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Bei KHK und Diabetes doppelte Plättchenhemmung einsetzen?

Typ-2-Diabetiker mit stabiler KHK tragen ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse als Stoffwechselgesunde mit koronarer Herzkrankheit. Das hat unter anderem mit einer gesteigerten Plättchenaktivität zu tun. Womöglich reicht die ASS-Monotherapie als derzeitiger Standard für einen umfassenden antithrombotischen Schutz also nicht aus, schreiben Dr. P. Gabriel Steg, Kardiologe am Hôpital Bichat-Claude Bernard in Paris, und Kollegen.1
Die von den Experten initiierte THEMIS-Studie schloss deshalb 19 220 Diabetiker mit stabiler KHK ein, die weder einen Myokardinfarkt noch einen Schlaganfall erlitten hatten. Fast 60 % der Teilnehmer hatten in der Vergangenheit eine perkutane Intervention (PCI) hinter sich, der Rest hatte bereits einen Bypass erhalten oder eine angiographisch nachgewiesene, mindestens 50%ige Koronarstenose. Eine duale Plättchenhemmung nahm zum Zeitpunkt der Rekrutierung niemand.
Kein zusätzlicher Nachteil, aber auch nicht zu empfehlen
Über ein medianes Follow-up von 3,3 Jahren schluckten die Patienten randomisiert täglich niedrig dosiertes ASS (75–150 mg) plus Ticagrelor (2 x 60 mg*) oder plus Placebo. Zwar reduzierte sich unter dem P2Y12-Inhibitor die Rate ischämischer kardiovaskulärer Ereignisse signifikant (Hazard Ratio, HR, 0,9). Wie so oft egalisierten Major-Blutungen (HR 2,32) und intrakranielle Hämorrhagien (HR 1,71) diesen Benefit jedoch.
Unterm Strich entstand durch die doppelte Plättchenhemmung (DAPT) kein zusätzlicher Nachteil. Ein als „irreversibler Schaden“ bezeichneter explorativer Endpunkt – u.a. bestehend aus Tod insgesamt, Herzinfarkt, tödliche Blutung – trat in beiden Gruppen etwa gleich häufig auf. Letztlich kann Ticagrelor für die meisten Diabetiker mit stabiler KHK, die ASS einnehmen, nicht empfohlen werden, urteilt der Internist Dr. Eric R. Bates aus Ann Arbor in einem begleitenden Editorial.2
Option nach PCI bei hohem Ischämierisiko
Somit gilt es, „kleinere“ Populationen zu finden, die von der doppelten Antiaggregation profitieren. Mit der vordefinierten Subgruppe der Teilnehmer mit stattgehabter PCI taten die Forscher genau das.3 In der THEMIS-PCI-Studie wurden die Daten der entsprechenden 11 154 Patienten separat analysiert. Bei denjenigen, die wegen der Stentimplantation bereits eine DAPT toleriert hatten, fällt das Nutzen-Risiko-Verhältnis besser aus, so die Annahme.
Und die Autoren behielten recht: Der primäre Endpunkt aus Herzinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskulärem Tod ereignete sich unter Ticagrelor seltener als unter Placebo (HR 0,85) – zurückzuführen auf die Reduktion an Infarkten und Schlaganfällen. Obwohl es auch in dieser Subgruppe zu mehr Major-Blutungen kam (HR 2,03), ergab sich in der Auswertung ein klinischer Netto-Nutzen. Den Forschern zufolge sollte man eine Langzeit-DAPT für Diabetiker mit Z.n. perkutaner koronarer Intervention sowie hohem Ischämie- und niedrigem Blutungsrisiko also durchaus erwägen.
Zurückhaltender interpretieren zwei Kardiologen vom Universitätsspital Bern die Ergebnisse.4 Bei THEMIS-PCI handele es sich um keine eigens aufgelegte Studie. Fragen zu optimaler Patientenselektion, Startzeitpunkt der Therapie und geeigneter Dauer bleiben für die Kommentatoren unbeantwortet.
* Zu Studienbeginn erhielten Teilnehmer der Verumgruppe eine TIcagrelordosis von 2 x 90 mg/d. Nach Publikation der PEGASUS-TIMI-54-Studie wurde die Dosis bei allen Patienten auf 2 x 60 mg/d gesenkt.
Quellen:
1. Steg PG et al. N Engl J Med 2019; 381: 1309-1320; DOI: 10.1056/NEJMoa1908077
2. Bates ER. A.a.O.: 1373-1375; DOI: 10.1056/NEJMe1910813
3. Bhatt DL et al. Lancet 2019; 394: 1169-1180; DOI: doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31887-2
4. Valgimigli M, Manavifar N. A.a.O.: 1118-1120; DOI: doi.org/10.1016/S0140-6736(19)31957-9
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