Praxiskolumne Von alten Hüten und neuen Wegen

Kolumnen Autor: Dr. Frauke Gehring

So ein Umzug ist genau das Richtige, um sich von der Tristesse des nächsten Coronawinters abzulenken. So ein Umzug ist genau das Richtige, um sich von der Tristesse des nächsten Coronawinters abzulenken. © iStock/porcorex

Für unsere Kolumnistin ist der Ausblick auf den nächsten Coronawinter nicht nur finster – dank Praxisumzug wird sie bald am Meer behandeln, wenn’s auch nur auf einer Fototapete abgedruckt ist.

Natürlich will ich gerne über Corona schreiben, denn das ist ja das Thema, das uns maßgeblich umtreibt, das uns immens viel Zeit und Nerven kostet und für dessen Bewältigung die psychotherapeutische Maßnahme des Kolumnenschreibens eine gewissen Hilfe ist. Aber ich denke, dass meinen geneigten Leserinnen und Lesern das Thema langsam zum Halse heraushängt. Darum nun das Plus und Minus meines heutigen Praxistages.

Minus: Eine junge Altenpflegerin, die sich endlich zur Impfung entschieden hatte, hat ihren Termin heute geschwänzt. Wir konnten das Serum zwar einem glücklichen Nachrücker verabreichen, aber sauer bin ich trotzdem. Wie kann man in diesem Beruf ungeimpft bleiben?! Plus: Beim Kaffee las ich, dass das Impfhonorar auf 28 € steigen soll und dass am Wochenende noch ein weiterer Aufschlag geplant ist. Gut so! Wenn ich bedenke, dass ich im Impfzentrum mit 170 €/Stunde fürstlichst honoriert wurde, ist dies ein längst fälliger Schritt. Umso besser, weil wir gerade seufzend festgestellt haben, dass wir nun auch noch am Wochenende impfen werden müssen, um alle zu versorgen. 

Doch jetzt Schluss mit dem Thema. Wir haben nämlich neben Corona-Trouble auch noch eine randvolle Sprechstunde und ein großes Projekt: Wir ziehen um! Nach zwei Jahren Bauzeit wird unsere neue Praxis im Dezember bezugsfähig sein, und dann werden wir eben noch mal einen Umzug stemmen (und wahrscheinlich vergessen, das Telefon umzumelden oder einen Kühlschrank zu bestellen). Von unseren mittlerweile doch arg mitgenommenen Räumen, die wir zwar regelmäßig gestrichen, die der Vermieter aber reichlich vernachlässigt hat, geht es in einen hellen und modernen Neubau.

Wie ich mich freue! Die Vorstellung von vernünftig isolierten Räumen, in denen man nicht im Winter friert und im Sommer einen Hitzschlag erleidet, beflügelt mich. Eine bessere Raumaufteilung, große Fenster, sogar ein Balkon hinter der Rezeption und ein geräumiges Wartezimmer werden die Arbeitsqualität deutlich steigern. Und die Fototapete mit Meer und Strand in meinem Sprechzimmer gefällt mir so gut, dass ich am liebsten schon auf der Baustelle praktizieren würde. 

Als „Finanzwart“ unserer Praxis zittere ich zwar vor der höheren Miete, aber das ist eine gute Investition in höhere Lebensqualität. Auch denke ich, dass attraktive Räume neue PatientInnen anziehen werden und dass ich irgendwann auch leichter eine Nachfolgerin finde, wenn sie nicht in einem verwohnten Nachkriegsbau praktizieren muss. Meiner Kollegin, die das Gebäude zusammen mit unserem Apotheker errichtet hat, zolle ich allerhöchs­ten Respekt: Sie musste sich neben dem aufreibenden Praxisalltag auch noch mit dem üblichen Bauärger, Corona-Zwangspausen und dem ganz normalen Planungswahnsinn auseinandersetzen. 

Jetzt aber sind wir im Endspurt. „Nur“ noch tausend Kleinigkeiten und der Umzug kurz vor Weihnachten, zwischendurch noch Hunderte von Behandlungen und ebenso viele Impfungen. Gut, dass wir jung und voller Schwung sind, oder das jedenfalls von uns denken! Meine PatientInnen glauben das von mir anscheinend nicht unbedingt, denn einige fragen mich tatsächlich: „Gehen Sie denn noch mit in die neue Praxis?“ Ich bin dann immer ein kleines bisschen beleidigt, denn ich bin zwar schon ein älteres Modell, aber eigentlich noch recht kernig. „Natürlich!“, antworte ich dann. „Ich möchte endlich mal am Meer praktizieren … Selbst wenn das nur auf einer Fototapete ist!“