Gastroösophageales Adenokarzinom: Inhibitoren von HER2, Tight Junctions und FGFR getestet

Dr. Miriam Sonnet

Durch die neuen Ansätze kann die Krebstherapie noch zielsicherer werden. Durch die neuen Ansätze kann die Krebstherapie noch zielsicherer werden. © iStock/olm26250

Bisher waren zielgerichtete Therapien bei gastro­ösophagealen Adenokarzinomen nur mäßig erfolgreich. Neue Substanzen – darunter FGFR-Inhibitoren und Claudin­ 18.2 – sollen das Behandlungsspektrum erweitern und die Prognose verbessern.

Die molekulare Heterogenität gastroösophagealer Adenokarzinome erschwert den Einsatz einer Präzisionsmedizin. So variieren die molekularen Alterationen oftmals zwischen Primärtumor und Metastasen – ein Grund, warum zielgerichtete Therapien bisher nur begrenzt Erfolge verzeichneten, berichtete der Onkologe Professor Dr. Andrés­ Cervantes­ von der Universität Valencia. Neue molekulare Zielstrukturen sollen dies ändern und das Behandlungsspektrum ergänzen. Sie müssen jedoch erst noch erprobt werden.

Transmembranrezeptoren

Zu den neuen Targets gehören Transmembranrezeptoren und die damit zusammenhängenden Signalwege. Für deren Blockade ist Trastuzumab, ein Anti-HER2-Antikörper, verfügbar. Er wird gegen HER2-amplifizierte Tumoren eingesetzt, erklärte der Referent. Bei vorbehandeltem HER2+ Magenkarzinom untersuchten Forscher einer aktuellen Phase-2-Studie Trastuzumab-Deruxtecan.1 In diesem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat ist Trastuzumab an einen Topoisomerase-I-Inhibitor gebunden. Patienten im Prüfarm sprachen mit 42 % im Vergleich zu 12 % besser auf Trastuzumab-­Deruxtecan an als Studienteilnehmer unter einer konventionellen Chemo­therapie mit Irinotecan oder Paclitaxel. Zudem lebten sie mit median 12,5 Monaten vs. 8,4 Monate länger (Hazard Ratio [HR] 0,59; 95 %-KI 0,39–0,88; p = 0,01).

Experte fordert, Patienten besser zu selektieren

In einer Phase-2-Studie wird Trastuzumab plus Pembrolizumab in Kombination mit einer Chemotherapie überprüft für Menschen mit HER2+ Karzinom der Speiseröhre, des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs.2 Eine Response erreichte das Regime bei 90 % der Patienten, 75 % waren nach sechs Monaten progressionsfrei. Für trastuzumabrefraktäre Patienten mit HER2-Amplifikation gilt zudem Afatinib als attraktive Option – allerdings nur, wenn gleichzeitig EGFR und MET amplifiziert werden.3 Es sei daher umso wichtiger, strenger im Hinblick darauf zu selektieren, wer von welcher Behandlung profitiert, erläuterte Prof. Cervantes.

Tight-Junction-Proteine

Tight-Junction-Proteine gelten ebenfalls als interessante Zielstruktur. Claudin-Proteine, darunter Claudin 18.2, bilden eine Hauptkomponente der Tight Junctions. Diese Proteine verschließen den Interzellularraum zwischen den Epithel­zellen.

Mit Ausnahme der Magenschleimhaut wird Claudin 18.2 von gesundem Gewebe nicht exprimiert. Zolbetuximab inhibiert Claudin 18.2, jedoch nur, wenn Letzteres über­exprimiert vorliegt. Vielversprechende Ergebnisse lieferte die Phase-2-Studie FAST.4 Ein Teil der 161 Patienten mit gastroösophagealen Adenokarzinomen erhielt EOX (Epirubicin, Oxaliplatin, Capecitabin) und zusätzlich Zolbetuximab.

Für das progressionsfreie Überleben (PFS) ergab sich ein Vorteil für die Kombination aus Chemo­therapie und Antikörper mit einer Differenz von 3,3 Monaten (9 Monate vs. 5,7 Monate; p < 0,0005). Zudem lebten die Teilnehmer im Prüfarm im Schnitt 7,6 Monate länger (16,5 Monate vs. 8,9 Monate; p = 0,0006). Zurzeit laufen bereits zwei Phase-3-Studien – GLOW und SPOTLIGHT –, in denen die Kombinationen aus mFOLFOX6* bzw. CAPOX**­ plus Zolbetuximab untersucht werden.

Fibroblasten-Wachstumsfaktor-­Rezeptor-Gen

Molekulare Alterationen des FGFR-Gens gelten ebenfalls als Ansatzpunkte für eine zielgerichtete Behandlung. FGFR2b-Überexpression oder -Amplifikation geht dabei mit einer schlechten Prognose einher. In einer Phase-1-Studie testeten Wissenschaftler den FGFR-Inhibitor Bemarituzumab bei gastro­ösophagealem Adenokarzinom.5 Von den 28 Patienten mit Tumoren, die eine starke FGFR2b-Überexpression zeigten, sprachen fünf auf die Behandlung an. Bemarituzumab ist jetzt die Prüfsubstanz in der Phase-3-Studie FIGHT. Weitere FGFR-Inhibitoren werden zudem zurzeit entwickelt.

DNA-Reparatur

Prof. Cervantes berichtete zudem über neue Zielstrukturen innerhalb der DNA-Damage-Response (DRR)-Signalwege. Zunächst sah diese Strategie wenig erfolgsversprechend aus: So wurde in der Phase-3-Studie GOLD der primäre Endpunkt verfehlt. Es bestand kein Überlebensvorteil durch den PARP-Inhibitor Olaparib bei Menschen mit fortgeschrittenem Magenkrebs.6

Neuer Versuch mit neuem PARP-Inhibitor

Die Hoffnung ruht nun u.a. auf einem neuen PARP-Inhibitor namens Pamiparib, dessen Stellenwert als Erhaltungstherapie in einer Phase-­3-Studie getestet wird.7 Die Autoren wollen rund 540 Patienten mit fortgeschrittenem Magenkrebs einschließen, die ursprünglich auf eine platinhaltige Chemotherapie angesprochen hatten. Rund acht Wochen nach der letzten Gabe werden die Teilnehmer 1:1 zu Pampiparib oder Placebo randomisiert.

Biomarker

Zuletzt stellte der Onkologe die Daten der VIKTORY-Umbrella-Studie vor, in der Wissenschaftler Menschen mit metastasierten kolorektalen Karzinomen in verschiedene Biomarker-Arme einteilten und dementsprechend behandelten.­ Diese acht Gruppen umfassten RAS-Aberrationen, TP53-Mutationen, PIK3CA-­Mutationen/Amplifikationen, MET-Amplifikationen, MET-Überexpressionen, TSC2-Defizienzen, RICTOR-Amplifikationen sowie eine Gruppe, die keinen der genannten Biomarker aufwies.

Die Studienteilnehmer wurden je nach Biomarker zu verschiedenen Behandlungen aus Phase-2-Studien eingeteilt. Beispielsweise erhielten Menschen mit RAS-Aberration eine Therapie aus Selumetinib plus Docetaxel und Personen mit TP53-Mutation eine Kombination aus Adavosertib und Paclitaxel. Alle Personen profitierten von einer zielgerichteten Therapie. So verbesserten sich sowohl das Gesamtüberleben als auch das PFS signifikant im Vergleich zu Patienten, die eine konventionelle Chemotherapie erhalten hatten.

* Oxaliplatin + 5-Fluorouracil + Leucovorin
** Capecitabin + Oxaliplatin

Quellen:
1. Shitara K et al. N Engl J Med 2020; 382: 2419-2430; DOI: 10.1056/NEJMoa2004413
2. Janjigian YY et al. Lancet Oncol. 2020; 21: 821-831; DOI: 10.1016/S1470-2045(20)30169-8
3. Sanchez-Vega F et al. Cancer Discov 2019; 9: 199-209; DOI: 10.1158/2159-8290.CD-18-0598
4. Sahin U et al. J Clin Oncol 2019; 37: Suppl 4 Abstract 16
5. Catenacci DVT et al. J Clin Oncol. 2020; 38: 2418-2426; DOI: 10.1200/JCO.19.01834
6. Bang YJ et al. Lancet Oncol. 2017; 18: 1637-165; DOI: 10.1016/S1470-2045(17)30682-4
7. Ciardiello F et al. J Clinical Oncol 2019; 37: 4_suppl, TPS173-TPS173

Cervantes A. Keynote Lecture „New agents on the horizon in gastro-esophageal adeno­carcinomas“. ESMO World Congress on Gastrointestinal Cancer 2020 Virtual

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