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Abwehrzellen im gliomnahen Knochenmark bekämpfen den Tumor

Welche Entdeckung haben Sie und Ihr Team am Westdeutschen Tumorzentrum Essen gemacht?
Prof. Dr. Björn Scheffler: Wir haben Patient:innen untersucht, die an einem Glioblastom erkrankt sind. Dabei konnten wir beobachten, dass hochpotente Immunzellen, u.a. reife zytotoxische T-Lymphozyten, versuchen, den Tumor zu bekämpfen. Überraschenderweise tun sie dies von umschriebenen Inseln aus, die sich außerhalb des Tumors befinden– im benachbarten Knochenmark des Schädelknochens. Es ist beeindruckend zu sehen, wie der menschliche Körper versucht, Krebs zu bekämpfen. Direkt vor unseren Augen, aber im Prinzip versteckt.
Wie wird der Fund bisherige Behandlungskonzepte beeinflussen?
Prof. Scheffler: Unsere Beobachtung könnte die aktuellen Standards der Behandlung wesentlich beeinflussen. Im ersten Schritt erfolgt bisher immer der chirurgische Zugriff zur Diagnose und Entfernung des Hirntumors – stets durch den Schädelknochen, was die Inseln hochpotenter Immunzellen im lokalen Knochenmark allerdings womöglich schädigt. Diese Areale sollten zukünftig möglichst erhalten bleiben. Zusätzlich birgt unser Fund ein hohes therapeutisches Potenzial, wenn es gelänge, das lokale Knochenmark und die darin befindlichen Antitumor-Immunzellen gezielt von außen zu unterstützen.
Lassen sich die Immunzellen selbst eventuell therapeutisch nutzen?
Prof. Scheffler: Die Idee liegt sogar sehr nahe. Die Immunzellen sind fit und vermehrbar – und sie finden sich angereichert an einem Ort, zu dem wir in der Routinebehandlung bereits direkt Zugang haben. Aus dem Knochen entnommene Zellen könnten zukünftig zum Beispiel außerhalb des Körpers vermehrt und für zelltherapeutische Zwecke oder zur Verbesserung von Tumorimpfungen verwendet werden.
Welche konkreten Therapieansätze können Sie sich vorstellen?
Prof. Scheffler: Zum einen könnten neoadjuvante Immuntherapien mit Checkpoint-Inhibitoren die Anti-Tumor-Aktivität verbessern. Auch CAR-T- oder TIL-Therapien wären denkbar.
Welche nächsten Schritte planen Sie jetzt?
Prof. Scheffler: Wir versuchen Wege zu finden, die Inseln im lokalen Knochenmark und die darin befindlichen Immunzellen gezielt zu beeinflussen. Dafür entwickeln wir Gerätschaften, um ihre Aktivität zu überwachen. Und wir bereiten klinische Studien vor, um das Ansprechverhalten des Tumorgewebes unter einer Immuntherapie zu messen.
Interview: Wiebke Gaaz
Quelle:
Dobersalske C et al. Nature Medicine 2024; DOI: 10.1038/s41591-024-03152-x
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