Ade Chemo? Wo bei chronisch lymphatischer Leukämie gezielte Therapien reichen könnten

Friederike Klein

Werden Chemotherapien bei der CLL überflüssig? Eher nein, so Experten beim DKK – zielgerichtete Therapien können derzeit nicht alle Aspekte der Behandlung abdecken. Werden Chemotherapien bei der CLL überflüssig? Eher nein, so Experten beim DKK – zielgerichtete Therapien können derzeit nicht alle Aspekte der Behandlung abdecken. © iStock/daizuoxin

Antikörper und Kinase-Inhibitoren haben die Therapie der chronisch lymphatischen Leukämie (CLL) nachhaltig verändert. In Studien rücken chemotherapiefreie Regime in die Erstlinie und frühere Stadien vor. In welcher Situation am ehesten auf die Chemotherapie verzichtet werden kann, diskutierten nun namhafte Experten.

Einig waren sich die Experten beim DKK in dem Bemühen, den Anteil der Chemotherapie zur Behandlung der CLL, wo immer möglich, zu reduzieren. Besonders optimistisch gab sich in einer Oxford-Debatte Professor Dr. Stephan Stilgenbauer, Innere Medizin III des Universitätsklinikums Ulm.

Bei fortgeschrittener CLL sei beispielsweise in der RESONATE-2-Studie mit Ibrutinib in der Erstlinie die Rate des progressionsfreien Überlebens höher als in vielen Studienarmen mit Immunochemotherapien gewesen. Weil direkte Vergleichsstudien fehlen, verteidigte er das Nebeneinanderstellen von Ergebnissen aus Armen verschiedener Studien.

Es ließe sich daraus seiner Meinung nach zumindest ableiten, dass Ibrutinib nicht schlechter ist als chemotherapiehaltige Regime. Dabei habe RESONATE-2 gezeigt, dass die Therapie auch bei Patienten eingesetzt werden könne, die für den Standard Fludarabin/Cyclophosphamid/Rituximab (FCR) nicht infrage kommen. Bei den fitten Patienten lasse sich die Chemotherapie zumindest reduzieren.

Ob die Chemotherapie in der Erstlinientherapie bei fitten Patienten mit CLL ohne 17p-Deletion oder TP53-Mutation zu Grabe getragen werden könne, solle die vierarmige CLL13-Studie zeigen. Sie vergleicht den Standard FCR oder Bendamustin/Rituximab (BR) mit den Armen Rituximab/Venetoclax, Obinutuzumab/Venetoclax und Obinutuzumab/Ibrutinib/Venetoclax. Erste Ergebnisse werden 2023 erwartet, sagte Prof. Stilgenbauer.

Mehr Patienten frei von einer minimalen Resterkrankung

In der refraktären oder rezidivierten Situation hat die MURANO-Studie in einem nach der Meinung von Prof. Stilgenbauer sauberen Vergleich die Überlegenheit der chemotherapiefreien Therapie mit Rituximab/Venetoclax gegenüber BR gezeigt. Das progressionsfreie und das Gesamtüberleben waren ohne Chemotherapie signifikant verlängert, ebenso der Anteil an Patienten, die eine Freiheit von einer messbaren minimalen Resterkrankung (MRD) aufwiesen.

Chemotherapie bleibt aber in bestimmten Situationen ein wichtiger Bestandteil der Behandlung von Patienten mit CLL, betonte Privatdozentin Dr. Barbara Eichhorst, Innere Medizin I der Uniklinik Köln. Froh ist sie zwar, dass sie Patienten mit hohem Risiko, beispielsweise mit einer 17p-Deletion oder einem mutierten TP53, dank der BCL-gerichteten Therapie keine Chemotherapie mehr zumuten muss.

Für fitte Patienten mit mutiertem IGHV-Status ist aber die FCR nach wie vor Erfolg versprechend mit einem sehr langen progressionsfreien und Gesamtüberleben. Patienten mit mutiertem IGHV-Status und 13q-Deletion (niedriges Risiko) haben nach FCR-Therapie sogar eine praktisch normale Lebenserwartung. Damit beeinträchtigt weder die Erkrankung noch die Therapie die Lebenserwartung dieser Patienten.

Therapie auch bei asymptomatischer CLL?

Bei asymptomatischer früher CLL war bislang eine Strategie des abwartenden Beobachtens (w&w) Standard. Auch in diesen Bereich könnte die gezielte Therapie vorstoßen. Eine Studie der deutschen CLL-Studiengruppe vergleicht aktuell Ibrutinib bei Binet-A-CLL mit intermediärem oder hohem Risiko mit einer Strategie des abwartenden Beobachtens (w&w) in der Hoffnung, mit dem Kinaseinhibitor einen Progress bei höherem Risiko deutlich herauszögern zu können.1 Eine Niedrigrisikogruppe mit w&w läuft als dritter Arm mit. Ergebnisse werden frühestens Ende 2022 vorliegen.

1. Clinicaltrials.gov Identifier: NCT02863718

Die Chemotherapie kann auch Vorteile haben

Ein Vorteil der Chemotherapie ist die zuverlässige Applikation und die begrenzte Zeit unter Therapie. Dr. Eichhorst geht davon aus, dass die kontinuierliche Therapie mit oralen Kinaseinhibitoren ähnlich wie bei der Therapie der chronisch myeloischen Leukämie Adhärenzprobleme mit sich bringt. In Studien sind Abbruchraten von mehr als 20 % keine Seltenheit und in einem Register hatten sogar 42 % der Patienten schon nach drei Jahren die Ibrutinib-Therapie beendet. Dr. Eichhorst findet das bedenklich, zumal die volle Wirksamkeit von Ibrutinib eine längere Behandlung voraussetzt. Und schon eine Woche Therapiepause kann bei Ibrutinib das progressionsfreie Überleben verschlechtern. In einigen Studien wird die Immunchemotherapie auch zum Debulking vor der BCR-gerichteten Therapie verwendet, um ein Tumorlysesyndrom zu verhindern. Eine Absage an die Chemotherapie stellen die zielgerichteten Therapien also nicht dar. Problematisch sind die Kosten, betonte Dr. Eichhorst.Ein Jahr Ibrutinib-Therapie kostet derzeit 70 000 Euro, sechs Zyklen FCR etwa 20 000 Euro. Die FCR-Therapie ist dann im günstigsten Falle vorbei. Die Ibrutinib-Therapie muss wahrscheinlich ein Leben lang weitergeführt werden.

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Werden Chemotherapien bei der CLL überflüssig? Eher nein, so Experten beim DKK – zielgerichtete Therapien können derzeit nicht alle Aspekte der Behandlung abdecken. Werden Chemotherapien bei der CLL überflüssig? Eher nein, so Experten beim DKK – zielgerichtete Therapien können derzeit nicht alle Aspekte der Behandlung abdecken. © iStock/daizuoxin