenose im Nachhinein als überflüssig heraus. Andere mit einem hohen KHK-Risiko entgehen hingegen dieser Diagnostik oder sterben an einem ersten Herzinfarkt. Wünschenswert wäre daher ein Prädiktor, mit dem sich die Notwendigkeit für Koronarangiographien sowie das Risiko für KHK und Mortalität abschätzen lassen.

Im Rahmen der prospektiven Tromsø-Studie haben ­Kristina ­Fladseth von der Abteilung für Klinische Medizin an der Arctic University of Norway in ­Tromsø und Kollegen untersucht, ob eine auffallend niedrige Schmerzschwelle möglicherweise solch ein Prädiktor sein könnte.

Bei 9.576 der Studienteilnehmer wurde zu Beginn auch der Grad der Schmerztoleranz ermittelt. Bei dem validierten Test müssen die Probanden Hand und Handgelenk möglichst lange, höchstens aber 106 Sekunden in 3 °C kaltes, strömendes Wasser halten. 32 % der Teilnehmer zogen ihre Hand vorzeitig aus dem Eiswasser, im Mittel hielten diese Probanden 46 Sekunden durch.

Definitionsgemäß hatten diese Personen eine niedrige Schmerztoleranz. Unter den Abbrechern waren mehr Frauen als Männer (39 % versus 23 %). Auch Raucher sowie Patienten mit Diabetes oder Hypercholesterinämie waren in dieser Gruppe überrepräsentiert.

Über die Nachbeobachtungszeit von gut zehn Jahren bestand bei den Teilnehmern mit niedriger Schmerzschwelle unabhängig von Alter und Geschlecht eine um 19 % höhere Wahrscheinlichkeit, dass eine Koronarangiographie angeordnet wurde. Das Risiko für eine obstruktive KHK lag bei diesen Personen um 22 % höher. Unter den Frauen, bei denen die Katheteruntersuchung durchgeführt wurde, zeigte sich bei den Schmerzempfindlichen ein 54 % höheres Risiko für eine obstruktive KHK im Vergleich zu den eher robusteren Teilnehmerinnen.

Ein Zusammenhang zwischen Schmerzempfinden und nicht-obstruktiver KHK bestand aber nicht, wie die Wissenschaftler berichten. Auch eine Verbindung zu den verschiedenen klinischen Präsentationen der Herzerkrankung (stabile oder instabile Angina pectoris, Herzinfarkt) ließ sich nicht nachweisen. Unabhängig von der KHK und anderen kardiovaskulären Risikofaktoren hatten Personen mit niedriger Schmerzschwelle generell eine um 40 % erhöhte Mortalität.

Es ist kaum überraschend, dass bei empfindlichen Menschen mehr Koronarangiographien durchgeführt werden, meinen die Autoren. Offensichtlich nehmen diese Personen entsprechende Beschwerden früher wahr und gehen eher zum Arzt. Im Unterschied dazu ist erstaunlich, dass bei den Sensibleren nicht verstärkt nicht-obstruktive Koronarbefunde vorlagen. Diese Teilnehmer waren eher durch vermehrte Ob­struktionen und die erhöhte Mortalität aufgefallen.

Quelle: Fladseth K et al. J Am Heart Assoc 2021; 10: e021291; DOI: 10.1161/JAHA.121.021291