Fettleber bei Normalgewicht durch erworbene Lipodystrophie?

Maria Fett

Histologisch erkennt man die Lipodystrophie mit Inflammation des Unterhautfettgewebes. Histologisch erkennt man die Lipodystrophie mit Inflammation des Unterhautfettgewebes. © zVg

Eine 45-jährige Patientin mit Hautkrebs entwickelt im Zuge einer Checkpoint-Inhibitor-Therapie eine schwere nicht-alkoholische Fettlebererkrankung – obwohl sie mehr als 30 kg Körpergewicht während der Behandlung verliert. Dafür verantwortlich scheint eine bislang unbekannte Ursache der erworbenen Lipodystrophie. Eine Kasuistik.

Seit Kurzem wird darüber diskutiert, die nicht-alkoholische Fettleber (non-alcoholic fatty liver disease, NAFLD) in MAFLD umzubenennen. Mit dem neuen Terminus „metabolisch-assoziierte Fettlebererkrankung“ wolle man die Ursachen des Syndroms unterstreichen, heißt es: Übergewicht, Diabetes mellitus und andere stoffwechselrelevante Prozesse. Womöglich übersieht man damit jedoch Faktoren, die schweren Formen der NAFLD bei schlanken Personen zugrunde liegen. In diesen Fällen handelt es sich meist um genetisch bedingte oder erworbene Veränderungen des Unterhautfettgewebes (Lipodystrophie). Sie alle zeichnen sich durch einen massiven Verlust dieses Gewebes bei gleichzeitiger Zunahme der Fettmasse im Bauch und in der Leber aus.

Metastasen bildeten sich drei Jahre nach der Exzision

Einer bisher unbekannten Ursache dieser NAFLD kamen Forschende um Professor Dr. Norbert­ Stefan­ vom Universitätsklinikum Tübingen und von dem Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen (IDM) des Helmholtz Zentrums München, einem Partner der DZD, während der Behandlung einer 45-jährigen Patientin auf die Spur.1 Im September 2013 hatte man bei ihr ein malignes Melanom dia­gnostiziert, das zunächst erfolgreich exzidiert und anschließend adjuvant mit Interferon-α behandelt worden war. Als sich drei Jahre später Meta­stasen in den Lymphknoten bildeten, starteten die behandelnden Ärztinnen und Ärzte ein zwölfmonatiges Regime mit dem Immuncheckpoint-Inhibitor Nivolumab (s. Kasten). 

Checkpoint-Inhibitoren in der Tumorbehandlung

Checkpoint-Inhibitoren blockieren inhibitorische Immuncheckpoints und provozieren damit eine Abwehrreaktion des Immunsystems auf das Tumorgewebe. Sie können sich gegen einen Rezeptor, wie im Fall von Nivolumab PD1, oder seinen Liganden (PD-L1) richten. Pharmakologisch gehören Checkpoint-Inhibitoren zu den monoklonalen Antikörpern. Mit ihrer Hilfe gelingt es Ärzten immer besser, zuvor nur schwer zu behandelnde Krebsarten wie Melanome und Bronchialkarzinome wirkungsvoll zu therapieren.

Trotz massiven Gewichtsverlusts stiegen die Triglyzeride

Die Therapie war erfolgreich bei der Behandlung des Melanoms und zu Beginn hatte die Frau diese auch gut vertragen. Kurz vor Therapieende zeigte sie jedoch immer mehr Symptome eines milden Dia­betes. Die hohen Triglyzeridwerte von bis zu 40,1 mmol/l (3546 mg/dl) ließen sich selbst mit hoch dosierten Glukokortikoiden nicht in den Griff bekommen. Was die Ärzteschaft besonders irritierte, war die Tatsache, dass sich die Beschwerden trotz des massiven Gewichtsverlusts der Patientin von 31 kgKG entwickelt hatten. Eine Biopsie des Unterhautgewebes offenbarte schließlich eine stark ausgeprägte entzündliche Infiltration der Fettgewebeläppchen, sodass die Gruppe um Prof. Stefan eine erworbene Lipodystrophie mit einer schweren Entzündung des Fettgewebes diagnostizierte.

Umfangreiche Pharmakobehandlung über ein Jahr

In der Folge stoppten sie die Glukokortikoidtherapie. Gegen die Fettlebererkrankung und den Dia­betes bekam die 45-Jährige zunächst Basal- sowie Bolusinsulin, sequenziell ergänzt durch den SGLT2-Hemmer Empagliflozin. Daran an schlossen sich – teilweise überlappend – eine Therapie mit Liraglutid und Pioglitazon. Durch Letzteres erhoffte man sich eine Zunahme des Unterhautfettgewebes. Tatsächlich verbesserten sich Leberfett, Leberenzyme und Lipidwerte der Patientin durch die Therapie über ein Jahr kontinuierlich und waren am Ende fast wieder normwertig. Auch etwas Gewicht hatte die Frau wieder zugenommen. So sehr Checkpoint-Inhibitoren die Krebsbehandlung auch vorangebracht haben, so gewahr muss man sich der Gefahren für schwere Nebenwirkung sein, betont Prof. Stefan. Waren bisher vorrangig unerwünschte Effekte auf Haut, Magen-Darm-Trakt, Lunge und das endokrine System bekannt, ist dies der erste publizierte Fall einer erworbenen Lipodystrophie mit Fettlebererkrankung bei einer schlanken Person, die wohl maßgeblich durch Checkpoint-Hemmer ausgelöst wurde.

Anhäufung von Mastzellen als Ursache der Entzündungen?

Auch wenn über deren Pathomechanismen noch recht wenig bekannt ist, vermuten die Experten, dass die zuvor bei der Patientin entdeckte asymptomatische Mastozytose – eine Anhäufung von Mastzellen in Haut und/oder inneren Organen – eine tragende Rolle gespielt haben könnte. Die resultierenden Entzündungen haben vermutlich den Anstoß für die schwere Inflammation des Fettgewebes und schlussendlich die Lipodystrophie mit Fettlebererkrankung gegeben.

1. Eigentler T et al. Ann Intern Med 2020; 172: 836-837; DOI: 10.7326/L19-0635

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Histologisch erkennt man die Lipodystrophie mit Inflammation des Unterhautfettgewebes. Histologisch erkennt man die Lipodystrophie mit Inflammation des Unterhautfettgewebes. © zVg
Prof. Dr. Norbert Stefan, Universitätsklinikum Tübingen, Helmholtz Zentrum München, DZD Prof. Dr. Norbert Stefan, Universitätsklinikum Tübingen, Helmholtz Zentrum München, DZD © zVg