Die neuen EULAR-Empfehlungen geben Orientierung

Dr. Dorothea Ranft

Das Wirkprinzip der eingesetzten Präparate ist die Immunmodulation, welche auch ihre Schattenseiten hat. Das Wirkprinzip der eingesetzten Präparate ist die Immunmodulation, welche auch ihre Schattenseiten hat. © brizmaker – stock.adobe.com

Immunsupprimierende Rheumatherapien haben es in sich. So können darunter nicht nur latente Infektionen aufflackern, auch opportunistische Keime werden begünstigt. Vor dem Beginn einer solchen Behandlung steht deshalb ein gezieltes Infektscreening an.

Ob Biologika, Methotrexat oder Glukokortikoide: Das Wirkprinzip der in der Rheumatologie eingesetzten Präparate ist die Immunmodulation. Diese hat allerdings auch ihre Schattenseiten. Denn was die chronische Entzündung eindämmt, spielt Tuberkulosebakterien, Hepatitisviren und anderen Erregern in die Hände. Um dem zu begegnen, sollten Patienten möglichst vor der Therapie entsprechend gescreent und gegebenenfalls prophylaktisch behandelt werden, heißt es in den unter Federführung von Dr. ­George ­Fragoulis von der National and Kapodistrian University in Athen erstellten Empfehlungen der EULAR*.

Tuberkulose

Am Anfang steht die Untersuchung auf eine latente Tuberkulose. Sie wird für alle Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankung propagiert, die mit Biologika (bDMARD­) oder gezielten systemischen Wirkstoffen (tsDMARD­, JAK-Inhibitoren) behandelt werden sollen. Bei Patienten mit erhöhtem Tbc-Risiko ist ein entsprechendes Screening auch zu erwägen, wenn eine Therapie mit konventionellen systemisch wirkendenden Antirheumatika (csDMARD­), Immunsuppressiva oder Glukokortikoiden geplant ist. Besonders reaktivierungsgefährdet sind Personen mit Alkohol- oder Nikotinabusus bzw. infektiösen Haushaltskontakten. Auch eine Steroiddosis > 15 mg Prednisolonäquivalent über einen längeren Zeitraum (> 4 Wochen) gilt als kritisch.

Zum Tbc-Screening ist der Gamma-Interferon-Test (IGRA­) dem Tuberkulin-Hauttest (THT) überlegen und deshalb zu bevorzugen. Im Fall eines hochgradigen Verdachts können auch beide Nachweisverfahren kombiniert werden, um keine versteckte Infektion zu übersehen. Zusätzlich empfiehlt die EULAR­ einen Röntgenthorax. Denn ein negativer IGRA­ oder THT schließt eine latente Infektion nicht aus. Auch ein regelmäßiges Nachtesten kann sinnvoll sein, insbesondere wenn Risikofaktoren vorliegen oder sich im Lauf der Zeit entwickeln.

In der Behandlung der latenten Tbc muss ein besonderes Augenmerk auf mögliche Interaktionen zwischen Rheuma- und Lungenmedikamenten gerichtet werden. Eine Überwachung der Leberfunktion ist indiziert, wenn Patienten zusätzlich zu Isoniazid hepatotoxische Wirkstoffe wie Methotrexat und Leflunomid verordnet bekommen. Zu bedenken ist auch, dass Rifampicin die Pharmakokinetik von JAK-Inhibitoren und Steroiden beeinflusst.

Hepatitis B

Für Patienten, die DMARD­, Immunsuppressiva oder Glukokortikoide erhalten, wird auch ein Test auf das Hepatitis-B-Virus angeraten. Das Risiko für eine Reaktivierung der Infektion hängt vom HBV-Status ab. Dieser sollte deshalb vor dem Beginn der Rheumatherapie geklärt werden. Außerdem hilft der Virusstatus bei der Entscheidung, ob ein besonders gefährdeter Patient (z.B. mit beruflicher Exposition) geimpft werden sollte.

HBV-Träger (HBsAg-positiv) profitieren von einer prophylaktischen Therapie, weshalb eine Überweisung zum Hepatologen empfohlen wird. Dieser Rat gilt vor allem für eine geplante Therapie mit Biologika, kann aber auch bei anderen DMARD­ sinnvoll sein. Das Risiko für eine HBV-Reaktivierung durch Steroide hängt von der Dosis ab. Hoch ist es bei Patienten, die mindestens 10 mg Prednisolonäquivalent ≥ 4 Wochen lang einnehmen.

Bei Personen, die eine HBV-Infektion durchgemacht haben (Anti-HBcore-positiv und HBsAg-negativ), ist die Wahrscheinlichkeit für eine Reaktivierung geringer. In diesem Fall sollten Leberfunktion und HBV-DNA initial und danach regelmäßig (z.B. alle drei bis sechs Monate) kontrolliert werden. Auch empfehlen die EULAR-Experten die Konsultation eines Leberspezialisten. Obligat ist diese bei nachweisbarer DNA – denn dann muss eine antivirale Therapie eingeleitet werden.

Ein besonders hohes Aktivierungsrisiko tragen mit Rituximab behandelte Patienten. Auch in diesem Fall ist es Aufgabe des Hepatologen, über eine prophylaktische Therapie zu entscheiden. Diese sollte vor oder simultan mit der Rheumabehandlung begonnen und mindestens sechs bis zwölf Monate fortgeführt werden.

Hepatitis C

Eine prophylaktische Überprüfung des Hepatitis-C-Status kommt für Personen in Betracht, die DMARD­, Immunsuppressiva oder Steroide erhalten sollen. Ausdrücklich angeraten wird die Untersuchung bei einer gestörten Leberfunktion, vor allem bei erhöhten ALT-Werten, sowie beim Vorliegen bekannter Risikofaktoren (z.B. intravenösem Drogenkonsum). Das Screening beginnt mit einer Kontrolle auf Anti-­HCV-Antikörper. Falls sich diese finden, wird auf HCV-RNA hin untersucht. Wenn die Erbsubstanz nachweisbar ist, steht auch in diesem Fall eine Überweisung zum Leberexperten an.

HIV und Varizellen

Ein HIV-Test wird vor der Behandlung mit biologischen DMARD empfohlen. Sie kommt aber auch für Patienten in Betracht, die andere krankheitsmodifizierende Medikamente, Immunsuppressiva oder Glukokortikoide erhalten, zumal eine erfolgreiche antiretrovirale Therapie möglich ist.

Zum Varizella-zoster-Virus geben die EULAR-Experten mangels entsprechender Evidenz keine speziellen Empfehlungen. Sie befürworten aber eine anamnestische Klärung des Immunstatus, also etwa früher durchgemachte Varizelleninfektion oder der Erhalt einer Impfung. Bei fehlender oder zweifelhafter Infektabwehr sollte der Patient über die Möglichkeit einer Postexpositionsprophylaxe informiert werden, also z.B. nach dem Kontakt mit Windpocken oder Herpes zoster. Die Prävention mit Viro­statika ist nicht generell indiziert, sie nützt aber möglicherweise bei Gürtelroserezidiven­.

Pneumocystis jirovecii

Die Prophylaxe gegen Lungenentzündungen durch Pneumocystis jirovecii­ kommt in Betracht, wenn Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung hoch dosierte Steroide erhalten, speziell in Kombination mit Immunsuppressiva. Die Evidenz spricht dafür, dass die Vorbeugung sinnvoll ist, wenn die Patienten mehr als zwei bis vier Wochen lang eine Tagesdosis > 15–30 mg Prednisolonäquivalent einnehmen.

Am häufigsten genutzt wird eine Kombination von Trimethoprim und Sulfamethoxazol (­TMP-SMX 480 mg/d). Nachteilig ist die eingeschränkte Verträglichkeit dieser Medikation: Etwa 20 % der so Behandelten leiden an Nebenwirkungen wie Nausea, Kopfschmerzen und Exanthemen. Möglicherweise ist das Risiko für unerwünschte Effekte einschließlich Zytopenien unter einer Kombination von TMP und Methotrexat sowie bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes noch höher. Alternativ zu TMP-SMX kann inhaliertes Pentamidin eingesetzt werden. Atovaquon und Dapson kommen nur off label infrage.

*    European Alliance of Associations for Rheumatology (früher European League Against Rheumatism)

Quelle: Fragoulis GE et al. Ann Rheum Dis 2022; DOI: 10.1136/ard-2022-223335

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Das Wirkprinzip der eingesetzten Präparate ist die Immunmodulation, welche auch ihre Schattenseiten hat. Das Wirkprinzip der eingesetzten Präparate ist die Immunmodulation, welche auch ihre Schattenseiten hat. © brizmaker – stock.adobe.com