Der Herzinfarkt-Faktor

Dr. Dorothea Ranft

Es reicht schon eine einmalige Bestimmung des Lp(a). Es reicht schon eine einmalige Bestimmung des Lp(a). © luchschenF – stock.adobe.com

Ein noch wenig beachteter Risikofaktor für das kardiovaskuläre Risiko ist Lipoprotein (a). Zahlreiche Studien dokumentieren die Schadwirkung, die ein erhöhter Lipoprotein-(a)-Spiegel haben kann. Die hohen Werte müssen also runter – nur wie?

Die gefäßschädigende Wirkung des cholesterinähnlichen ­Lipoprotein (a) beruht im Wesentlichen auf vier Mechanismen: der Induktion vaskulärer Entzündungen, der Atherogenese, Verkalkung und Thrombenbildung. 20–25 % der Menschen weisen Lp(a)-Werte von 50 mg/dl und mehr auf. Das sind Serumspiegel, die laut der Richtlinien der Europäischen Atherosklerosegesellschaft (EAS) als erhöht einzustufen sind, erläutern Dr. Freddy ­Duarte ­Lau, ­Yale New ­Haven ­Health in ­Bridgeport, und Dr. ­Robert ­Giugliano, ­Brigham and ­Women’s ­Hospital in ­Boston. Für die Betroffenen heißt das: Selbst wenn alle anderen Parameter im optimalen Bereich liegen, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.

Immer mehr spricht für die kausale Bedeutung des Lp(a) für arteriosklerotisch bedingte kardio­vaskuläre Erkrankungen, berichten die beiden Autoren in ihrer Übersichtsarbeit. Mehrere Kohortenstudien haben ein proportional zum Lp(a)-Spiegel erhöhtes Risiko für koronare Herzkrankheit und Myokardinfarkt gezeigt. In der Metaanalyse dreier Studien mit zusammen fast 19.000 KHK-Patienten hatten diejenigen mit den höchsten Lp(a)-Werten im Vergleich zu denen mit den niedrigsten Serumspiegeln ein um 40 % erhöhtes Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse (­MACE).

Einmaliges Messen reicht in aller Regel

Auch für die Aortenklappenstenose mehren sich die Hinweise, dass Lp(a) bei ihrer Entstehung eine kausale Rolle zukommen dürfte. So hatte in einer Kohortenstudie aus Großbritannien das Teilnehmerdrittel mit den höchsten Spiegeln gegenüber der Terzile mit den niedrigsten Werten ein um 57 % gesteigertes Risiko für den Herzklappenfehler. Bei ischämischen Hirninsulten, bei Herzinsuffizienz und peripherer Verschlusskrankheit zeigt sich ein ähnliches Bild.

Folgerichtig befürworten die Europäische Atherosklerosegesellschaft (EAS) und die Europäische Gesellschaft für Kardiologie (ESC) die routinemäßige Bestimmung des Lp(a), um das individuelle kardiovaskuläre Risiko besser einschätzen zu können. Besonders wichtig erscheint dies bei Patienten mit familiärer Belastung für eine Gefäßerkrankung im jüngeren Lebensalter. Einmal zu messen, reicht in aller Regel, Kontrollmessungen können entfallen: Die Werte für Lp(a) sind zu 90 % genetisch festgelegt und bleiben über das gesamte Leben hinweg stabil.

Vieles spricht dafür, dass sich über das Senken erhöhter Lp(a)-Serumspiegel ein präventiver und therapeutischer Nutzen erzielen lassen müsste. Die bei Hypercholesterinämie üblicherweise empfohlenen Lebensstiländerungen – mehr bewegen, gesünder und ausgewogen essen – zeigen beim Lp(a) aber keinerlei Effekt, beschreiben Dr. Lau und Dr. ­Giugliano, und auch Statine oder ­Ezetimib können die zu hohen Werte nicht senken.

Eine moderate Reduktion der Lp(a)-Serumspiegel um etwa 15–25 % lässt sich mit PCSK9*-Hemmern wie ­Alirocumab oder ­Evolocumab erreichen. Diese Effekte schlagen sich aktuellen Daten zufolge in einer verringerten Rate an kardiovaskulären Ereignissen nieder. 

Ein anderer Ansatz zur Senkung erhöhter Lp(a)-Werte ist die Lipoproteinapherese. Das Verfahren ist ohne Frage vorübergehend hochwirksam, merken die beiden Autoren an. Wegen des hohen Zeitaufwands – der Patient muss lebenslang jede Woche oder alle 14 Tage für zwei bis drei Stunden zur Blutreinigung erscheinen – ist es in ihren Augen jedoch kaum praktikabel. 

Noch im Stadium der Entwicklung sind verschiedene nukleinsäurebasierte Therapien. Derzeit werden zwei Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen klinisch geprüft: das Antisense-Oligonukleotid ­Pelacarsen sowie die Small-interfering-RNA (­siRNA) ­Olpasiran. Den bisherigen Ergebnisse zufolge vermögen die Substanzen die Lp(a)-Serumwerte um 90 % und mehr zu senken.

* Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9

Quelle: Duarte Lau F, Giugliano RP. JAMA Cardiol 2022; 7; 760-769; DOI: 10.1001/jamacardio.2022.0987

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