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Bei Ulzera bloß nichts übersehen

Beim Pyoderma gangraenosum handelt es sich um eine Autoimmundermatose, die typischerweise mit einer neutrophilen Infiltration einhergeht. Die genaue Pathogenese ist noch nicht hinreichend geklärt, schreiben Katie Yeung von der School of Medicine der Universität Kingston und Kollegen. Auch über die Epidemiologie weiß man im Vergleich zu häufigeren Erkrankungen nur wenig
Fest steht aber, dass das Pyoderma gangraenosum beinahe doppelt so häufig bei Frauen wie bei Männern vorkommt und circa 70 % der Erkrankten über 50 Jahre alt sind. In der Hälfte der Fälle tritt es im Rahmen einer anderen Systemerkrankung auf. Dazu gehören chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Hepatitiden, rheumatoide Autoimmunerkrankungen sowie Tumorleiden. In allen anderen Fällen muss man von einer idiopathischen Erkrankung ausgehen.
Schmerzen passen scheinbar nicht zum Befund
Klinisch präsentiert sich das Pyoderma gangraenosum als sehr schmerzhaftes Ulkus. Typischerweise erscheinen die massiven Schmerzen eher unverhältnismäßig im Vergleich zu dem initial eher milden klinischen Befund. Häufig ist die Läsion an den Beinen lokalisiert, prinzipiell kann sich ein Pyoderma gangraenosum aber in jedem Körperareal bilden.
Die Erkrankung beginnt in der Regel mit eher unspezifischen Befunden. Meist entwickeln sich Pusteln, die dann erodieren und zu einem Ulkus mit unterminierten Rändern verschmelzen. Der Übergang zur gesunden Haut ist in der Regel grau-violett verfärbt, der periphere Bereich mitunter erythematös. Innerhalb von Tagen bis Wochen verschlechtert sich der Befund und es kommt bisweilen zu flächigen nekrotischen Ulzerationen.
Doch fällt die Diagnose nicht immer leicht. Zum einen, weil man nur wenige Pyoderma-Patienten zu Gesicht bekommt, und zum anderen, weil sie durch den unspezifischen Beginn leicht mit einer Infektion oder anderen ulzerierenden Erkrankungen verwechselt werden kann, schreiben die Autoren. Erschwerend komme hinzu, dass spezifische diagnostische Tests (noch) nicht existieren. Für die Diagnose bleiben deshalb nur Anamnese, klinisches Erscheinungsbild und der charakteristische Krankheitsverlauf. Helfen können auch Tools wie der PARACELSUS-Score oder die entsprechenden Delphi-Kriterien. Im Zweifelsfall sollte frühzeitig ein fachärztlicher Kollege hinzugezogen werden und eine bioptische Untersuchung erfolgen. Als zusätzlichen Hinweis auf Pyoderma gangraenosum kann man werten, wenn sich die Läsion aufgrund des Pathergiephänomens an der Entnahmestelle weiter verschlimmert.
Die Wichtigkeit der sorgfältigen Differenzialdiagnostik kann dabei nicht genug betont werden. Eine Fehldiagnose hat mitunter irreversible Konsequenzen für die Patienten, da bei solchen Ulzerationen oft wiederholte umfangreiche chirurgische Débridements stattfinden. Durch das Pathergiephänomen bei Pyoderma verschlechtern sie nicht nur das Ulkus weiter, sondern haben letztendlich ausgedehnte Vernarbungen zur Folge. Es gab auch Patienten, bei denen zum Zeitpunkt der richtigen Diagnose entweder bereits eine Amputation geplant oder schon durchgeführt worden war. Umgekehrt ist die immunsuppressive Therapie des Pyoderma gangraenosum bei infektiösen, malignen oder vaskulären Ulzera kontraindiziert.
Nach der Diagnose sofort mit Immunsuppression beginnen
Hat man also arterielle, venöse infektiöse und neoplastische Ursachen sowie einen Dekubitus ausgeschlossen und die Diagnose Pyoderma gangraenosum gestellt, sollte unmittelbar mit einer systemischen immunsuppressiven Therapie begonnen werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt erfolgt zudem die Überweisung an einen Spezialisten.
Anhand der aktuellen Studienlage lässt sich erkennen, dass Ciclosporin und Prednisolon in der Therapie des Pyoderma gangraenosum gleich effektiv sind. Bei Prednisolon treten allerdings mehr Nebenwirkungen auf, schreiben die Wissenschaftler. Auch Infliximab kann zu einer Remission führen. Gleichzeitig sollte, falls vorhanden, die begleitende Systemerkrankung behandelt werden. Hinzu kommen eine adäquate Schmerztherapie und die angepasste vorsichtige Wundversorgung. Trotz frühzeitiger Therapie kann eine vollständige Remission mehrere Monate dauern. Und man sollte die kleine, aber klinisch relevante Wahrscheinlichkeit für ein Rezidiv im Hinterkopf behalten.
Quelle: Yeung KCY et al. BMJ 2023; 382: e075863; DOI: 10.1136/bmj-2023-075863
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