Glioblastom: Mit elektrischen Feldern Überlebenszeit verlängern?

Josef Gulden/Jochen Schlabing

Glioblastome sind die häufigsten primären Hirntumoren. Das progessionsfreie Überleben liegt bei median ca. einem halben Jahr, das Gesamtüberleben etwa eineinhalb Jahren. Glioblastome sind die häufigsten primären Hirntumoren. Das progessionsfreie Überleben liegt bei median ca. einem halben Jahr, das Gesamtüberleben etwa eineinhalb Jahren. © wikimedia/Sbrandner - Eigenes Werk, GFDL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3305017

Die Therapie des Glioblastoma multiforme hat sich seit der EORTC-Studie zur postoperativen Radiochemotherapie mit Temozolomid nicht sehr weiterentwickelt. In einer globalen Phase-III-Studie konnten nun durch den zusätzlichen Einsatz einer neuartigen Methode – der Applikation von elektrischen Wechselfeldern – progressionsfreies und Gesamtüberleben werden um einige Monate verlängert. Experten verweisen jedoch auf ungeklärte Fragen.

Tumor-treating fields (TTFields) sind eine anti-mitotisch wirksame Behandlungsmethode. Über Elektroden auf der Kopfhaut werden relativ schwache elektrische Wechselfelder einer mittleren Frequenz von 200 kHz angewendet, die selektiv sich teilende Glioblastom-Zellen in ihrer mitotischen Aktivität beeinträchtigen. Sie bringen in Zellen, die sich rasch teilen, die Mitose zum Stillstand und treiben sie so in die Apoptose.

In präklinischen Experimenten war eine Erhöhung der Sensibilität im Vergleich zu einer Chemotherapie festzustellen und in einer Phase-III-Studie konnte bei Patienten mit rezidiviertem Glioblastom zwar nicht das Überleben verlängert, aber die Ansprechrate erhöht werden. Das war Anlass, die Methode in einer größeren randomisierten Studie bei Glioblastom-Patienten weltweit zu erproben, die operiert und nach dem EORTC-Protokoll mit Radiotherapie und Temozolomid behandelt worden waren.

Die 695 Patienten, median 56 Jahre alt, wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert. Sie erhielten zusätzlich zur Temozolomid-Erhaltungstherapie (6–12 vierwöchige Zyklen) über mindestens 18 Stunden am Tag eine TTFields-Behandlung bzw. nur die Chemotherapie. Nachdem bereits eine Interims­analyse der ersten 315 Patienten eine Verlängerung von progressionsfreiem (primärer Endpunkt) und Gesamtüberleben (sekundärer Endpunkt) angedeutet hatte, präsentieren die Autoren unter Führung von Dr. Roger Stupp, Northwestern Medical Group, Chicago, nun die finale Auswertung mit mindestens 24 Monaten und median 40 Monaten Follow-up.

637 Patienten (92 %) beendeten die Therapie protokollgemäß, aber die Analysen wurden in der Intention-to-treat-Population, d.h. bei allen 695 teilnehmenden Patienten, durchgeführt.

Keine Zunahme systemischer Nebenwirkungen

Demnach konnte die elektrische Behandlung das progressionsfreie Überleben von median 4,0 auf 6,7 Monate verlängern, was einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um mehr als ein Drittel entspricht (Hazard Ratio 0,63; p < 0,001). Genauso groß war die Abnahme des Mortalitätsrisikos mit einer Verlängerung des Überlebens von median 16,0 auf 20,9 Monate (HR 0,63; p < 0,001). Die Prozedur war mit keiner Zunahme systemischer Nebenwirkungen verbunden (48 % im Verum- vs. 44 % im Kontrollarm), der einzige Unterschied bestand in leichten bis mäßigen Hautreaktionen, die bei 52 % der Patienten im Verumarm unter den Elektroden-Arrays auf der Kopfhaut auftraten.

Ein Schwachpunkt der Studie ist das Fehlen eines Placebos. Es wurde aber als nicht praktikabel und als ethisch nicht vertretbar angesehen, die Kontroll-Patienten mit Scheinelektroden auszustatten, zumal die mit der Behandlung einhergehende Wärmeentwicklung eine Verblindung praktisch unmöglich gemacht hätte. Es sei aber unwahrscheinlich, so die Studienautoren, dass die fehlende Verblindung von Patienten und behandelnden Ärzten mit einem substanziellen Placeboeffekt einherging, insbesondere weil Progressionen durch eine verblindete zentrale Auswertung der radiologischen Bilder diagnostiziert wurden.

Ein Nachteil dieser Therapiemodalität könnte sein, dass die Patienten nahezu kontinuierlich die Elektrodenarrays auf der kahl rasierten Kopfhaut tragen müssen. Die Daten zur Lebensqualität sind zwar noch nicht ausgewertet, aber die Tatsache, dass drei Viertel der Patienten die Vorrichtung über mindestens 18 Stunden pro Tag (also drei Viertel der Zeit) getragen haben, deutet auf eine gute Verträglichkeit hin.

Quelle: Stupp R et al. J Am Med Ass 2017; 318: 2306-2316

Kritik der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN): Einige Fragen sind noch ungeklärt

Die im Dezember veröffentlichte Studie zum Einsatz von Tumortherapiefeldern (TTF) hat bei vielen Patienten mit Glioblastom Hoffnungen geweckt. Der potenziell lebensverlängernde Effekt hat die Nachfrage auf die kostspieligen „Wechselstromhauben“ gepusht. Darauf hat die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) nun mit einer Pressemitteilung reagiert. Die Behandlungsmethode wird in manchen Zentren nur von einigen wenigen Personen pro Jahr gefordert, in anderen Zentren sind es dagegen bis zu einem Fünftel der Glioblastom-Patienten. Laut DGN werden die Anträge auf Erstattung der Kosten von monatlich etwa 23 000 Euro pro Patient von den Krankenkassen meistens bewilligt. „Bei der Anwendung dieser sog. Tumortherapiefelder gibt es jedoch noch einige offene Fragen“, so Professor Dr. Wolfgang Wick, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik am Universitätsklinikum Heidelberg, in der Pressemitteilung. So merken die DGN-Experten an:
  • In der Studie nicht erfasst wurden mögliche psychische Belastungen. Diese könnten dadurch entstehen, dass die Patienten die Hauben mit Kabelstrang mindestens 18 Stunden täglich auf dem Kopf tragen müssen.
  • Eine „echte Kontrollgruppe“ gab es in der Studie nicht, so Prof. Wick. Gleichzeitig habe es häufige Kontakte der Patienten mit medizinisch-technischen Firmenvertretern gegeben. „Viele Kollegen [...] halten es für möglich, dass nicht die Methode selbst, sondern die zusätzliche Betreuung in der Studie die Unterschiede in der Überlebensdauer erklären könnte“, so Professor Dr. Uwe Schlegel, Direktor der Klinik für Neurologie am Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum.
  • Zwar sehe man in der TTF-Therapie Potenzial und diese sei möglicherweise eine sinnvolle Behandlungsergänzung. Für eine abschließende Bewertung sei aber eine vom Gerätehersteller unabhängige Studie notwendig, so Prof. Schlegel.
Intensives Marketing des Herstellers „Vor diesem Hintergrund verwundert das intensive Marketing der Firma Novocure ebenso wie der Wunsch, eine kommerzielle Anwendungsbeobachtung durchzuführen“, so Prof. Wick. So erfahre man von Patienten, dass ihnen zugeraten wird, die Hauben auch bei einem Progress weiter zu tragen, obwohl in dieser Phase die Evidenz fehle. 

Quelle: Pressemitteilung Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)

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Glioblastome sind die häufigsten primären Hirntumoren. Das progessionsfreie Überleben liegt bei median ca. einem halben Jahr, das Gesamtüberleben etwa eineinhalb Jahren. Glioblastome sind die häufigsten primären Hirntumoren. Das progessionsfreie Überleben liegt bei median ca. einem halben Jahr, das Gesamtüberleben etwa eineinhalb Jahren. © wikimedia/Sbrandner - Eigenes Werk, GFDL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=3305017