Stumme Myokardinfarkte sind genauso gefährlich wie symptomatische
Etwa ein Drittel bis die Hälfte aller akuten Herzinfarkte bleiben unerkannt und werden erst später durch charakteristische EKG-Veränderungen, durch Myokardauffälligkeiten in der Bildgebung oder im Rahmen einer postmortalen Untersuchung diagnostiziert. Insbesondere Diabetes mellitus sowie hohes Alter prädisponieren für einen stummen Infarkt. Der prognostische Nutzen eines EKG- bzw. MRT-Screenings auf stille Infarktereignisse ist allerdings umstritten, berichtet ein chinesisches Forscherteam um Dr. Yu Yang vom Department of Geriatrics am Affiliated Hospital der Guangdong Medical University in Zhanjiang.
Sie haben herausgefunden, dass ein stattgehabter, mittels EKG oder MRT des Herzens erkannter stummer Infarkt die Langzeitprognose der Betroffenen erheblich verschlechtert. Die Forscher hatten im Rahmen einer Metaanalyse 30 prospektive Kohortenstudien ausgewertet. Die Daten von mehr als 250 000 Studienteilnehmern und mehr als 1,6 Millionen Personenjahren waren in die Analyse eingeflossen.
Personen mit einem stummen Infarkt unterschieden sich bezüglich der Gesamt- und kardiovaskulären Mortalität sowie des Risikos für schwere Herz-Kreislauf-Ereignisse nicht von Patienten mit einem bekannten Infarktereignis. Ein mittels EKG diagnostizierter unerkannter Infarkt ging allerdings im Vergleich zu einem gesunden Herzmuskel mit einer um den Faktor 1,5 höheren Gesamtmortalität, einer um den Faktor 2,3 erhöhten kardiovaskulären Mortalität und einem um den Faktor 1,6 höheren Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Komplikationen einher. Dies entsprach einer absoluten Risikozunahme um 7,5, um 11,0 bzw. um 27,5 pro 1000 Personenjahre.
Ein auffälliger Kardio-MRT-Befund verschlechterte die Prognose der Betroffenen noch deutlicher: Das allgemeine Sterberisiko nahm um mehr als das Dreifache, das Herz-Kreislauf-Sterberisiko um mehr als das Zehnfache und das kardiovaskuläre Komplikationsrisiko ebenfalls um mehr als das Dreifache zu. Die entsprechenden absoluten Risikodifferenzen beliefen sich auf 32,5, 37,2 bzw. 52,0 pro 1000 Personenjahre.
Angesichts dieser Ergebnisse befürworten die Wissenschaftler ein Screening auf stumme Myokardinfarkte. Wie dieses im Einzelnen gestaltet werden sollte und welche Behandlungsoptionen bei positivem Befund zur Verfügung stehen, müsse man durch weitere Studien klären. Beispielsweise sei zu prüfen, welche Patienten von einer nachträglichen koronaren Revaskularisierung profitieren.
Quelle: Yang Y et al. BMJ 2020; 369: m1184; DOI: 10.1136/bmj.m1184