BiTE-Antikörper überwindet minimale Resterkrankung bei ALL

Josef Gulden

Weg mit der minimalen Resterkrankung! Gezielte Folgetherapien machen das bei der ALL häufiger möglich. Weg mit der minimalen Resterkrankung! Gezielte Folgetherapien machen das bei der ALL häufiger möglich. © iStock.com/Goldmund

Die Behandlung von chemotherapieresistenter akuter lymphatischer Leukämie (ALL) ist nach wie vor eine Herausforderung. Mit dem BiTE-Antikörper Blinatumomab konnte nun bei solchen Patienten mit MRD-positiver Erkrankung ein beachtliches molekulares Ansprechen erzielt werden. Mit positiven Auswirkungen auf die Prognose.

Definiert wird die minimale Resterkrankung (MRD) als das Vorliegen von residuellen Blasten nach der initialen Therapie, die zwar nicht in der morphologischen Untersuchung, aber mit empfindlichen molekularbiologischen oder immunphänotypischen Messverfahren nachweisbar sind. MRD-positive Patienten (egal ob mit Polymerasekettenreaktion oder mit Durchflusszytometrie gemessen) überleben deutlich kürzer und haben schlechtere Heilungschancen als solche mit einem MRD-negativen Status. Oberstes Ziel der ALL-Therapie ist es daher, bei Patienten einen MRD-negativen Status zu erreichen – wenn nicht mit der primären Chemotherapie, dann mit einer gezielten Folgetherapie.

Landmark-Analysen mit eindeutigem Ergebnis

In einer einarmigen Phase-II-Studie konnte mit dem bispezifischen T-Zell-Engager-Antikörper (BiTE) Blinatumomab dieses Ziel nun bei mehr als drei Vierteln der nach ini­tialer Chemotherapie noch MRD-positiven Patienten erreicht werden:

  • Von 113 auswertbaren Patienten erreichten 88 (78 %) einen MRD-negativen Status. Wenn nur die 110 Patienten mit Philadelphia-Chromosom-negativer ALL berücksichtigt wurden, waren nach 18 Monaten noch 54 % von ihnen rezidivfrei am Leben und die mediane Gesamt­überlebenszeit betrug 36,5 Monate.
  • Zwei Drittel dieser Patienten unterzogen sich einer allogenen Stammzelltransplantation.
  • Entscheidend waren aber die Landmark-Analysen, in denen die Patienten mit kompletter MRD-Remission gegenüber denen mit weiterhin nachweisbaren Blasten deutliche Vorteile aufwiesen: Das rezidivfreie Überleben war bei ihnen vervierfacht worden (median 23,6 vs. 5,7 Monate; p = 0,002), das Gesamtüberleben immerhin noch verdreifacht (median 38,9 vs. 12,5 Monate; p = 0,002).

Wirkmechanismus

Der bispezifische BiTE-Antikörper (Bi-specific T-cell engager) Blinatumomab ist ein gentechnisch hergestelltes Konstrukt: Dieses enthält in einem Molekül die variablen Regionen zweier monoklonaler Antikörper, die sich gegen das auf ALL-Blasten zu findende CD19-Antigen und gegen das CD3-Antigen auf zytotoxischen T-Lymphozyten richten. Dadurch werden diese beiden Zelltypen in engen physischen Kontakt miteinander gebracht, was zu einer hocheffektiven Lyse der Blasten durch die T-Zellen führt.

Die Toxizität war im Einklang mit dem, was aus früheren Studien mit Blinatumomab bekannt ist: Neurologische Nebenwirkungen waren bei zwölf Patienten (10 %) vom Grad 3 und bei drei (3 %) vom Grad 4. Außerdem erlebten vier Patienten ein Zytokin-Release-Syndrom, in je zwei Fällen vom Grad 1 bzw. 3; alle vier Ereignisse traten im ersten Blinatumomab-Zyklus auf.

Studiendesign

An der Studie, die von der Deutschen Multizentrischen ALL-Studiengruppe (GMALL) koordiniert wurde, nahmen in insgesamt 46 europäischen und russischen Zentren 116 erwachsene Patienten mit B-Zell-Vorläufer-ALL teil, die nach einer klassischen Polychemotherapie eine komplette hämatologische Remission erzielt, aber noch eine minimale Resterkrankung aufgewiesen hatten (≥ 10–3, d.h., mindestens einer von tausend untersuchten Leukozyten war ein ALL-Blast). Blinatumomab wurde in vierwöchigen Zyklen gegeben, während derer der BiTE-Antikörper kontinuierlich infundiert wurde (15 µg/m2 und Tag). Vorgesehen waren je nach Ansprechen bis zu vier solcher Zyklen, die durch jeweils zweiwöchige Pausen getrennt waren. Primärer Zielparameter war ein komplettes MRD-Ansprechen nach dem ersten Zyklus, d.h. kein Nachweis von ALL-Zellen bei einer Empfindlichkeit des Tests von < 10–4.

Bei fast 80 % verschwindet die minimale Resterkrankung

Bei beinahe 80 % der Patienten mit MRD-positiver B-Precursor-ALL, die nach initialer Chemotherapie noch eine mikroskopisch nicht nachweisbare Resterkrankung haben, erreicht man also mit Blinatumomab ein Verschwinden dieser Resterkrankung und das ist mit einer sehr deutlichen Verlängerung der Überlebenszeiten verbunden.

Zielgerichtete Therapie auch in früheren Stadien?

Zugelassen ist Blinatumomab derzeit bei manifestem Rezidiv oder bei refraktärer Erkrankung. Die Resultate deuten nun darauf hin, dass eine zielgerichtete Therapie in frühen Stadien einer MRD eine gangbare Strategie ist, so das Fazit von Dr. Nicola Gökbuget, Universitätsklinikum Frankfurt, und Kollegen. Dies könne laut den Autoren nicht nur bei Patienten mit B-Zell-Vorläufer-ALL sinnvoll sein, sondern sollte auch bei anderen hämatologischen Erkrankungen evaluiert werden.

Quelle: Gökbuget N et al. Blood 2018; 131: 1522-1531

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