Kommentar Wie nutzt die Ampel ihre Restlaufzeit?
Bis zum Jahresende könnte das Minus aufgrund der starken Ausgabendynamik bei 3,5 Mrd. Euro landen, schätzt die DAK-Gesundheit. Dabei haben die Kassen erst zum Jahresanfang – und etliche auch zur Jahresmitte – die Beiträge angehoben. Auch die PKV gibt deutlich mehr aus.
Selbst der Bundesgesundheitsminister stimmt die Versicherten und Arbeitgeber allmählich auf weiter steigende Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung ein. Die Legislaturperiode der Ampel wird als diejenige mit den höchsten Beitragssatzzuwächsen zu Ende gehen. Das hängt tendenziell mit der Demografie (Baby-Boomer) und der Wirtschaftsflaute zusammen. SPD-Minister Prof. Karl Lauterbach führt allerdings auch die Politik seines Vorgängers Jens Spahn (CDU) fort: In flotter Folge Gesetze auflegen, die zusätzliches Geld kosten. Prof. Lauterbach erklärt das mit dem Auflösen eines „Reformstaus“, bei dem jetzt leider teure Investitionen – insbesondere im Kliniksektor – fällig werden. Auf die erwünschte Wirkung darf man hoffen. Viele warnen eher vor den Folgen.
Zu den Versprechen der sog. Fortschrittskoalition gehören „keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen“ (so der Kanzler) und „keine neuen Steuern“ (so die FDP). Wie soll das funktionieren, wenn zudem höhere Schulden tabu sind? Der Etatentwurf der Ampel für 2025 signalisiert jedenfalls keine zusätzliche Unterstützung für Gesundheit und Pflege; er sieht für das BMG ähnliche Ausgaben wie 2024 vor.
Gesundheitspolitik dient der Daseinsvorsorge und sichert den sozialen Frieden. Sie ist auch Industriepolitik, wie die Gesetzgebung zu kostspieligen oder fehlenden Arzneimitteln zeigt. Und sie verteilt um. Die Ampel wird ihre Restlaufzeit wohl nutzen, um noch möglichst viele Novellierungen anzustoßen. Trotz wachsender innerer wie äußerer Widerstände. Ob es den Heilberufen in dieser Lage gelingen wird, ausreichend Gehör für ihre Sorgen um Existenz- und Nachwuchssicherung zu finden? Kassenseitig erschallt schon der Ruf nach einem Ausgabenmoratorium – dem großen Budgetdeckel.
Michael Reischmann
Ressortleiter Gesundheitspolitik