Bevorzugte Strategien für Erstlinien- und Rezidivtherapie 

EHA 2023 Dr. Miriam Sonnet

Für die Behandlung des Multiplen Myeloms wird es immer schwieriger, die optimale Behandlungssequenz zu definieren. Für die Behandlung des Multiplen Myeloms wird es immer schwieriger, die optimale Behandlungssequenz zu definieren. © Rudzhan – stock.adobe.com

Seit 2015 wurden 25 neue Optionen für die Behandlung des Multiplen Myeloms zugelassen. Dementsprechend wird es immer schwieriger, die optimale Behandlungssequenz zu definieren. Eine Übersicht über derzeitige Vorgehensweisen und zukünftige Konzepte.

Erstlinientherapie

In der Erstlinie entscheidet noch immer die Eignung für eine autologe Stammzelltransplantation (ASCT) über das Vorgehen, erläuterte Prof. Dr. Dr. ­Cyrille ­Touzeau von der Universität Nantes. Kürzlich demonstrierten vier randomisierte Studien die Überlegenheit der ASCT gegenüber verschiedenen Regimen – z.B. Lenalidomid/Bortezomib/Dexamethason (RVd) in IFM 2009 und ­DETERMINATION sowie Bortezomib/Melphalan/Prednison (VMP) in EMN02 – bei dafür geeigneten Patient:innen. Zum jetzigen Zeitpunkt stelle die Vierfachkombination aus Daratumumab, Bortezomib, Thalidomid und Dexamethason (Dara-VTd) die optimale Induktion dar, sagte der Referent. In der ­CASSIOPEIA-Studie hatten sich damit das PFS signifikant und das OS tendenziell gegenüber alleinigem VTd verbessert. Nach der Transplantation sei kontinuierlich gegebenes Lenalidomid Standard in der Erhaltung. 

Zukünftig werden in der Erstlinie risikoadaptierte Konzepte basierend auf MRD und Zytogenetik zum Einsatz kommen, so Prof. ­Touzeau. Außerdem werde es neue Quadruplets für die Induktion geben – auf dem Prüfstand steht z.B. D-VRd in der ­PERSEUS-Studie. Denkbar sei auch die Inkorporation von Anti-BCMA-Therapien.

ASCT-ungeeignete Personen erhalten, basierend auf der ­MAIA-Studie, standardmäßig Daratumumab-Rd (DRd). Gegenüber alleinigem Rd hatten sich PFS und OS durch das Dreifachregime signifikant verlängert. VRd gilt in dieser Situation ebenfalls als Standard. Allerdings hatte das kürzlich publizierte Update der SWOG-Studie in der Altersgruppe ab 65 Jahre keinen kontinuierlichen PFS- oder OS-Vorteil dieser Strategie gegenüber Rd ergeben. In Zukunft spielen Konzepte, die auf die Fitness adaptiert sind, eine Rolle.

Erstes Rezidiv

Zum Zeitpunkt des ersten Rezidivs sei die Lenalidomid-Refraktärität maßgebend für das weitere Vorgehen. Sind die Patient:innen gegenüber Lenalidomid nicht refraktär, so erhalten sie bevorzugt DRd oder Carfilzomib/Rd (KRd). In der POLLUX-Studie hatten sich PFS und OS mit DRd gegenüber Rd verbessert. 

Die meisten Betroffenen werden aber refraktär gegenüber Lenalidomid, konstatierte Prof. ­Touzeau, da die Substanz in der Erstlinie häufig bis zum Krankheitsprogress gegeben wird – und zwar sowohl in der Gruppe der transplantationsfähigen als auch in derjenigen der dafür nicht geeigneten Personen. Zwei Studien, ­CANDOR und ­IKEMA, ergaben auch für lenalidomidrefraktäre Patient:innen einen PFS-Benefit durch Gabe eines CD38-Antikörpers – Daratumumab oder Isatuximab (Isa) – zusätzlich zu Kd. Diese Strategie sollte daher bevorzugt werden, sofern keine kardialen Komorbiditäten vorliegen, sagte der Referent. Pomalidomid/Vd (PVd) sei ebenfalls eine Option. 

In Zukunft würden sich die meisten älteren Erkrankten beim ersten Rezidiv mit einer Refraktärität gegenüber Lenalidomid und CD38-Antikörpern vorstellen, hob Prof. ­Touzeau hervor. Das mediane Alter betrage dann schätzungsweise 79 Jahre und die Betroffenen seien möglicherweise gebrechlich. Wahrscheinlich stelle dann PVd eine sinnvolle Strategie dar, in Betracht kämen aber auch Kd, VCd* und VMP.

Ein Beispiel für eine gute Strategie

Erhält eine Person im Jahr 2023 die Diagnose Multiples Myelom und ist sie für eine Transplantation geeignet, so wird sie in der Erstlinie mit Dara-VTd, einer ASCT und einer Lenalidomid-Erhaltung behandelt. In der Zweitlinie kommt dann wahrscheinlich Kd in Kombination mit Isatuximab oder Daratumumab zum Einsatz, in der dritten Linie z.B. PCd und in der vierten Linie Teclistamab. Je nach weiteren zukünftig zugelassenen Optionen kann diese Sequenz jedoch ganz anders aussehen, sagte Prof. ­Touzeau. So könnte die Person bereits, basierend auf den positiven Ergebnissen von ­CARTITUDE-4, in der Zweitlinie mit Cilta-Cel behandelt werden, in der dritten Linie potenziell mit Elranatamab + Daratumumab (MagnetisMM-5-Studie) und in der vierten Linie mit dem CELMod Mezigdomide + Vd (Successor-1-Studie). „Das ist noch ­Science Fiction, aber eine solche Sequenz könnte in Zukunft eingesetzt werden“, so der Referent.

≥ Zweites Rezidiv 

Für die Behandlung des zweiten Rezidivs sollten Regime angewandt werden, die beim ersten Rezidiv noch nicht ausgeschöpft wurden. Zu Erkrankten, die nicht refraktär gegenüber Pomalidomid und/oder einem CD38-Antikörper waren, gab es mit ­ICARIA und ­APOLLO kürzlich zwei große Studien, die einen PFS-Benefit einer CD38-Antikörper-Addition zu Pomalidomid + Dexamethason ergaben.

Nach zwei bis drei Behandlungslinien wird die Mehrzahl der Patient:innen triple-class-refraktär – und zwar gegen Proteasominhibitoren, immunmodulatorische Substanzen und CD38-Antikörper. Die bisherigen Strategien in dieser Situation seien „enttäuschend“, so Prof. ­Touzeau. Das mediane PFS in Real Life beträgt gerade einmal 4,6 Monate, das mediane OS ein Jahr. Zelluläre und nicht-zelluläre Anti-BCMA-Therapien wie ADC, CAR-T-Zellen und bispezifische Antikörper seien hier vielversprechend. So wurde beispielsweise das ADC Belantamab-Mafodotin basierend auf den Daten der ­DREAMM-2-Studie zugelassen. CAR-T-Zell-Therapien umfassen Idecabtagen-Vicleucel, das in der ­KARMMA-Studie zu einer ORR von 82 % und einem medianen PFS von 12,1 Monaten führte, und Ciltacabtagen-Autoleucel mit einer ORR in ­CARTITUDE-1 von 97,9 % und einem laut dem Referenten „beeindruckenden“ medianen PFS von 34,5 Monaten. Der bispezifische Antikörper Teclistamab wiederum erzielte in ­MAJESTEC-1 eine ORR von 63 % und ein medianes PFS von 11,3 Monaten.

Für Patient:innen mit mindestens vier vorangegangenen Linien sind u.a. Selinexor und die Addition von Panobinostat zu Proteasominhibitoren mögliche Optionen. Venetoclax wird zurzeit untersucht; die Substanz war bei Erkrankten mit Translokation t(11;14) wirksam. Weitere Substanzen werden für Betroffene mit einer Vierfachrefraktärität benötigt. Neue Targets für bispezifische Antikörper seien z.B. GPRC5D und FCRH5. CELMods der nächsten Generation und Modakafusp-alpha sind zurzeit Gegenstand von Studien.

*    Bortezomib, Cyclophosphamid, Dexamethason

Quelle:
Touzeau C. EHA 2023; Vortrag „What is the best treatment sequence for multiple myeloma“

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