Drittes Digitalisierungsgesetz: Vermittelt KV bald Televisiten?
Mit dem Kabinettsentwurf des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG), das Mitte 2020 in Kraft treten soll, verspricht Spahn den Leistungserbringern, ihnen hunderte Millionen Euro Bürokratiekosten zu ersparen. Denn die nach der Datenschutz-Grundverordnung notwendige Datenschutz-Folgenabschätzung für die Verarbeitung personenbezogener Daten in Komponenten der dezentralen Telematik-Infrastruktur (TI), wie Konnektoren und Kartenlesegeräte, übernimmt der Gesetzgeber.
Zukunftskonnektor plus digitale Identitäten
Insoweit entfalle die Pflicht zur Benennung eines Datenschutzbeauftragten. Die KBV hatte diese Ankündigung schon bei der Vorlage des BMG-Referentenentwurfs begrüßt.
Die gematik hat einen sicheren, wirtschaftlichen und bedarfsgerechten „Zukunftskonnektor (-Dienst)“ als stationären wie mobilen TI-Zugang zu entwickeln. Das soll z.B. ambulanten Pflegediensten helfen, TI-Anwendungen am jeweiligen Einsatzort zu nutzen.
Zu den Übermittlungsverfahren zwischen Versicherten, Leistungserbringern und Kostenträgern zählen künftig neben E-Mail Videokommunikation und Messagingdienst.
„Versicherte und Leistungserbringer erhalten ab 2023 digitale Identitäten, um sich z.B. für eine Videosprechstunde sicher zu authentifizieren“, kündigt das BMG an.
Die KBV wird beauftragt, ein bundesweites Vermittlungsportal aufzubauen, in dem Versicherte Videosprechstundentermine buchen können. Damit wird die von der Terminservicestelle (116 117) inner- und außerhalb der Sprechstundenzeiten vorgenommene Vermittlung von Arztterminen um telemedizinische Angebote erweitert, heißt es in der Gesetzesbegründung. Die KVen stellen der KBV die Daten über freiwillig gemeldete, verfügbare Videosprechstunden bereit.
Mehr Televisiten – aber mit Grenzen beim Honorar
Auch kassenärztlicher Bereitschaftsdienst, Heilmittelerbringer und Hebammen können telemedizinisch aktiv werden. Aufgabe des G-BA ist es, auf Dauer das Feststellen einer AU per ausschließlicher Fernbehandlung zu ermöglichen.
Der Bewertungsausschuss hat im EBM die per Televisite erbrachte Hilfe auf 30 % der jeweiligen Leistungen des Arztes zu begrenzen. Auch die Anzahl der abrechenbaren Behandlungsfälle, die ausschließlich per Videosprechstunde betreut werden, wird auf 30 % pro Quartal limitiert.
Die künftig kontaktlos einlesbare elektronische Gesundheitskarte soll nur noch als Versicherungsnachweis und nicht mehr als Datenspeicher dienen. Die Notfalldaten werden zu einer elektronischen Patientenkurzakte weiterentwickelt und der elektronische Medikationsplan wird in eine TI-Anwendung überführt.
Die Verordnung per E-Rezept wird auf die häuslichen Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege, Soziotherapie, Heil- und Hilfsmittel, Betäubungsmittel und weitere verschreibungspflichtige Arzneimittel ausgedehnt. Dementsprechend sind künftig z.B. auch Pflegedienste sowie Heil- und Hilfsmittelerbringer zum Anschluss an die TI verpflichtet.
Bei der gematik wird eine Koordinierungsstelle für Interoperabilität im Gesundheitswesen eingerichtet, die Empfehlungen für Standards und Profile sowie Leitfäden herausgibt.
Das BMG will das von ihm im Internet betriebene (und von Google bei Suchen privilegiert angezeigte) „Nationale Gesundheitsportal“ um eine zentrale Vertragsarztsuche erweitern. Die Angaben zu den Ärzten haben die KBV bzw. KZBV zu liefern.
Inzwischen können Vertragsärzte zehn digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) auf Kassenkosten verordnen. Für 50 weitere Apps läuft laut Spahn das Prüfverfahren. Mit Blick auf die Kritik der Krankenkassen an den DiGA-Preisen und unzureichendem Nutzen-Nachweis spricht er von einer „Lernphase“, in der man sich noch befinde.
Digitale Anwendungen mit der E-Patientenakte verknüpfen
Heilmittelerbringern und Hebammen werden künftig auch Leistungen vergütet, die sie im Zusammenhang mit DiGAs erbringen. Versicherte sollen Daten aus solchen Programmen komfortabel in ihre elektronische Patientenakte einstellen können. Es wird ein verpflichtendes Zertifikat für die Informationssicherheit eingeführt und die Erprobungszeit von Apps flexibilisiert.
Mit dem DVPMG werden digitale Helfer auf mobilen Endgeräten oder als browserbasierte Webprogramm auch im Bereich der Pflege (DiPA) eingeführt. Als Beispiele nennt das BMG die Sturzrisikoprävention, personalisierte Gedächtnisspiele für Menschen mit Demenz oder Anwendungen für eine verbesserte Kommunikation mit Angehörigen und Pflegefachkräften.
Medical-Tribune-Bericht