Typ-2-Diabetes (Re)mission erfüllt
Die Pathogenese des Typ-2-Diabetes beruht auf einer genetischen Prädisposition, die in Kombination mit Umweltfaktoren im Verlauf des Lebens zu einer schrittweise zunehmenden Hyperglykämie führt, erläutern Professor Dr. Matthew Riddle von der Universität Portland und Kollegen. Bei vulnerablen Individuen können eine Schwangerschaft, die Behandlung mit Glukokortikoiden, akute Erkrankungen oder Stresssituationen eine transitorische Hyperglykämie provozieren. Nach Wegfall der die Insulinresistenz begünstigenden Konstellation – Geburt des Kindes, Ende der Steroidtherapie bzw. der zusätzlichen Belastungen – bildet sich diese dann häufig zunächst wieder zurück.
Im Frühstadium sind Chancen auf Normalisierung am besten
Auch bei einem bereits manifesten Typ-2-Diabetes kann es zu einer Besserung der Stoffwechselsituation kommen: Typischerweise ist der Blutzucker nach einem Gewichtsverlust besser kontrollierbar und manchmal kann sogar ganz auf die antidiabetische Therapie verzichtet werden. Natürlich verbessern die modernen Pharmakotherapien die metabolische Kontrolle: Die Wiederherstellung nahezu normaler Blutzuckerwerte gelingt insbesondere mit einer intensivierten Insulintherapie, aber auch mit den neueren Medikamentenklassen wie GLP1-Rezeptor-Agonisten oder SGLT2-Inhibitoren. Die größten Chancen auf eine Normalisierung der Stoffwechselsituation bestehen insgesamt im Frühstadium der Erkrankung.
In der Praxis zeigt sich, dass viele Typ-2-Diabetiker im Krankheitsverlauf eine vorübergehende oder sogar dauerhafte Besserung der Blutzuckerspiegel erleben. Um die Dynamik der glykämischen Kontrolle terminologisch zu fixieren, berief die American Diabetes Association ein internationales, multidisziplinäres Expertenteam ein, das in einem Konsensusverfahren eine Nomenklatur und Definitionen erarbeitete. Den Bericht will die Expertengruppe jedoch nicht als Therapieleitlinie verstanden wissen, sondern ihre Aussagen sollen zukünftige Datenerhebungen und -analysen erleichtern und dadurch die Basis für spätere klinische Leitlinien bilden.
Der Zustand der Verbesserung der glykämischen Kontrolle beim Typ-2-Diabetes wird nach Ansicht der Experten am besten durch den Begriff „Remission“ abgebildet. Dieser Terminus macht deutlich, dass ein Diabetes nicht in jedem Fall und auf Dauer aktiv und progredient verlaufen muss, drückt gleichzeitig aber aus, dass die Besserung der Stoffwechselsituation möglicherweise nur vorübergehender Natur ist. Zur Wahl standen außerdem Resolution, Umkehr („reversal“) und Heilung („cure“). Weiterhin beschäftigten sich die Experten mit der Frage, welcher Parameter die Diagnose „Diabetesremission“ am besten abbildet.
Grundlage ist der HbA1c-Wert über mindestens drei Monate
Den HbA1c-Wert halten sie diesbezüglich für am besten geeignet, da er einfach und zuverlässig zu bestimmen ist: Bleibt er nach Absetzen der antidiabetischen Medikation über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten unter der Grenze von 6,5 %, liegt ihrer Ansicht nach eine Remission vor.
Unter einer Behandlung mit blutzuckersenkenden Pharmaka darf die Diagnose „Diabetesremission“ nach Ansicht der Wissenschaftler dagegen keinesfalls gestellt werden, selbst wenn nahezu normale Blutzuckerspiegel gemessen werden, da eine Unabhängigkeit von der Medikation Voraussetzung für die Remission ist. Das schließt auch Medikamente mit einem solchen Effekt ein, die eventuell primär gar nicht zur Blutzuckersenkung verordnet wurden. Ist ein Absetzen der Arznei nicht möglich, ist auch die Diagnose Diabetesremission nicht möglich.
Ändern metabolische chirurgische Eingriffe oder Lebensstiländerungen die Stoffwechselsituation von Typ-2-Diabetikern, darf nach Meinung der Experten frühestens drei Monate nach Operation bzw. sechs Monate nach Beginn der Intervention von einer Remission gesprochen werden. Bei beiden Konstellationen müssen wiederum mindestens drei Monate seit dem Absetzen aller Diabetesmedikamente vergangen sein.
Abschließend mahnen die Experten: Trotz Remission des Typ-2-Diabetes müssen die Betroffenen zu regelmäßigen Stoffwechselkontrollen motiviert werden, damit Hyperglykämierezidive frühzeitig erkannt werden können. Hierzu sollte der HbA1c-Wert mindestens jährlich bestimmt werden. Auch ein Fortführen des Monitorings auf Diabeteskomplikationen (Retinopathie, Nephropathie, Neuropathie, kardiovaskuläre Erkrankungen) ist wichtig, da diese trotz Diabetesremission weiter fortschreiten können.
Quelle: Riddle MC et al. Diabetes Care 2021; DOI: 10.2337/dci21-0034