Der Hardcore-Refluxer – auch ihm können wir letztlich helfen

Dr. Hansjörg Meyer

Zu rechnen ist mit 30 % PPI-Therapieversagern. Zu rechnen ist mit 30 % PPI-Therapieversagern. © iStock.com/Planet Flem

Wie geht man am besten mit chronischen Refluxpatienten um? Und spielte GERD früher schon die gleiche Rolle wie heute? Mit einer Reise durch die Geschichte der GERD-Therapie geht Dr. Meyer in seiner Kolumne diesen und weiteren Fragen auf den Grund.

Wer kennt ihn nicht, den chronischen Refluxpatienten, bei dem man (fast) schon alles versucht hat, aber eben ohne durchschlagenden Erfolg! Die quälende Symptomatik erweist sich als resistent gegen jede Therapie. Die häufigste Pein ist der Säurereflux, der ja nicht nur äußerst schmerzhaft sein kann, sondern auch die Ösophagusschleimhaut massiv schädigt.

Dabei spielte die GERD (Gastro-Esophageal Reflux Disease) nicht immer diese Rolle wie heute. Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrtausends, als die PPI gerade ihren Siegeszug als Behandlungsoption für das Magen- und Duodenalgeschwür begannen, spielte bei den Ärzten und der Pharmaindustrie GERD eine nur untergeordnete Rolle. Das änderte sich auch nicht, als die Dual-/Tripletherapie zur Helicobacter-pylori-Eradikation in das allgemeine medizinisch-therapeutische Bewusstsein rückte.

Der Ulkus-Drops musste erst gelutscht werden

Als dann in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre der „Magengeschwür-Drops“ gelutscht war, rückte die Refluxkrankheit in den Fokus. GERD ist also eine Post-Ulkus-Erscheinung, die bis heute eine große medizinische und wirtschaftliche Dimension besitzt.

Die Therapiemöglichkeiten der GERD waren vor der revolutionären PPI-Behandlungsoption eher bescheiden. Lange Zeit beherrschten die Antazida das therapeutische Geschehen. Ihre säureneutralisierende Wirkung hat einen passablen Effekt in der Akuttherapie bei gelegentlichen säurebedingten Beschwerden. Die „verwirrten“ Parietalzellen in der Magenschleimhaut fahren allerdings ihre Salzsäureproduktion hoch, was naturgemäß zu einem kontraproduktiven Effekt führt. Die Langzeitgabe einiger Antazida ist wegen der möglichen Störung des Mineralhaushalts ohnehin problematisch. Natriumhaltige Antazida können zu einer Hypernatriämie, einer metabolischen Alkalose oder gar zu einer Hypertonie führen. Auf aluminiumhaltige Medikamente sollte man ohnehin verzichten.

Die H2-Blocker in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts mussten zunächst auch die „Ulkus-Phase“ durchlaufen, bis man sie dann auch für das Sodbrennen einsetzte. Nach den Antazida waren die H2-Blocker ein Schritt nach vorne, aber eben kein Quantensprung. Der kam ja dann erst mit den PPI. Die große Akzeptanz und der breite Einsatz dieser Substanzklasse sind Ausdruck für die überlegene Wirkung. Mit dem Einsatz der PPI bei refluxbedingter Symptomatik dachte man, sei das Problem gelöst. Dachte man …

Durch PPI-Wechsel verbesserte Wirkung

Lange war man der Meinung, dass das überlegene Wirkprinzip der Protonenpumpenblockade immer wirkt und stets zu einem befriedigenden therapeutischen Behandlungserfolg führt. Es ist wie immer bei Medikamenten: Je häufiger sie eingesetzt werden, desto mehr sieht man auch die Schattenseiten. So auch bei den PPI. Der großflächige Einsatz führte dann doch des Öfteren zu der negativen Rückmeldung der Patienten, dass die Refluxsymptomatik weiterhin besteht. Der erfahrene Arzt variiert dann die Therapie, als da wären: Dosiserhöhung, Veränderung der Einnahmeintervalle, Wechsel des Präparats – interessanterweise hat ein Wechsel des PPI oft eine verbesserte Wirkung.

Das hängt aber mit einer einfachen Erklärung zusammen. Die meisten Refluxpatienten erhalten Pantoprazol, welches nachweislich der PPI mit der geringsten Wirkstärke ist. Ein Wechsel auf das stärker wirksame Omeprazol oder gar Esomeprazol führt deshalb zu einem besseren therapeutischen Ergebnis. Aber man muss eingestehen: Auch diese Therapiemodifikationen führen nicht immer zum Erfolg.

Lässt sich die Negativquote quantitativ bestimmen? In der sog. LOPA-Studie (Lost-Patient) untersuchten Labenz J et al., wie groß die Therapielücke ist und wo der Protonenpumpenblocker bei starken refluxbedingten Symptomen nicht oder nicht ausreichend hilft.1

Das überraschende Ergebnis zeigte eine Lücke von sage und schreibe 30 %. Nun war klar, dass es sich bei den PPI-Therapieversagern nicht um eine zu vernachlässigende Zahl handelt. Nein, im Gegenteil, Hilfe tut not. Das therapeutische Armamentarium muss erweitert werden, um auch dieser 30%-Klientel zu helfen.

Es ist wie immer im Leben: Wenn es ein Problem oder eine Fragestellung gibt, wird nach Lösungen gesucht. So auch im Falle der Hardcore-Refluxer, die mit der gängigen Therapie nicht zufrieden sind. Es wurden verschiedene Lösungen entwickelt, die auch auf dem Markt verfügbar sind und zum Einsatz kommen. Eine simple Methode, man hätte auch schon früher darauf kommen können, ist die Co-Therapie zum PPI mit einem Alginat. Immerhin gibt es solch ein Medikament bereits seit 1975 in Deutschland. Die Substanz legt sich wie eine Schutzschicht auf die sog. Acid-Pocket im Magen und verhindert somit erfolgreich den Rückfluss des Mageninhalts in den Ösophagus.

Wer es lieber „chirurgisch“ mag, hat drei Möglichkeiten: Zum einen kann man die Fundoplikatio wählen, die Implantation eines dehnbaren Metallrings (LINX®) um die Speiseröhre oder als neueste Methode die Elektrostimulation des unteren Ösophagussphinkters (Endostim®). Welche chirurgische Methode man wählt, hängt naturgemäß von den Erfahrungen des Zentrums, dem Erfolg der Methode und der regionalen Verfügbarkeit ab. Refluxzentren, welche die Elektrostimulation anbieten, können den Hardcore-Refluxern erfolgreich die therapeutische Stirn bieten.

Wem das alles zu viel Chemie und zu viel Chirurgie ist, wählt die softe Methode. Es gibt sog. Refluxkissen, in Analogie zu Stillkissen, die ebenfalls den nächtlichen Reflux eindämmen sollen. Der Patient, der mithilfe des Refluxkissens die ganze Nacht in einer Position verharrt, muss vielleicht noch gefunden werden. Jedermanns Sache ist das bestimmt nicht. Das Kissen ist jedenfalls budgetfreundlich, da der Patient es selbst bezahlt.

Problem gelöst: ja – nein – vielleicht?

Ja, das Problem für den Hardcore-Refluxer ist im Prinzip gelöst. Es gibt mehrere Möglichkeiten, ihn von seinen quälenden Refluxproblemen zu befreien. Er muss aber auch bereit sein, die angebotenen Therapieoptionen anzunehmen. Da ist gelegentlich auch eine psychologische Hürde beim Patienten zu überwinden. Hier ist der einfühlsame und überzeugende Arzt gefragt. Denn alles ist möglich, wie schon Hippokrates sagte: „Heilung ist eine Frage der Zeit. Manchmal ist es aber auch eine Frage der günstigen Gelegenheit.“

1. Labenz J, Labenz G, Stephan D et al. Unzureichende Symptomkontrolle unter Langzeittherapie mit PPI bei GERD – Fakt oder Fiktion? MMW Fortschr Med 2016; 158: 7-11

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Zu rechnen ist mit 30 % PPI-Therapieversagern. Zu rechnen ist mit 30 % PPI-Therapieversagern. © iStock.com/Planet Flem