Evidenz zur Therapie von androgenetischer Alopezie fällt eher spärlich aus

Dr. Dorothea Ranft

Wächst wieder etwas nach, sollte man mit der Therapie dranbleiben. Wächst wieder etwas nach, sollte man mit der Therapie dranbleiben. © iStock.com/indigolotos

Dichtes Haar gilt als Zeichen für Jugend, Gesundheit und Erfolg. Haarausfall hingegen kann massiven Psycho­stress auslösen. Zumindest für die häufigste Form, die androgenetische Alopezie, werden inzwischen zahlreiche Therapiemöglichkeiten angeboten. Doch was leisten sie in der Praxis?

Die androgenetische Alopezie (AGA) verläuft normalerweise progressiv. Von einer Therapie wird erwartet, dass die das Ausdünnen des Schopfes aufhält und ein erneutes Haarwachstum fördert. Wie es um die Evidenz der Angebote steht, prüften die Autoren der neuen europäischen S3-Leitlinie. Das Spektrum der eingeschlossenen Arbeiten reicht von Medikamenten bis zur Haartransplantation.

Schaum mit 5 % Minoxidil haargenau richtig für Männer

Klar befürworten sie topisches Minoxidil bei Männern. Lösung und Schaum mit 5 % Minoxidilgehalt sind effektiver als die 2%ige Lösung, wenn beide zweimal täglich frontotemporal und in der Scheitelregion zum Einsatz kommen. Orales Minoxidil (5 mg/Tag) wirkt kaum besser als topisches, kann aber ernste Nebenwirkungen wie Hypertrichose, Fußödeme und EKG-Veränderungen auslösen.

Auch betroffene Frauen profitieren, ihnen genügt jedoch eine 2%ige Lösung, die zweimal täglich aufgetragen wird. Lösung und Schaum mit 5 % Minoxidil erzielen bei einmal täglicher Anwendung eine vergleichbare Wirkung. Die Experten sehen darin jedoch keinen Grund, höher konzentrierte Präparate vorzuziehen. Unabhängig vom Geschlecht sollte der Nutzen der Behandlung nach einem halben Jahr evaluiert werden. Der einmal erzielte Erfolg lässt sich allerdings nur erhalten, wenn die Therapie fortgesetzt wird.

Als weitere medikamentöse Option gilt der 5a-Reduktaseinhibitor Finasterid (1 mg/Tag). Die erste Erfolgskontrolle wird nach sechs bis zwölf Monaten angeraten. Die Datenlage für topisches Finasterid reicht nicht, um sich dafür oder dagegen auszusprechen. Für besonders motivierte Patienten kommt eine Kombination von oralem Finasterid (1 mg täglich) mit topischem Minoxidil (2–5%ige Lösung oder 5%iger Schaum) infrage. Der Einsatz der beiden Substanzen mit unterschiedlichem Wirkmechanismus kann das Ergebnis nachweislich verbessern. Falls die Behandlung mit Finasterid auch nach einem Jahr noch keinen Erfolg zeigt, setzen die Leitlinienautoren auf einen Versuch mit Dutasterid (0,5 mg/Tag).

Antiandrogene bringen Frauen mit normalem Spiegel nichts

Bei postmenopausalen Frauen mit Haarausfall vom weiblichen Typ erzielte die Tagesdosis von 1 mg oralem Finasterid keinen Effekt. Eine höhere Gabe von 5 mg könnte bei prä- und postmenopausalen Patientinnen mit normalen Androgenspiegeln wirksam sein, so die Autoren. Aber mangels placebokontrollierter Studien ist noch keine Einschätzung möglich.

Zurückhaltend äußern sie sich auch über die hormonelle Behandlung. Ausdrücklich abgeraten wird von oralen Östrogenen oder Androgen-Rezeptorantagonisten bei Männern. Auch die topische Behandlung mit dem Antiandrogen Fluridil, dem Antiöstrogen Fulvestrant oder dem Östrogen Alfatradiol wird bei ihnen nicht befürwortet.

Bei Frauen hängt das Vorgehen hingegen u.a. vom Hormonstatus ab. AGA-Patientinnen mit normalen Androgenspiegeln profitieren nach derzeitiger Datenlage nicht von oralen Antiandrogenen. Besteht jedoch bereits ein klinischer oder bio­chemischer Hyperandrogenismus, kann man Cyproteronacetat erwägen, z.B. in Kombination mit einem Östrogen als orales Kontrazeptivum. Zur topischen Anwendung von Alfatradiol, natürlichen Östrogenen, Progesteron und topischem Fluridil sehen die Experten keine ausreichende Evidenzbasis für eine Empfehlung. Topisches Fulvestrant sollte nicht eingesetzt werden.

Wenn Patienten weder mit der medikamentösen Alopeziebehandlung zufrieden sind, noch ihre kahlen Stellen dauerhaft kosmetisch überdecken wollen, kann eine mikrochirurgische Eigenhaartransplantation für Abhilfe sorgen. Dabei werden Gruppen von ein bis vier Haaren, sogenannte follikuläre Einheiten, verpflanzt. Dieser Eingriff setzt voraus, dass der Patient in anderen Kopf­arealen genügend Spenderhaare zur Verfügung hat. Der Erfolg zeigt sich in der Regel nach neun bis zwölf Monaten, oft sind mehrere Eingriffe erforderlich. Um die Progression der Alopezie aufzuhalten, raten die Autoren die Haartransplantation mit der täglichen Einnahme von 1 mg Finasterid zu kombinieren. Auch Frauen können bei ausreichendem Spenderhaar von einer Transplantation profitieren.

Plättchenreiches Plasma wird ebenfalls zur Behandlung der AGA eingesetzt. Für eine Empfehlung ist es allerdings noch zu früh, so die Experten. Die wenigen Studien zeigen zwar eine gewisse Zunahme der Haardichte, sind aber sehr klein und haben keine Kontrollgruppe. Außerdem ist die Herstellung des Plasmas nicht standardisiert.

Effekt des Laser-Kamms auf lange Sicht ungewiss

Auch die Low-level Laser Therapy wird zur supportiven Behandlung angeboten. Sie erfolgt zu Hause z.B. mit einem speziellen Laser-Kamm und wird abgesehen von leichten Nebenwirkungen wie Hauttrockenheit und Juckreiz meist gut toleriert. In Studien erhöhte sich zwar die Haardichte, es fehlen jedoch Aussagen über Langzeiteffekte.

Quelle: Kanti V et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2018; 32: 11-22

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Wächst wieder etwas nach, sollte man mit der Therapie dranbleiben. Wächst wieder etwas nach, sollte man mit der Therapie dranbleiben. © iStock.com/indigolotos