Pflegehilfsmittel Pflegehilfsmittel erleichtern Leben und Pflege zu Hause

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia

Perspektivisch werden technische Pflegehilfsmittel wie Heimdialysegeräte, High-Tech-Toiletten und sensorbetriebene Alarmsysteme Standard im Zuhause pflegebedürftiger Menschen. Perspektivisch werden technische Pflegehilfsmittel wie Heimdialysegeräte, High-Tech-Toiletten und sensorbetriebene Alarmsysteme Standard im Zuhause pflegebedürftiger Menschen. © Kolbeck, ukb

Das BG-Unfallkrankenhaus Berlin ist spezialisiert auf die Versorgung schwerster Verletzungen. Auch die Rehabilitation ist ein wichtiges Standbein. Nachgedacht wird zudem darüber, wie für Menschen mit Behinderungen das Leben erleichtert werden kann. Einblicke gibt das „Haus der Zukunft“. Jeder kann kommen und sich informieren.

Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf im Osten der Hauptstadt ist vor allem bekannt für seine Plattenbauten als Erbe des Sozialismus. Für Bekanntheit sorgten in den letzten Jahren auch die Gärten der Welt. Ab und an liest man zudem von einem weiteren Leuchtturmprojekt im Bezirk: dem berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Berlin (ukb). Behandelt wurden hier u.a. der italienische Rennfahrer Alessandro Zanardi, Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble und Olympiasiegerin Kristina Vogel. 

Solche Hilfsmittel werden künftig Standard sein

Im Laufe der Jahrzehnte entstand aus dem Krankenhaus ein Campus mit weiteren Kliniken für Augenheilkunde, Akut­geriatrie und Psychosomatik, rund 30 Arztpraxen und rund 3000 Arbeitsplätzen.

Das neueste Gebäude im Areal ist das „Haus der Zukunft“ mit dem Smart Living and Health Center (SLHC). Metallisch gelb leuchtend markiert es Interessenten den Weg. Zur Zielgruppe gehören in erster Linie Patienten und Angehörige, aber auch Ärzte. Letztlich ist jeder eingeladen, sich dort über moderne Hilfen in der Wohnung zu informieren. SLHC-Geschäftsführer Christian Gräff sagt, es sei ein „einzigartiger Ort in Deutschland entstanden, an dem Beratungsangebote für ein selbstbestimmtes Leben mit Lösungen für den Alltag in den eigenen vier Wänden kombiniert werden können“. 

Man wolle zeigen, was machbar und in unterschiedlichen Preisklassen erhältlich sei: von der einfachen LED-Lichtleiste mit Bewegungsmelder aus dem Baumarkt bis zu High-End-Produkten, wie Wasch- und Toilettenbecken, die hoch- und runtergefahren werden können oder sich automatisch der Nutzerhöhe anpassen. Zu sehen ist der Lift in der Dusche sowie die deckenhohe Luftdusche an der Wand für Menschen, die sich nicht mehr alleine abtrocknen können. Ebenso das Pflegebett, das nicht nur in der Höhe, sondern auch in vielen Ebenen verstellbar ist – so erhält der Patient die Möglichkeit, fast stehend das Bett zu verlassen. Blinde oder sehschwache Menschen können von einem Chip in der Kleidung profitieren, der über eine Verbindung zu einem Lautsprecher verkündet, um welche Farbe oder Größe es sich handelt.

Gräff geht davon aus, dass solche Hilfsmittel künftig Standard sein werden. Einmal für den Nutzer individuell programmiert – vom Hersteller oder eventuell durch einen über die Pflegeversicherung finanzierten Dienstleister – könnten sie den Menschen die Selbstständigkeit erleichtern bzw. sogar erst ermög­lichen. Das betrifft auch die Dialyse zu Hause mit Geräten wie dort gezeigt. „Zwei Anbieter gibt es zurzeit in Deutschland“, berichtet Gräff. 

Die Ausstellung im 5,4 Millionen Euro teuren Haus lebt von der Ko­operation mit Medizinprodukteherstellern, die sich neben der Präsentation der Hilfsmittel auch Hinweise zur Weiterentwicklung derselben erhoffen. 1,4 Mio. Euro steuerte der Bezirk bei, 700 000 Euro die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Nachgebildet sind Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und Küche. Genau genommen sind es zwei Bäder, ein größeres „für die Villa“, wie Gräff erklärt, und ein kleines wie im Bezirk eher Standard. 

Nebenan berät die AOK zu den rechtlichen Details

Er zeigt auf den PVC-Belag am Badboden. Den brauche man nur noch mit Wasser abwaschen, nicht mit extra Reinigungsmittel. Trotzdem könnten sich keine Viren oder Bakterien absetzen. Der Nassbereich sei ja in jedem Pflegeheim, aber auch zu Hause ein großes Thema. Einen solchen Belag könne man auf Fliesen kleben und auch wieder ablösen. Es gebe ihn in diversen Designs, er sei nicht teurer als anderer Belag und man müsse vor dem Anbringen nicht den Vermieter fragen.

Jeder Raum ist mit Sensoren ausgestattet, die z.B. erkennen, ob der Bewohner gestürzt ist und Hilfe benötigt oder ob die Körpertemperatur des Bewohners bedrohlich sinkt oder steigt. Künstliche Intelligenz unterscheidet hierbei zwischen Mensch und Tier. Zu sehen sind Video- und Soundsysteme sowie der bekannte rote Knopf zum Auslösen des Hausnotrufs. Angebunden sind die Systeme an die jeweiligen Dienstleister. Bei Bedarf werden Angehörige, Pflegedienst oder Rettungsstelle schnell, z.B. per SMS, informiert.

Notfalltraining mit Videoanalyse

Im Haus der Zukunft gibt es auch ein Zentrum für Notfalltraining mit drei großen Simulationsräumen. Junge und gestandene Notfall- und Intensivmediziner proben hier im Behandlungsteam den Ernstfall, videoüberwacht mit gemeinsamer Auswertung danach. Auch Hausärzte haben ihr Wissen für das Handeln in Notfallsituationen schon aufgefrischt. Grundsätzlich steht das Angebot aber allen Ärzten offen. „Warum also nicht statt des Ausflugs auf den Pferdehof einmal einen Tag mit dem Team bei uns verbringen?“, meint einladend ukb-Pressesprecherin Angela Kijewski.

Registriert und ausgewertet werden können auch Vitalwerte wie Blutdruck oder Glukose im Urin. So werden die beim Toilettengang automatisch gemessene Werte am Spiegel angezeigt. „Dann wissen Sie beim Zähneputzen, was Sie zum Frühstück essen können“, sagt Gräff. Auch hier werden kritische Werte erfasst und an Arzt oder Pflege weitergeleitet. ukb-Pressesprecherin Angela Kijewski verweist darauf, dass sich damit Drehtüreffekte vermeiden lassen, wenn eben im Bedarfsfall der Hausarzt und nicht gleich der Rettungsdienst anrückt. In der Küche zeigt der Geschäftsführer, wie sich der Inhalt des Oberschranks nach unten ziehen und leicht wieder nach oben schieben lässt, ein Vorteil u.a. für Rollstuhlfahrer. Erstaunlich ist auch, wie viele Besteckvarianten es für Menschen mit Handbehinderungen gibt. „80 % von dem Gezeigten ist schon heute Kassenleistung, 20 % sind Innovationen“, sagt Gräff. Mit dem Haus der Zukunft wolle man zeigen, was es gebe und wie einfach vieles zu bedienen sei. Im Pflegestützpunkt der AOK nebenan kann man sich über die gesetzlichen Regelungen informieren lassen.   Prominente Gäste im Juni waren Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller. „Die Eröffnung des Hauses der Zukunft rundet den zwanzigjährigen Aufbau des ukb-Gesundheitscampus ab“, zeigte sich Professor Dr. Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor und Geschäftsführer des ukb, zufrieden.

Medical-Tribune-Bericht

Christian Gräff, Geschäftsführer Smart Living and Health Center Christian Gräff, Geschäftsführer Smart Living and Health Center © Christian Gräff