
Glioblastom: Mit elektrischen Feldern Überlebenszeit verlängern?

Tumor-treating fields (TTFields) sind eine anti-mitotisch wirksame Behandlungsmethode. Über Elektroden auf der Kopfhaut werden relativ schwache elektrische Wechselfelder einer mittleren Frequenz von 200 kHz angewendet, die selektiv sich teilende Glioblastom-Zellen in ihrer mitotischen Aktivität beeinträchtigen. Sie bringen in Zellen, die sich rasch teilen, die Mitose zum Stillstand und treiben sie so in die Apoptose.
In präklinischen Experimenten war eine Erhöhung der Sensibilität im Vergleich zu einer Chemotherapie festzustellen und in einer Phase-III-Studie konnte bei Patienten mit rezidiviertem Glioblastom zwar nicht das Überleben verlängert, aber die Ansprechrate erhöht werden. Das war Anlass, die Methode in einer größeren randomisierten Studie bei Glioblastom-Patienten weltweit zu erproben, die operiert und nach dem EORTC-Protokoll mit Radiotherapie und Temozolomid behandelt worden waren.
Die 695 Patienten, median 56 Jahre alt, wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert. Sie erhielten zusätzlich zur Temozolomid-Erhaltungstherapie (6–12 vierwöchige Zyklen) über mindestens 18 Stunden am Tag eine TTFields-Behandlung bzw. nur die Chemotherapie. Nachdem bereits eine Interimsanalyse der ersten 315 Patienten eine Verlängerung von progressionsfreiem (primärer Endpunkt) und Gesamtüberleben (sekundärer Endpunkt) angedeutet hatte, präsentieren die Autoren unter Führung von Dr. Roger Stupp, Northwestern Medical Group, Chicago, nun die finale Auswertung mit mindestens 24 Monaten und median 40 Monaten Follow-up.
637 Patienten (92 %) beendeten die Therapie protokollgemäß, aber die Analysen wurden in der Intention-to-treat-Population, d.h. bei allen 695 teilnehmenden Patienten, durchgeführt.
Keine Zunahme systemischer Nebenwirkungen
Demnach konnte die elektrische Behandlung das progressionsfreie Überleben von median 4,0 auf 6,7 Monate verlängern, was einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um mehr als ein Drittel entspricht (Hazard Ratio 0,63; p < 0,001). Genauso groß war die Abnahme des Mortalitätsrisikos mit einer Verlängerung des Überlebens von median 16,0 auf 20,9 Monate (HR 0,63; p < 0,001). Die Prozedur war mit keiner Zunahme systemischer Nebenwirkungen verbunden (48 % im Verum- vs. 44 % im Kontrollarm), der einzige Unterschied bestand in leichten bis mäßigen Hautreaktionen, die bei 52 % der Patienten im Verumarm unter den Elektroden-Arrays auf der Kopfhaut auftraten.
Ein Schwachpunkt der Studie ist das Fehlen eines Placebos. Es wurde aber als nicht praktikabel und als ethisch nicht vertretbar angesehen, die Kontroll-Patienten mit Scheinelektroden auszustatten, zumal die mit der Behandlung einhergehende Wärmeentwicklung eine Verblindung praktisch unmöglich gemacht hätte. Es sei aber unwahrscheinlich, so die Studienautoren, dass die fehlende Verblindung von Patienten und behandelnden Ärzten mit einem substanziellen Placeboeffekt einherging, insbesondere weil Progressionen durch eine verblindete zentrale Auswertung der radiologischen Bilder diagnostiziert wurden.
Ein Nachteil dieser Therapiemodalität könnte sein, dass die Patienten nahezu kontinuierlich die Elektrodenarrays auf der kahl rasierten Kopfhaut tragen müssen. Die Daten zur Lebensqualität sind zwar noch nicht ausgewertet, aber die Tatsache, dass drei Viertel der Patienten die Vorrichtung über mindestens 18 Stunden pro Tag (also drei Viertel der Zeit) getragen haben, deutet auf eine gute Verträglichkeit hin.
Quelle: Stupp R et al. J Am Med Ass 2017; 318: 2306-2316
Kritik der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Einige Fragen sind noch ungeklärt
- In der Studie nicht erfasst wurden mögliche psychische Belastungen. Diese könnten dadurch entstehen, dass die Patienten die Hauben mit Kabelstrang mindestens 18 Stunden täglich auf dem Kopf tragen müssen.
- Eine „echte Kontrollgruppe“ gab es in der Studie nicht, so Prof. Wick. Gleichzeitig habe es häufige Kontakte der Patienten mit medizinisch-technischen Firmenvertretern gegeben. „Viele Kollegen [...] halten es für möglich, dass nicht die Methode selbst, sondern die zusätzliche Betreuung in der Studie die Unterschiede in der Überlebensdauer erklären könnte“, so Professor Dr. Uwe Schlegel, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum.
- Zwar sehe man in der TTF-Therapie Potenzial und diese sei möglicherweise eine sinnvolle Behandlungsergänzung. Für eine abschließende Bewertung sei aber eine vom Gerätehersteller unabhängige Studie notwendig, so Prof. Schlegel.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
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