Was tun bei degenerativer zervikaler Spondylose?
Der Begriff degenerative zervikale Spondylose beschreibt verschleißbedingte, funktionsmindernde Veränderungen an Bandscheiben, Facettengelenken und spinalen Ligamenten. Die Degeneration der Halswirbelsäule kann jedoch auch inflammatorische Komponenten aufweisen, schreibt Dr. Nicholas Theodore von der Johns Hopkins School of Medicine, Baltimore. Das Krankheitsbild geht mit Nackenschmerzen, Kompression und Inflammation von Nervenwurzeln (bei der zervikalen Radikulopathie) sowie mit Kompression und Inflammation des Rückenmarks (bei der zervikalen Myelopathie) einher.
Degenerative Veränderungen bei quasi allen Ü-50-Jährigen
Typisch für die degenerative zervikale Spondylose sind die Nackenschmerzen, die in Arme, Kopf, Thorax oder Rücken ausstrahlen können. Bewegung verstärkt den Schmerz häufig, in Ruhe lässt er nach. Oft fällt es den Patienten schwer, den Ursprung der Schmerzen genau anzugeben. Hinzu kommt, dass Nackenschmerzen ein Symptom sind, das ganz unterschiedliche Ursachen haben kann.
Eine zervikale Radikulopathie bei Spondylose wird durch mechanische Kompression und Inflammation verursacht, wobei meist die Nervenwurzeln C6 oder C7 betroffen sind. Die Kompression kann akut, etwa durch einen Bandscheibenvorfall, auftreten oder chronisch bestehen, z.B. infolge hypertrophierter Facettengelenke. Häufigstes Symptom einer zervikalen degenerativen Radikulopathie sind Schmerzen, die von der Schulter oder dem oberen Rücken in den proximalen Arm ausstrahlen. Schmerzhafte Nackenverspannungen können hinzukommen, ebenso Parästhesien, Taubheitsgefühle und Muskelschwäche. Ein verminderter Bizepssehnenreflex weist auf eine C6-Nervenkompression hin, bei einem reduzierten Trizepssehnenreflex ist C7 betroffen.
Die seltenste, aber gravierendste Manifestation einer degenerativen zervikalen Spondylose ist die zervikale Myelopathie. Sie ist durch mechanische Kompression bedingt und geht mit Inflammation und Ödem des Rückenmarks einher. Es kommt zu einer langsam fortschreitenden Verschlechterung neurologischer Funktionen, beispielsweise zu einem Verlust der manuellen Geschicklichkeit oder zu Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Weitere mögliche Veränderungen sind sensible Ausfälle in Händen oder Füßen, Schwäche der oberen Extremität sowie Blasenstörungen. Darüber hinaus klagen Myelopathiepatienten fast immer über Nackenschmerzen und Nackensteife. Einige Betroffene zeigen das Lhermitte-Zeichen, ein elektrisierendes Gefühl im Rücken oder in den Schultern, wenn der Kopf nach vorne gebeugt wird.
Wie viel Diagnostik ist erforderlich, wenn ein Patient über Nackenschmerzen klagt? Praktisch jeder jenseits des 50. Lebensjahres weist in der Bildgebung degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule auf, wobei viele dieser Befunde unspezifisch sind. Daher werden bildgebende Untersuchungen bei Personen, die sich erstmals mit nicht-traumatischen Nackenschmerzen ohne neurologische Auffälligkeiten und ohne Alarmsymptome wie Fieber, Nachtschweiß oder Malignom in der Vorgeschichte vorstellen, in der Regel nicht empfohlen.
Kernspin bei progredienten neurologischen Störungen
Patienten mit persistierenden Schmerzen in Nacken, Schultern oder Armen, bei denen eine Radikulopathie vermutet wird, können initial eine Röntgenuntersuchung erhalten. Neben der anterior-posterioren und einer Seitenansicht empfiehlt sich auch eine Schrägaufnahme der Halswirbelsäule, eventuell auch weitere Bilder. Wenn der Betroffene progrediente neurologische Störungen oder andere Auffälligkeiten zeigt, die für eine Myelopathie sprechen, sollte eine MRT der Halswirbelsäule ohne Kontrastmittel durchgeführt werden, um Knochen, Weichteile und Rückenmark beurteilen zu können.
Patienten mit degenerativen Nackenschmerzen ohne neurologische Auffälligkeiten werden konservativ mit Analgetika, physikalischer Therapie u.a. behandelt. Bei manchen Patienten ohne Zeichen einer Nervenkompression nehmen die Schmerzen zu oder werden chronisch. Einige von ihnen profitieren dann von der Überweisung an einen Schmerzspezialisten. Anderen hilft es, wenn psychische Begleiterkrankungen wie Angst und Depression behandelt werden.
Viele Betroffene mit zervikaler Radikulopathie zeigen unter nicht-operativen Maßnahmen eine Besserung von Schmerzen und neurologischer Funktion. Zum Einsatz kommen u.a. orale Analgetika, epidurale Injektionen von Glukokortikoiden und physikalische Therapie. Patienten mit klinisch signifikanter Muskelschwäche oder zunehmender neurologischer Symptomatik sollten einem Chirurgen vorgestellt werden. Die Operationsergebnisse sind oft gut, wenn sich die Ursache der Nervenkompression finden lässt, z.B. ein Bandscheibenvorfall. Patienten mit degenerativer zervikaler Myelopathie werden im Allgemeinen an einen Wirbelsäulenchirurgen überwiesen.
Quelle: Theodore N. N Engl J Med 2020; 383: 159-168; DOI: 10.1056/NEJMra2003558