Angriffe von Insekten und Milben richtig einordnen

Dr. Dorothea Ranft

Von links nach rechts: Bienenstich, Raupendermatitis durch Eichenprozessionsspinner und Bettwanzenbisse. Von links nach rechts: Bienenstich, Raupendermatitis durch Eichenprozessionsspinner und Bettwanzenbisse. © Science Photo Library/Matulavich, Peter; wikimedia/Daniel Ullrich, Oliver Arend

Blutvergiftung, Tropenkrankheit, allergischer Schock: Bei Insektenstichen oder -bissen fürchten manche Patienten gleich das Schlimmste. Eine Kollegin erläutert, wann es wirklich brenzlig wird.

Ein Stich bzw. Biss von einem Insekt oder einer Zecke ist nicht immer harmlos. Das dia­gnostische Vorgehen richtet sich nach dem Risiko, dem der Patient ausgesetzt ist. An erster Stelle steht der Ausschluss anaphylaktischer Symptome wie Tachykardie, Dyspnoe, Blutdruckabfall und anderer schwerer allergischer Reaktionen. Sie erfordern möglicherweise eine notfallmäßige stationäre oder fachärztliche Therapie. Um solche besonders gefährdeten Patienten zu erkennen, hilft die Frage nach bereits erlebten Anaphylaxien oder Angioödemen.

Sind Familienmitglieder ebenfalls betroffen?

Vorsichtshalber sollte man die Körpertemperatur, Blutdruck und Puls in den Blick nehmen sowie nach Zeichen einer Lymphangitis schauen. Vor allem bei Risikopatienten kann sich eine Superinfektion rasch ausbreiten, was bis zur Sepsis reichen kann, warnen Dr. ­Jane ­Wilcock, Hausärztin im britischen Salford, und Kollegen. Auch nach Auslandsreisen in der jüngeren Vergangenheit sollte man fragen, insbesondere nach Aufenthalten in den Tropen und Subtropen. Mit einem harmlos erscheinenden Stich könnte sich der Patient dort eine lebensbedrohliche Erkrankung wie Malaria, Dengue- oder Gelbfieber eingefangen haben.

Wichtige Hinweise auf den möglichen Urheber liefern Angaben zu Outdooraktivitäten, Tierkontakten und gleichfalls betroffenen Familienmitgliedern. Wichtig ist es, genau hinzusehen, mahnen die Autoren. Denn Dermatosen wie Varizellen, Gürtelrose, Impetigo, ein bullöses Pemphigoid und die Pyoderma gangraenosum können vor allem zu Beginn Insektenbissen oder -sti­chen täuschend ähnlich sehen. Verwechslungsgefahr besteht auch mit Effloreszenzen, die durch Raupen wie dem Eichenprozessionsspinner oder bestimmte Pflanzen, etwa dem Riesenbärenklau oder dem Giftsumach, ausgelöst werden. Wichtig ist auch die Differenzierung von Biss und Stich, schreiben die Kollegen. Zu den Bissen zählen sie sämtliche durch Mundwerkzeuge erzeugte Wunden, also auch die Läsionen durch Mücken oder Wanzen. Für den Stich wird nach ihrer Einteilung ein Stachel benötigt, wie ihn die Hymenopteren (Bienen und Wespen) tragen.

Ärmel statt Knoblauch

Gegen Insektenstiche hilft vermummen: Die Kleidung sollte Arme und Beine bedecken, wobei man die Hosenbeine eventuell in die Socken steckt. Repellents wie Icaridin und Diethyltoluamid (DEET) können nach Angaben der Autoren auch bei Babys ab dem zweiten Lebensmonat sowie in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden. Präparate aus Zitronengras sind weniger effektiv, Kurkuma, Knoblauch, Vitamin B und Pfefferminztee nutzlos.

Typisch für die Insektenbisse sind juckende Quaddeln mit umgebendem Erythem, aber auch Bläschen und Papeln kommen vor. Eventuell ist nur die Punktionsstelle zu erkennen. Form und Verteilung der Läsionen sowie die Tageszeit der Entstehung verraten viel über den Urheber. Bettwanzen zum Beispiel beißen vor allem nachts und dann oft gleich mehrfach, wobei sie die sogenannten Wanzenstraßen hinterlassen. Tierflöhe nehmen ihre Blutmahlzeit meist an den Unterschenkeln und hinterlassen multiple Bisse mit schmalem Randsaum. Einzelne Läsionen weisen auf Zecken, Bremsen oder Moskitos hin. Bei der Skabies sind Milbengänge zu erkennen, in denen das Weibchen die eventuell ebenfalls sichtbaren Eier ablegt. Auffällig ist der starke Juckreiz, vor allem in den Fingerzwischenräumen. Zeckenbisse hingegen sind meist schmerzlos. Nach der Übertragung von Borrelien durch Schildzecken (z.B. Ixodes ricinus) kann sich ein Eythema migrans ausbilden. Oft haben die Patienten den Übeltäter gesehen, können ihn aber nicht benennen. Eventuell helfen dann Fotos aus dem Internet.

Entzündungszeichen bedeuten noch keine Superinfektion

Blutsaugende Insekten und Spinnentiere geben Speichel in die Bisswunde, um die Gerinnung auszuschalten. Auf die darin enthaltenen Antikoagulanzien, Vasodilatatoren und Verdauungsenzyme reagieren die Opfer sehr unterschiedlich. Kurz nach der Attacke bildet sich oft eine Quaddel auf erythematösem Grund. Als spätere Reaktionen folgen Pruritus, indurierte Papeln, Urtikaria und Blasen, teils mit ausgedehnter Hautrötung. Schwere systemische Reaktionen sind nach Insektenbissen selten und eher typisch für Wespen- und Bienenstiche. Wichtig für die Praxis: Erythem, Schwellung, Überwärmung, Schmerz und Juckreiz sind keine Zeichen für eine Superinfektion. Diesbezüglich können Sie die Betroffenen beruhigen. Die Reak­tionen erreichen meist nach zwei bis drei Tagen ihr Maximum und bilden sich innerhalb von 10–14 Tagen zurück. Wenn Sie den Rand des Erythems mit einem Stift markieren, kann der Patient bei der Heilung zusehen. Kalte Umschläge, orale Antihistaminika und die kurzzeitige Anwendung topischer Steroide reduzieren den Juckreiz und mindern das Risiko für eine Superinfektion. Bakterienverdächtig ist eine Ausbreitung des Erythems, statt des erwarteten Rückgangs. Allerdings lässt sich eine beginnende Cellulitis oft nur schwer von der normalen Stich- oder Bissreaktion unterscheiden. Als Zeichen einer fortschreitenden Infektion kann es zu einer purulenten Sekretion und fluktuierenden Schwellung kommen. Systemische Reaktionen sind ebenfalls möglich. Selten, aber gefährlich ist die nekrotisierende Fasziitis. Sie macht sich mit starken Schmerzen bemerkbar, die nicht zu den vergleichsweise leichten Hauterscheinungen passen. Zusätzlich kann es zu Fieber, Lymph­angitis und einer starken Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens kommen. Zu den Risikofaktoren für eine Superinfektion zählen Immunsuppression, Diabetes und hohes Alter. Auch Lymphödeme, venöse Stauung, Bein­ischämie und periorbitale Manifestation begünstigen die bakterielle Invasion. Als Antibiotikum der ersten Wahl empfehlen die Autoren Flucloxacillin.

Quelle: Wilcock J et al. BMJ 2020; 370: m2856; DOI: 10.1136/bmj.m2856

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