Ein Weinchen zur Abendstund, fürs Hirn ist das ungesund

Tim Förderer

Ab 56 g Alkohol pro Woche verdreifacht sich das Risiko für eine Hippocampus-Atrophie. Ab 56 g Alkohol pro Woche verdreifacht sich das Risiko für eine Hippocampus-Atrophie. © fotolia/Rawpixel.com

Von wegen gut fürs Gehirn: Schon das viel gepriesene Glas Rotwein geht – regelmäßig genossen – langfristig mit einer Atrophie des rechten Hippocampus einher. Und für die Kognition ist geringer Alkoholkonsum auch nicht besser als Abstinenz.

In einer Kohortenstudie gingen Dr. Anya Topiwala von der Universität Oxford und Kollegen dem Zusammenhang zwischen moderatem Alkoholkonsum und strukturellen Hirnveränderungen bzw. nachlassenden kognitiven Fähigkeiten nach. Analysiert wurden die Daten von 511 Angehörigen des öffentlichen Dienstes – knapp 80 % Männer –,die von 1985 bis 2015 alle fünf Jahre Auskunft über ihren Alkoholkonsum gegeben und sich kognitiven Tests unterzogen hatten. Am Ende der Beobachtungszeit wurden bei jedem ein zerebrales MRT und nochmals verschiedene kognitive Tests durchgeführt und die Ergebnisse in Relation gesetzt.

Den wöchentlichen Konsum reinen Alkohols teilten die Kollegen in folgende Kategorien ein:

  • Abstinenz: < 10 ml (<8 g)
  • geringer Konsum: 10–69 ml(8–55 g)
  • moderater Konsum: bei Frauen: 70–139 ml(56–111 g)bei Männern: 70–209 ml(56–167 g)
  • hoher Konsum:≥ 140 ml (≥ 112 g) bzw.≥ 210 ml (≥ 168 g)

Nach den neuen britischen Richtlinien ist auch bei Männern von einem riskanten Konsum auszugehen, wenn sie pro Woche mehr als 112 g Alkohol zu sich nehmen, schreiben die Autoren. Die männlichen Teilnehmer nahmen über die ganzen Jahre im Mittel 85,8 g Alkohol pro Woche zu sich, die Frauen 51,4 g, wobei der Konsum im Verlauf relativ konstant blieb. 40,3 % der Teilnehmer hatten gemäß der neuen britischen Richtlinien einen riskanten Umgang mit Alkohol.

Und in Deutschland?

Hierzulande beträgt der obere Grenzwert des risikoarmen Alkoholkonsums für Männer 24 g Reinalkohol pro Tag bzw. 168 g pro Woche. Für Frauen liegt er bei 12 g/d bzw. 84 g pro Woche. alles oberhalb dieser Grenzwerte gilt als riskanter Alkoholkonsum.

Quelle: S3-Leitlinie „Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener Störungen“

Im Vergleich zu den Abstinenten wiesen die Alkoholtrinker dosisabhängig eine Atrophie des rechten Hippocampus auf. Das Risiko dafür war bereits für die moderaten „Trinkern“ signifikant gesteigert (Odds Ratio 3,4) und für diejenigen mit hohem Alkoholkonsum am höchs­ten (OR 5,8).

Auch das Corpus callosum verändert sich

Dass sich das Trinken geringer Alkoholmengen protektiv auf das Gehirn auswirken könnte, wird ausgeschlossen, betonten die Studienautoren, die OR für die Entwicklung einer Hippocampusatrophie betrug (nicht signifikante) 1,6.

Bei Studienteilnehmern, die wöchentlich mindestens 56 g reinen Alkohol konsumierten, konnte man auch eine veränderte Mikrostruktur des Corpus callosum nachweisen. Zudem kam es bei ihnen zu einem schnelleren Nachlassen der Wortfindungsgeschwindigkeit als bei Abstinenzlern.

Alkoholgehalt in Gramm

Der Gehalt reinen Alkohols eines Getränks berechnet sich nach der Formel: ml x (Vol.-%/100) x 0,8 = g reiner Alkohol n
  • 330 ml bier mit 4,8 Vol.-% enthalten 12,7 g Alkohol
  • 100 ml Wein mit 11 Vol.-% enthalten 8,8 g Alkohol
  • 20 ml schnaps mit 38 Vol.-% enthalten 6,1 g Alkohol

Quelle: www.kenn-dein-limit.de

Andere kognitive Fähigkeiten schienen hingegen nicht signifikant unterschiedlich, was möglicherweise daran liegt, dass einige Probanden die kognitiven Tests im Laufe der Zeit erlernt haben könnten. Denkbar sei auch ein Einfluss durch die Probandenauswahl – Staatsdiener und vornehmlich Männer, schreiben die Psychiaterin et al.

Angesichts ihrer Ergebnisse raten sie, die von Gesundheitsinstitutionen angegebenen Grenzwerte für moderaten Alkoholgenuss zu überdenken.

Quelle: Topiwala A et al. BMJ 2017, 357: j2353

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Ab 56 g Alkohol pro Woche verdreifacht sich das Risiko für eine Hippocampus-Atrophie. Ab 56 g Alkohol pro Woche verdreifacht sich das Risiko für eine Hippocampus-Atrophie. © fotolia/Rawpixel.com