„Fieber ist kein Ibuprofen-Mangelsyndrom!“

Dr. Sascha Bock

Rund zwei Drittel aller Konsultationen, die Kinder betreffen, drehen sich um Fieber. Dessen Bedeutung wird aber bei Weitem überschätzt. Rund zwei Drittel aller Konsultationen, die Kinder betreffen, drehen sich um Fieber. Dessen Bedeutung wird aber bei Weitem überschätzt. © fotolia/Rido

Fieber ist sinnvoll. Und das sollte man Eltern, die ihre kranken Kinder mit Antipyretika regelrecht füttern, ruhig mal sagen, fordert ein niedergelassener Kinder- und Jugendarzt. Der Kollege gab Tipps zur Einschätzung der erhöhten Körpertemperatur und erklärte, wann eine stationäre Einweisung erfolgen muss.

In der Hausarztpraxis drehen sich rund zwei Drittel aller Konsultationen, die Kinder betreffen, um Fieber. Dessen Bedeutung wird aber bei Weitem überschätzt, meinte Dr. Ulrich Enzel, niedergelassener Kinder- und Jugendarzt aus Schwaigern. Schließlich handele es sich um ein Symptom und nicht um eine eigenständige Krankheit.

Bei Säuglingen spricht man ab einer Temperatur > 38,5 °C von Fieber, bei größeren Kindern ab 38 °C. Der Wert unterliegt jedoch individuellen Schwankungen: Je blasser der Hauttyp und je blonder die Haare, desto höher das Fieber. Auch die Größe der Lymphknoten nimmt Einfluss. Mitunter bleibt ein Temperaturanstieg sogar ganz aus. „Nicht die Höhe des Fiebers sagt, wie krank ein Kind ist“, erinnerte der Referent.

Messung macht nur in der Dynamik Sinn

Als Goldstandard zur Quantifizierung gilt die rektale Messung. Die Werte anderer Methoden liegen 0,3–0,6 °C niedriger. Vor allem von der Ohrmessung riet Dr. Enzel ab. Denn diese sei sehr fehlerbehaftet, z.B. durch Cerumen oder eine per se höhere lokale Temperatur bei Otitis media. Grundsätzlich mache die Bestimmung nur in der Dynamik Sinn.

Auf den Riesling achten 
bei Gastroenteritis

„Viel trinken“ raten alle Ärzte bei Gastroenteritiden. Aber woran lässt sich festmachen, ob ein Kind genug trinkt? Hier hat Dr. Enzel einen eingängigen Merksatz parat: „Das Kind soll Riesling produzieren und keinen Gewürztraminer.“ Sprich: So viel Flüssigkeit zu sich nehmen, bis der Urin wasserhell ist. Zur Rehydratation eignen sich vor allem Fertigpulverlösungen oder als Alternative die Berner Drittel-Lösung:
  • Je 1/3 stilles Wasser, Schwarztee und Orangensaft
  • + 5 g Traubenzucker + 1 g Backpulver + 1 g Kochsalz/100 ml

Während der körperlichen Untersuchung lässt der Kollege das Kind so lange es geht auf dem Schoß eines Elternteils sitzen. Zur Diagnostik gehören immer die Palpation des Abdomens (Appendizitis) sowie die Inspektion des gesamten Integuments. Denn bei Meningokokkeninfektion z.B. gehen Petechien den klassischen Meningitissymptomen oft ein bis zwei Tage voraus. Ein Blick in die Ohren darf ebenfalls nicht fehlen (Otitis media). Taktisch klug sei es, sich diesen Teil bis zum Schluss aufzusparen, so der Pädiater.

Bei unklarem Fieber immer den Urin untersuchen

Als häufigste Fieberursache in den ersten 4–6 Lebensjahren nannte er akute virale Atemwegsinfekte. Dabei sollte man in jedem Fall auf das „zweite Kranksein“ achten: Steigt das Fieber zwischen dem 2. und 7. Erkrankungstag erneut, haben sich Bakterien breitgemacht und es ist eine Wiedervorstellung nötig. Leidet ein Kleinkind unter einem akuten Harnwegsinfekt, fehlen oft spezifische Symptome wie Pollakisurie oder Dysurie. Fieber liegt nur in 10 % der Fälle vor. Auch der typische Klopfschmerz einer Pyelonephritis findet sich erst bei älteren Kindern. Lässt sich die Ursache für allgemeine Beschwerden also nicht klären, besteht immer die Indikation zur Urindiagnostik. „Wenn Sie eine Laboruntersuchung brauchen, dann den Spontanurin“, sagte Dr. Enzel.

Wann das Fieber senken?

Eine Antipyretikagabe ist bei Fieber nur indiziert, wenn das Kind
  • stark beeinträchtigt ist
  • sehr hohes Fieber hat (> 40 °C)
  • nur noch sehr wenig trinkt
  • sich in speziellen Situationen befindet (Schock, Erkrankung mit erhöhtem Energieumsatz wie chronische Herz- bzw. Lungenerkrankung oder Bronchiolitis)

Wie aber soll man bei Kindern mit erhöhter Körpertemperatur nun vorgehen? Der Kinderarzt setzt auf Aufklärung: „Sagen Sie den Eltern, dass Fieber physiologisch ist und einen Überlebensvorteil darstellt.“ Durch Infekte lernt das Immunsys­tem, dass der Temperaturanstieg die Replikation von Keimen hemmt und darüber hinaus wohl insgesamt die Immunität steigert. Antipyretika sollten nur in bestimmten Situationen zum Einsatz kommen (s. Kas­ten), ganz nach dem Grundsatz: das Kind behandeln und nicht das Thermometer. Zur Therapie eignet sich vorrangig Ibuprofen (5–10/mg/kgKG als Saft, Zäpfchen oder Tablette bis zu 4 x täglich, maximal 40 mg/kg/Tag). Paracetamol ist wegen der geringeren analgetischen Potenz und des hohen Risikos einer Überdosierung durch die Eltern nur zweite Wahl. Von den beliebten Hausmitteln zur äußeren Kühlung wie Eisbädern und Wadenwickel hält Dr. Enzel nichts, da sie zu einer Vasokonstriktion führen. An ergänzenden Maßnahmen empfiehlt er stattdessen:
  • Körperoberfläche unbedeckt lassen
  • ausreichende Flüssigkeitszufuhr (pro Grad Fieber 10 % mehr Flüssigkeit) n Gewichtskontrolle bei Erbrechen und/oder Durchfall
Ob eine stationäre Behandlung erfolgen muss, hängt vom Gesamteindruck des Arztes ab, aber auch von der elterlichen Kompetenz. Über 80 % der Einweisungen seien zumindest sozial mitbedingt, so die Erfahrung des Kollegen. Eine ambulante Überwachung kommt infrage, wenn es den Eltern nach ärztlicher Aufklärung gelingt, ihren Nachwuchs engmaschig zu beobachten (Atmung, Haut, Verhalten etc.). Bei persistierendem Fieber steht innerhalb von ein bis zwei Tagen eine Reevaluation an.

Epilepsierisiko nach Fieberkrampf gering

Wirkt das Kind bereits bei der Erstkonsultation schwer krank (lethargisch, dehydriert) oder finden sich z.B. Hautblutungen, heißt es, umgehend einzuweisen. Das Gleiche gilt für Säuglinge mit Fieber, bei denen keine sichere „harmlose“ Diagnose gestellt werden kann. Ein Fieberkrampf verlangt ebenfalls nach einer stationären Behandlung. Bei jedem fünften Kind steckt eine Meningitis oder Enzephalitis dahinter. Prinzipiell kann man die Eltern aber beruhigen: Ein Anfall hat meist keine Langzeitfolgen, das Risiko für die Entwicklung einer Epilepsie liegt bei 1–1,5 %.

52. Ärztekongress der Bezirksärztekammer Nordwürttemberg Stuttgart

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Rund zwei Drittel aller Konsultationen, die Kinder betreffen, drehen sich um Fieber. Dessen Bedeutung wird aber bei Weitem überschätzt. Rund zwei Drittel aller Konsultationen, die Kinder betreffen, drehen sich um Fieber. Dessen Bedeutung wird aber bei Weitem überschätzt. © fotolia/Rido