Suizid bei Senioren meist aufgrund von Depressionen

Autor: Maria Weiß

Oft stecken Erkrankungen oder Probleme hinter einem Suizid, die man eigentlich behandeln bzw. lösen könnte. Oft stecken Erkrankungen oder Probleme hinter einem Suizid, die man eigentlich behandeln bzw. lösen könnte. © iStock.com/KatarzynaBialasiewicz

Im stationären Setting gibt es oft eine hohe Selbstmordrate unter älteren Patienten. Die meisten nehmen sich jedoch nicht in der Klinik, sondern z.B. auf Wochenendausflügen das Leben.

„Man neigt schnell dazu, den Freitod eines älteren Menschen als rationalen Bilanzselbstmord anzusehen, für den der Betroffene gute Gründe hat“, sagte Professor Dr. Tillmann Supprian von der Abteilung für Gerontopsychiatrie der LVR-Klinik, Universität Düsseldorf. Seiner Erfahrung nach spielen dabei aber oftmals Not und Verzweiflung eine Rolle. Oft stecken Erkrankungen oder Probleme dahinter, die man eigentlich behandeln bzw. lösen könnte.

Einsamkeit und das Gefühl, nicht gebraucht zu werden

Um einige Risikofaktoren für Suizide im Alter weiß man recht gut Bescheid (s. Kasten). Sie reichen von psychiatrischen Störungen über körperliche Leiden bis hin zu sozialen und materiellen Konflikten. Zum Teil findet man aber auch altruistische Motive („Ich will niemandem zur Last fallen“) ebenso wie ein dysfunktionales Problemlöseverhalten. Alte Menschen sind besonders dann gefährdet, wenn sie schon früher einmal versucht haben, sich umzubringen, erklärte Prof. Supprian. Das betrifft rund jeden dritten Älteren mit Suizidversuch, im Gegensatz zu 2 % der Allgemeinbevölkerung. Jeder fünfte suizidable Hochbetagte hatte im vergangenen Jahr einen entsprechenden Versuch unternommen.

Risikofaktoren für Suizide im Alter

An erster Stelle stehen psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen oder eine beginnende Demenz, erklärte Prof. Supprian. Jedoch kann auch der Tod des Lebenspartners und die damit einhergehende soziale Isolation und Einsamkeit Ältere verzweifeln lassen. Konflikte mit den Kindern erhöhen das Risiko ebenso wie die Diagnose einer vital bedrohenden Krankheit oder chronische Schmerzen. Nicht zu vernachlässigen sind zudem materielle Faktoren wie Schulden, eine zu kleine Rente oder der Verlust der Wohnung.

Die heutige Gesellschaft trägt nach Meinung des Kollegen viel zur Suizidgefährdung dieser Gruppe bei. Dazu gehören veränderte Familienstrukturen mit immer mehr Singlehaushalten genauso wie das Gefühl der Älteren, nicht gebraucht zu werden. Vielleicht spielt auch die Stigmatisierung in der stationären Pflege eine Rolle.

40 % erhängten sich und 21 % sprangen

Unabhängig vom Alter überwiegen vollendete Suizide bei den Männern. Was die Wahl der Freitodmethode angeht, werden „aggressivere“ Techniken zunehmend bei Frauen registriert, sagte der Psychiater. Die zahlreichen „stillen Suizide“ tauchen in den Statistiken jedoch überhaupt nicht auf, wenn Betroffene etwa Nahrung und Trinken ablehnen oder auf eine ärztliche Behandlung verzichten. Das stellt vor allem in Pflegeeinrichtungen eine große Herausforderung dar. Abschließend berichtete Prof. Supprian von einer Untersuchung in der eigenen Klinik. Es wurden 103 Selbstmorde von über 65-Jährigen aus den Jahren 2005–2014 ausgewertet. Die meisten waren zwischen 65–75 Jahre alt, bei Hochbetagten über 90 kommen Suizide extrem selten vor. Mit 78,6 % standen Depressionen als Hauptdiagnose mit Abstand an erster Stelle. Was auffiel, war, dass sich ein Großteil nicht in der Klinik umbrachte, sondern z.B. während Wochenendfreigängen. Etwa 40 % erhängten sich, 21 % sprangen aus großer Höhe, 16 % ertränkten sich und fast jeder Zehnte warf sich vor einen Zug. Die hohe Rate an Wochenendsuiziden im stationären Setting mache deutlich, dass die Betreuung älterer Patienten nicht einfach an der Stationstür aufhören darf, warnte der Psychiater. So kann es sinnvoll sein, das „therapeutische Bündnis“ vor der Entlassung ins Wochenende noch einmal zu erneuern.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Kongress 2018

 


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