Bei Verdacht auf eine transitorische ischämische Attacke ab in die Spezialklinik

Dr. Elke Ruchalla

Im Krankenhaus ist der Patient in guten Händen, denn hier können auch Differenzialdiagnosen abgeklärt werden. Im Krankenhaus ist der Patient in guten Händen, denn hier können auch Differenzialdiagnosen abgeklärt werden. © iStock/JodiJacobson

Auch wenn der Begriff „transitorisch“ nahelegt, dass die TIA-Symptome wieder verschwinden – für das Risiko eines folgenden ischämischen Schlaganfalls gilt das keineswegs. Im Gegenteil: Schnelles Handeln ist unerlässlich.

Bis zu 25 % der Patienten zeigen vor einem manifesten ischämischen Schlaganfall Symptome einer TIA. Dazu gehören beispielsweise Lähmungserscheinungen, Sensibilitätsausfälle, Schwindel oder Sehstörungen (u.a. Doppelbilder), schreibt Professor Dr. Pierre Amarenco vom Department of Neurology and Stroke Center des Hôpital Bichat in Paris. Die Symptome dauern typischerweise Sekunden oder Minuten, maximal eine Stunde, an, danach bilden sie sich scheinbar folgenlos zurück.

Mittlerweile weiß man, dass allein die Symptomdauer kein ausreichendes Kriterium ist, um auf eine TIA zu schließen: Gelegentlich ist bereits bei kurzzeitigen Ausfällen im Gehirn eine Ischämie nachweisbar. In diesem Fall hat der Patient tatsächlich einen Schlaganfall erlitten, wenn auch „nur“ einen sogenannten Minor Stroke („Schlägle“). Im Alltag werden die beiden Krankheitsbilder allerdings weiterhin ähnlich behandelt, da sie sich klinisch kaum unterscheidbar präsentieren.

Auf jeden Fall sollten die Beschwerden Anlass sein, weitere Untersuchungen anzuwerfen, um Schlimmeres zu verhindern. Optimalerweise geschieht das in einer spezialisierten Klinik mit Rund-um-die-Uhr-Dienst oder, falls nicht vorhanden, in der Notaufnahme, rät der Fachmann. Dort schließen die Ärzte auch Differenzialdiagnosen aus, etwa eine Migräne-Aura, Parietallappen-Epilepsie oder eine Hypoglykämie.

Ist kein Spezialist verfügbar, kann der ABCD2-Score helfen

Untersuchungsmethoden der Wahl bei TIA-Verdacht sind spezielle MRT-Techniken, wie diffusions- oder perfusionsgewichtete Sequenzen. Wenn diese Verfahren nicht verfügbar sind, empfiehlt der Experte eine CT, die zwar eine Ischämiediagnose­ nicht sichern, aber immerhin einige andere Ursachen der neurologischen Beschwerden ausschließen kann. Dazu kommen, auf der Suche nach dem TIA-Auslöser nach Bedarf:

  • Check der intra- und extrakraniellen Gefäße in der Sonographie oder CT- bzw. MR-Angiographie (Stenosen/Okklusionen?)
  • EKG (Rhythmusstörungen?)
  • Laborwerte: Sind die Entzündungsmarker erhöht, ist das in Kombination mit Kopfschmerzen und einseitiger Erblindung ein Hinweis auf Riesenzellarteriitis

Wenn danach das Herz als Ursache zerebraler Embolien nicht ausgeschlossen werden kann, empfiehlt Prof. Amarenco eingehendere kardiale Tests, z.B. Langzeit-EKG, trans­thorakales und transösophageales Herzecho. Dabei suchen Kardiologen nach einem offenen Foramen ovale, Vorhofthromben oder atherosklerotischen Veränderungen im Aortenbogen.

Das weitere Vorgehen richtet sich nach Anamnese und Untersuchungsbefunden, aus denen sich das Risiko für erneute vielleicht sogar schwerere Hirnischämien abschätzen lässt. In speziellen Situationen, wenn Hightech-Verfahren und Spezialisten nicht verfügbar sind, kann der ABCD²-Score helfen (siehe Kasten­).

Das ABCD2 des Schlaganfalls

Der ABCD²-Score berücksichtigt klinische Befunde, die das Risiko für einen „Major Stroke“ beeinflussen:
  • Alter (≥ 60 Jahre?)
  • Blutdruck (syst. > 140 oder diast. > 90 mmHg?)
  • Klinik (clinical characteristics): Sprachstörungen? Motorische Schwäche?
  • Dauer der Symptome (10–60 min, > 60 min?)
  • Diabetes vorhanden?
Für jedes „Ja“ gibt es einen Punkt bzw. zwei Punkte für Symptomdauer über 60 min und einer einseitigen motorischen Schwäche. Je höher der Wert, desto höher das Risiko. Sechs bis sieben Punkte sind ein Alarmzeichen.

Hat die Herzuntersuchung eine kardiale Emboliequelle (Vorhofflimmern) ergeben, erhält der Kranke ein Antikoagulans. Ist das Herz als Übeltäter ausgeschlossen, erfolgt die Behandlung bzw. Insultprophylaxe in erster Linie mit der altbewährten Acetylsalicylsäure. Therapeutisch empfiehlt der Pariser Neurologe:
  • 300 mg ASS zur Aufsättigung bei Auftreten der Symptome, im besten Fall schon zu Hause, falls der Patient sich telefonisch wegen einschlägiger Beschwerden meldet, oder im Rettungswagen
  • nach Feststehen der Diagnose während der ersten 21 Tage eine duale Plättchenhemmung mit 75 mg ASS plus 75 mg Clopidogrel pro Tag, gefolgt von einer Monotherapie mit ASS oder Clopidogrel (75 mg/d) bis Tag 90
Langfristig gilt wie bei jeder High-Risk-Atherosklerose:
  • Lebensstil optimieren, d.h. mehr Bewegung, Gewicht reduzieren, Rauchstopp
  • Screening auf Schlafapnoe
  • RR auf < 140/90 mmHg senken. Falls ohne negative Effekte möglich, < 130/80 anstreben, insbesondere bei Patienten mit Diabetes oder lakunären Infarkten
  • LDL-Cholesterin-Konzentration senken, z.B. mit hoch dosierten Statinen oder spezifisch angreifenden Substanzen, auf < 70 mg/dl
  • Screening auf Diabetes und ggf. Blutzuckereinstellung (HbA1c-Konzentration < 7 %)
  • Thrombendarteriektomie oder Stenting bei ≥ 50%iger Stenose der A. carotis interna
In vielen Bereichen der TIA-Forschung ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, betont der Autor zum Abschluss. Wissenschaftler diskutieren derzeit etwa die ideale Plättchen- bzw. Gerinnungshemmung nach TIA (Ticagrelor statt Clopidogrel? Dreifach-Hemmung mit zusätzlichem Antikoagulans? Intravenöse Lyse bei intrakranieller Okklusion großer Gefäße? Plättchenhemmung nach Tag 90 bei bestimmten Patientengruppen?). Auch der Einsatz von Entzündungshemmern, z.B. Colchicin, ist im Gespräch, wenn der Patient bereits einen Myokardinfarkt erlitten hat. Und schließlich untersuchen Wissenschaftler, ob eine noch aggressivere Cholesterinsenkung (LDL < 50 mg/dl) von Vorteil sein könnte.

Quelle: Amarenco P. N Engl J Med 2020; 382: 1933-1941; DOI: 10.1056/NEJMcp1908837

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Im Krankenhaus ist der Patient in guten Händen, denn hier können auch Differenzialdiagnosen abgeklärt werden. Im Krankenhaus ist der Patient in guten Händen, denn hier können auch Differenzialdiagnosen abgeklärt werden. © iStock/JodiJacobson